Britische Panzer für die Ukraine

Challenger-2-Kampfpanzer während eines Nato-Manövers 2004. Bild: Fiorellino, CC BY-SA 3.0

Front gegen Putin geschlossen. Nur Jeremy Corbyn wagt sich aus Deckung. Telepolis-Serie: Positionen der Mitglieder des Sicherheitsrats (Teil 2)

Mitte Januar gab der britische Premier Rishi Sunak bekannt, dass 14 Challenger-2-Panzer an die Ukraine geliefert werden würden. Damit befeuerte er früh die Diskussion über westliche Panzerlieferungen und schien sich in seiner Rolle während der Parlamentsdebatte zu gefallen.

Offenbar gedachte er die westlichen Partner mit der britischen Lieferung in Zugzwang zu bringen und hatte damit dann auch Erfolg. Der damit vollzogene Tabubruch, aktuelle Waffensysteme aus dem eigenen Arsenal in den Krieg zu entsenden, wurde in Großbritannien nur verhalten kritisch kommentiert.

Längst trainiert ukrainisches Personal im Vereinigten Königreich in den Challenger-Panzern. Militärisch betrachtet ist die Lieferung nicht unmittelbar einleuchtend. Zunächst kann die Übersendung von vierzehn Panzern unmöglich kriegsentscheidend sein, zumal das Gerät eine ganze Reihe logistischer Probleme mit sich bringt. Die Ukraine verfügt derweil nicht einmal über die nötigen Sattelschlepper zum schnellen Transport der Panzer.

Schwere Panzer in tiefen Böden

Die Challenger 2 sind – wie alle westlichen Panzer – sehr schwer. Der Einsatz entsprechender Waffensysteme in Osteuropa ist seit dem "Unternehmen Barbarossa" der Wehrmacht nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Damals waren die überdimensionierten Nazi-Panzer vielfach steckengeblieben und waren leichte Beute der kleineren und wendigeren sowjetischen Panzer.

Allerdings stecken in den neuen Challenger 2 – wie auch im deutschen Leopard 2 und dem US-amerikanischen Abrams – viel Navigationstechnik und tödliche Waffensysteme, über die die russischen T-72 und T-90 nicht verfügen.

Eine dauerhafte Lieferung westlicher Panzer und der Aufbau der nötigen Logistik könnten somit – auf längere Sicht – kriegsentscheidend sein. So zumindest die Erzählung der Militärs.

Allein die Ankündigung der Lieferung der Challenger 2 hat eine Diskursverschiebung gebracht, weil fortan in den Medien über Panzer diskutiert wurde. Die interviewten Militärexperten und Generäle ließen gerne Waffenstolz und Begeisterung für Panzertechnik in ihren Analysen anklingen.

Dies müssten von einer aufgeklärten Öffentlichkeit vermutlich mehr angezweifelt werden, als dies aktuell geschieht. Das Schlachtfeld soll insgeheim zur Darstellung militärischer Leistungsfähigkeit und als Testgelände genutzt werden.

Am Ende müssen die teuren Panzer gar unter Beweis stellen, dass sie noch zeitgemäß sind. Schätzungen gehen davon aus, dass im bisherigen Krieg ungefähr 2.000 Panzer zerstört wurden. Insbesondere die hohen russischen Verluste werfen die Frage auf, ob in Zeiten leicht zu schulternder Panzerabwehrraketen Panzer nicht längst unsinnig geworden sind.

Allerdings sehen westliche Experten den Fehler vielfach eher im russischen Einsatz der Panzer. Die Sache verhalte sich umgekehrt zur Vorstellung militärischer Laien: Nicht die Panzer schützten die Fußsoldaten, sondern die Infanterie muss die Panzer schützen. Weil das russische Militär zu wenige Bodentruppen eingesetzt hat, seien die Panzer verwundbar geworden.

Eine Frage der Psychologie

Es geht bei der Panzerlieferung vermutlich vornehmlich um das Symbol, dass die Entsendung schweren Geräts beinhaltet und dafür gibt es handfeste Gründe. Der Krieg ist nämlich wieder mal in eine neue Phase gelangt.

Der britische Militärhistoriker Lawrence Friedmann brachte es auf die simple Formel, Putin könne offenkundig seine Kriegsziele nicht mehr erreichen, werde aber diese Niederlage niemals einräumen. Deshalb könne er nur mehr auf die Abnutzung des ukrainischen Widerstandes durch Zermürbung hoffen.

In Moskau wartet man folglich auf das Ende der westlichen Kriegsunterstützung und hofft auf Ermüdungsbrüche im Bündnis. Die schweren Panzer sollen genau diesen Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes gewichtig widerlegen.

Das "Spiel auf Sieg" hat für viele seinen Reiz, schließlich will niemand in Großbritannien, dass Putin siegt. Kritische Stimmen gibt es wenige. Allenfalls der ehemalige Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn wagt sich, getreu dem Motto "ist der Ruf erst ruiniert" aus der Deckung. Er setzt sich gemeinsam mit vornehmlich in den USA beheimateten Friedensinitiativen und religiösen Persönlichkeiten wie Jesse Jackson und William Barber II für umgehende Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland ein.

Je mehr Waffen in den Konflikt "geworfen" würden, desto mehr Menschen müssten sterben, heißt es von dieser Seite. Corbyns etwas verzweifelte Frage lautet, ob zu Beginn des 21. Jahrhunderts keine anderen Instrumente als Waffenlieferungen zur Verfügung stünden: "Können wir es nicht besser?" Als gutes und ermutigendes Beispiel sieht er die von der Türkei vermittelte Einigung zwischen der Ukraine und Russland zu den Weizenlieferungen.

Auf den gewissen Verhandlungserfolg müsste aufgebaut werden, stattdessen sei die Diskussion jetzt in den Händen der Militärexperten. Aber "alle Kriege enden mit Verhandlungen".

Die britische Stop The War Coalition, die 2003 eine Million Menschen zum Protest gegen den Irak-Krieg auf die Straßen Londons bewegen konnte, schlug in die gleiche Kerbe und kommentierte:

Dies ist nicht der Weg zu Frieden und bedeutet eine weitere Eskalation. Die Bewaffnung der Ukraine und die Entsendung von Panzern sind ein weiterer Schritt weg von Verhandlungen.

Die britische Regierung scheint es genau umgekehrt zu sehen. Sie hält den Krieg gegen Putin für gewinnbar und die Gefahr einer Eskalation für überschaubar. Das schwere Gerät wird’s richten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.