Britische Regierung plant umfassende Regulierung ungesunder Lebensmittel

Pommes frites, Pizza und andere Fastfood auf Holztisch

(Bild: New Africa / Shutterstock.com )

London sagt fettiger, süßer und salziger Nahrung den Kampf an. Eine Zuckersteuer zeigt bereits Wirkung. Wann ist Deutschland dafür bereit?

Das britische staatliche Gesundheitssystem ächzt unter seinen laufenden Kosten und dem chronischen Personalmangel. Da verwundert es nicht wirklich, dass der Staat eines der grundlegenden Übel aufgreift, welches die Gesundheit auf den britischen Inseln bedrohen: die Ernährung.

Seit 2018 gibt es in Großbritannien eine Steuer auf Zucker in Erfrischungsgetränken wie Limonaden. Laut einer Studie halbierte sich die Zuckermenge, die Kinder dort durch derartige Getränke zu sich nehmen, innerhalb eines Jahres nach Einführung der Steuer.

Es verwundert daher kaum, dass die Regierung beabsichtigt, eine Ausweitung auf andere Lebensmittel sowohl mit hohem Zuckergehalt als auch solche mit hohem Fett- und Salzgehalt vornehmen will, die bei Kindern besonders beliebt sind, jedoch auch eher ungesund.

Wenn sich die Bevölkerung schon vom Kindesalter an, weniger ungesund ernährt, könnten letztlich auch die Aufwendungen für das Gesundheitswesen niedriger ausfallen. Die Erkenntnis, dass sich die Ernährung auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung auswirkt, scheint in Großbritannien über keine große Tradition zu verfügen.

Die traditionelle britische Küche galt lange Zeit nicht als besonders gesund und über den Geschmack der Inselküche konnte man trefflich streiten. Besser wurde die Küche erst mit der Zuwanderung qualifizierter Köche aus den früheren Kolonien.

Die über den Atlantik gekommene Ausweitung des Fast-Food-Verzehrs und die Zunahme der hoch verarbeiteten Lebensmittel haben die Erfolge der Diversifizierung der Kochkünste jedoch im Laufe der Zeit wieder zunichtegemacht.

Unabhängig von der gerade herrschenden Regierungspartei haben die Sorgen um das nationale Gesundheitssystem NHS die Zuständigen nach Ansätzen suchen lassen, wie man seine Kosten in den Griff bekommen könnte.

Die UK-Zuckersteuer hat System

Die umgangssprachlich Zuckersteuer genannte Industrieabgabe für Erfrischungsgetränke, wird seit inzwischen sechs Jahren auf Erfrischungsgetränke erhoben, die im Vereinigten Königreich hergestellt oder importiert werden. Diese Abgabe ist Teil der britischen Anti-Adipositas-Politik und war eines der Kernstücke der Strategie zur Bekämpfung von Fettleibigkeit bei Kindern.

Wenn ein Getränk acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter oder mehr enthält, muss der Hersteller 24 Pence pro Liter bezahlen. 18 Pence pro Liter sind es, wenn es zwischen fünf und acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthält. Die Steuer sollte die Getränkehersteller dazu anregen, den Zuckergehalt ihrer Produkte zu reduzieren. Das taten in der Folge auch viele, um unter den niedrigeren Steuersatz zu fallen.

Im Kampf gegen Fettleibigkeit bei Minderjährigen will die britische Regierung von Oktober 2025 an tagsüber Fernsehwerbung für Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt verbieten. Diese Produkte dürfen dann nur noch ab 21:00 Uhr gezeigt werden. Online soll dann sogar ein vollständiges Verbot für Junkfood-Werbung gelten.

Die neue sozialdemokratische Regierung setzt damit Pläne der konservativen Vorgängerregierung um. Der damalige Premierminister Boris Johnson hatte das Verbot bereits im Juni 2021 angekündigt. Die damals schon für 2023 geplante Einführung wurde aber mehrmals verschoben. Jetzt gilt der Oktober 2025 als Starttermin.

Umfragen zufolge finden diese gesetzlichen Maßnahmen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Die British Heart Foundation fordert inzwischen, das Verbot einerseits auch auf Plakatwände, Radiowerbung und Sportsponsoring auszuweiten und andererseits eine Salz- und Zuckerabgabe für alle Lebensmittel.

In Deutschland ist eine Regulierung der Ernährung nicht mehrheitsfähig

Ungesunde Ernährung ist auch in Deutschland an den hohen Gesundheitskosten nicht ganz unbeteiligt. Die Idee, direkt an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel einzuschränken, gilt hierzulande jedoch schon als Freiheitsberaubung, weil sie die Freiheit der Werbung beschneiden würde.

Eine Untersuchung der an Kinder adressierten Werbung durch Foodwatch hat gezeigt, dass 85,5 Prozent dieser Produkte der großen Lebensmittelkonzerne zu viel Zucker, Fett und/oder Salz enthalten. Sie sind nach WHO-Kriterien unausgewogen und sollten deshalb nicht an Kindern beworben werden. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht: ″An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.″

Bundesernährungsminister Özdemir hatte vor über einem Jahr Pläne vorgestellt, mit dem Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG), die Werbung für Kinder-Snacks mit sehr hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt einzuschränken. In der Ampel-Koalition stößt das hauptsächlich bei der FDP auf Widerstand, weil die Werbewirtschaft vor einem Einbruch ihrer Geschäfte warnt.

In einer von Foodwatch beauftragten Kurzstudie der DIW Econ unter dem Titel ″Ökonomische Einordnung des geplanten Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz″ wurde jedoch deutlich, dass die prognostizierten Werbeeinbußen deutlich überschätzt werden.

Die ökonomischen Vorteile des geplanten Kinderschutz-Gesetzes sind laut der DIW-Analyse signifikant, weil sich die ernährungsbedingten Gesundheitskosten deutlich senken lassen würden, denn der gesamtwirtschaftliche Nutzen des KLWG werde durch die potenziell vermeidbaren Gesundheitskosten einer ungesunden Ernährung die vermeintlichen Kosten auf dem Werbemarkt mehr als aufwiegen.

Dass der Lebensmittelverband Deutschland und der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft die Auffassung vertreten, dass das KLWG nicht nur verfassungs- und europarechtswidrig sei, sondern dass es auch keine wissenschaftliche Evidenz für eine Kausalität zwischen Werbung und der Übergewichtsentwicklung bei Kindern liefern könne, unterscheidet Deutschland grundlegend von Großbritannien.