Britische Regierung verspricht "Machtrevolution" durch das Konzept der "Big Society"

Bürger und Kommunen sollen mehr Macht erhalten, Überwachung und Sicherheitsgesetze wie die Vorratsdatenspeicherung sollen nach dem Willen der Liberaldemokraten zurückgefahren werden

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Mit großen Ankündigungen tritt die neue britische Regierung an. Die Koalition aus den Konservativen und den Liberaldemokraten will, so Vizepremier Nick Clegg von den Liberaldemokraten, eine Regierung sein, die sich von allen anderen unterscheiden. Clegg stellte zusammen mit Premier Cameron das Konzept der Großen Gesellschaft (big society) vor, das dem politischen Labour-Konzept des „Großen Staates“ entgegengesetzt wird.

Gemeint ist damit, dass den Menschen mehr Macht und Verantwortung erhalten, während die des Staates schrumpfen und sich dezentralisieren soll. Die geplante Machtübertragung an die Bürger, so die denn tatsächlich nicht nur Ankündigung bleiben wird, soll das Vertrauen in die Politik zurückbringen. Es gehe nicht um ein paar neue Regeln, sondern um die größte politische Reform seit langem. Vor der Wahl kritisierte allerdings Clegg noch die „Big Society“ der Konservativen, weil diese insgeheim den Bürgern teuer zu stehen könnte. Nun aber vereint in der Regierung soll alles ganz anders und ein und dasselbe sein: "Liberalism, big society. Empowerment, responsibility. It means the same thing.“ Es gehe um eine gewaltige kulturelle Veränderung, wenn die Menschen sich nicht mehr an den Staat wenden, „sondern sich frei und imstande sehen, sich selbst und ihren Komnunen zu helfen“.

Die Kommunen sollen ebenso gestärkt wie die Beteiligung der Bürger an den kommunalen Belangen, was allerdings vor allem zu heißen scheint, dass sie sich freiwillig und kostenlos mehr engagieren sollen. Lokale Regierungen sollen mehr Kompetenzen und größere finanzielle Autonomie erhalten. Kooperativen sollen gestärkt und Angestellte im öffentlichen Dienst ermuntert werden, privatwirtschaftliche Kooperativen zu bilden. Stiftungen, Nachbarschaftsgruppen oder soziale Organiationen sollen mit Geldern aus inaktiven Konten unterstützt werden. Die Regierung will transparenter werden und den Bürgern ein neues „Recht auf Daten“ gewähren. Das soll auch einschließen, monatlich die Polizeistatistiken über die Kriminalität in der jeweiligen Wohngegend zu erhalten, um besser informiert zu sein und die Leistung der Polizei besser überprüfen zu können.

Das klingt alles letztlich nicht als der große Wurf, den Clegg anpreist, schon eher als ein Versuch, Kosten einzusparen und Arbeit zu verlagern, also nach dem schlanken Staat, den auch Bush bei seinem Amtsantritt versprach und der ein Lieblingsprojekt der Liberalen ist. Im Wahlkampf machte Cameron bereits deutlich, dass die „Big Society“ aus sozialen Unternehmen und kommunalem Engagement der Bürger besteht.

Die „Machtrevolution“, die Clegg ankündigt, soll allerdings aus weiteren Elementen bestehen, die in dem gemeinsam mit Cameron verfassten Programm für die „Big Society“ nicht aufgeführt wurden. So sollen einige der Projekte der Labour-Regierung gekippt werden. Es werden keine Personalausweise und keine nationale Datenbank eingeführt, es soll keine Neuauflage der biometrischen Pässe geben, man werde die Vorratsdatenspeicherung beenden, die Videoüberwachung soll ebenso eingeschränkt werden die Nationale Gendatenbank, Schulen sollen von ihren Kindern keine Fingerabdrücke mehr nehmen dürfen. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit soll ausgebaut werden. Und schließlich sollen die Bürger gefragt werden, welche Gesetze wieder abgeschafft werden sollen. Das scheint vor allem Sicherheitsgesetze zu betreffen, die unter der Labour-Regierung stetig erweitert und verschärft wurden. Auch sollen möglichst keine neue Straftatbestände mehr geschaffen werden: „Den Menschen die Freiheit zu nehmen, macht unsere Straßen nicht sicherer“, sagt Clegg.