CDU hadert mit Rechtsausleger Maaßen
Bedenken gegen Bundestagskandidatur: Wenn der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident führenden Christdemokraten nicht geheuer ist
Ist der ehemalige Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes zu rechts, um mit dem Ticket der CDU in den Bundestag einzuziehen? - Einige Christdemokraten haben durchaus Bedenken gegen die geplante Kandidatur von Hans-Georg Maaßen in Südthüringen. Die vier beteiligten Kreisverbände halten aber offenbar mehrheitlich daran fest. Nach einem Treffen mit Vertretern der Kreisverbände am Mittwochabend sagte CDU-Landeschef Christian Hirte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), die Wortbeiträge in den Beratungen seien "60 zu 40 pro Maaßen" ausgefallen.
Hirte selbst scheint darüber nicht glücklich zu sein: Er sehe die Personalie unverändert als "problematisch" an und habe deutlich gemacht, "wofür die CDU steht", so der Landeschef der Unionspartei.
Maaßen gilt als bekanntestes Gesicht des rechten CDU-Flügels WerteUnion, übt sich gern in Politikberatung und will erklärtermaßen Wählerstimmen zurückgewinnen, die seine Partei an die AfD verloren hat. Allerdings konnte er sich für Thüringen auch eine von der AfD tolerierte Minderheitenregierung aus CDU und FDP vorstellen.
Im Zweifel mit der AfD
"Hauptsache die Sozialisten sind weg", hatte Maaßen im Februar 2020 mit Blick auf die Abwahl des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) erklärt. Dieses Manöver wollten Spitzenpolitiker der CDU im Bund nicht mittragen - so blieb dem kurzzeitig mit CDU- und AfD-Stimmen inthronisierten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) nur der Rücktritt.
Für die Bundestagswahl ist Maaßen Wunschkandidat des Südthüringer CDU-Kreisverbands Schmalkalden-Meiningen im Wahlkreis 196, der insgesamt vier Landkreise umfasst. Die ursprünglich für den 16. April geplante Wahlkreisversammlung zur Kandidatenaufstellung ist am Mittwoch verschoben worden und soll nun voraussichtlich am 23. April stattfinden. Nach Informationen des RND gibt es in führenden Kreisen der Bundes-CDU "Bemühungen", Maaßens Nominierung zu verhindern. Doch wie wurde er aus deren Sicht untragbar - und inwiefern kam diese Entwicklung überraschend?
Als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) war Maaßen im November 2018 von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, nachdem ein Streit über die Bewertung von Ausschreitungen rechter Demonstranten in Chemnitz eskaliert war. Während die zuständige Staatsanwaltschaft in 120 Fällen wegen Straftaten wie Körperverletzung, Beleidigung und Landfriedensbruch ermittelte, hatte Maaßen erklärt, es habe dort "keinen Mob" und "keine Hetzjagd" gegeben.
Diese beiden juristisch undefinierten Begriffe waren zuvor in der öffentlichen Debatte gefallen - Maaßen hatte aber damit suggeriert, er wisse trotz laufender Ermittlungen bereits, dass es dort keine nennenswerte Häufung von Straftaten des rechten Spektrums gegeben habe. Ob er dabei V-Mann-Aussagen aus diesem Spektrum vertraut oder gemutmaßt hatte, ist bis heute nicht bekannt.
In der SPD sieht er "linksradikale Kräfte" am Werk
Zu guter Letzt hatte Maaßen von "linksradikalen Kräften" in der SPD-Spitze gesprochen, die sinngemäß die Deutungshoheit beansprucht hätten, um den Bruch der Koalition mit CDU und CSU im Bund zu provozieren. Das hatte dem scheidenden BfV-Chef nicht nur den Spott des damaligen Linksparteichefs Bernd Riexinger eingebracht, der daraufhin getwittert hatte: "Kann #Maaßen den Kontakt zu diesen ominösen linken Teilen der Bundesregierung mal herstellen. Wir suchen die schon sehr lange." Die Bundesregierung nahm das mit weniger Humor.
Finanziell ist Maaßen trotzdem weich gefallen. Trotz seines dreijährigen Anspruchs auf die Maximalpension von 71,75 Prozent seines letzten Einkommens als BfV-Präsident in Höhe von 11.577 Euro brutto im Monat - also gut 8.300 Euro - war der heute 58jährige aber zwischenzeitlich auch als Rechtsanwalt in der Kölner Kanzlei Höcker tätig. Persönlich soll er dort nicht mit der Klage der AfD gegen seine frühere Behörde befasst gewesen sein - die Partei wehrt sich mit Hilfe der Kanzlei Höcker gegen die Einstufung als "Verdachtsfall" in Sachen Rechtsextremismus beziehungsweise deren Bekanntmachung. Ende Januar verließ Maaßen die Kanzlei wieder.
Maaßens Verhältnis zur Wahrheit
Im Juli soll sein Buch "Es ist nie falsch, die Wahrheit zu sagen" erscheinen - ein Titel, der durch seine frühere Funktion als Geheimdienstchef unfreiwillig komisch wirkt, denn als solcher beruft er sich logischer Weise darauf, zumindest Teile der Wahrheit nicht öffentlich sagen zu müssen. Im Fall des mutmaßlichen Berliner Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri hatte Maaßen zunächst von einem "reinen Polizeifall" gesprochen; dann stellte sich heraus, dass er als BfV-Chef selbst mehrere Monate vor dem Anschlag ein Behördenzeugnis über den islamistischen "Gefährder" unterschrieben hatte.
Zudem hatte das BfV eine menschliche "Quelle" in der kleinen, aber radikalen Berliner Fussilet-Moschee geführt, als Amri dort regelmäßig verkehrt und manchmal sogar übernachtet hatte. Maaßens Verhältnis zur Wahrheit scheint demnach mindestens flexibel zu sein. Für den Untersuchungsausschuss des Bundestags stellte sich die Frage, ob auch das BfV eine Mitverantwortung dafür trug, dass Amri nicht vor dem Anschlag aus dem Verkehr gezogen worden war.
Im Oktober 2020 saß Maaßen im Zeugenstand des Ausschusses. Dort wies er jegliche Mitverantwortung des BfV zurück und agitierte stattdessen in allgemeiner Form gegen das aus aus seiner Sicht zu lasche Asylrecht. Es sei eben "nicht normal", dass ein Tunesier, der aus einem Drittland gekommen sei und in Italien bereits im Gefängnis gesessen habe, sich überhaupt in Deutschland aufhalten könne.
Vorhersehbare Entwicklung
Von einer plötzlichen und unvorhersehbaren Rechtsentwicklung Maaßens kann aber keine Rede sein. Seine Doktorarbeit schrieb er zu einer Zeit, als das Asylrecht gerade erst verschärft worden war und die Flüchtlingszahlen zurückgegangen waren. In der 1997 fertiggestellten Dissertation mit dem Titel "Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht" wollte Maaßen Spielräume für eine restriktivere Flüchtlingspolitik aufzeigen.
Dass ihm wegen der Aufnahme einer größeren Zahl Geflüchteter im Herbst 2015 der Kamm schwoll, konnte niemanden überraschen, der seine Doktorarbeit kannte. Die breite Öffentlichkeit kannte sie damals nicht, seine Dienstherren müssten sie aber schon gekannt haben, als er 2012 BfV-Chef wurde. Dass er nun Teilen der CDU zu rechts für eine Bundestagskandidatur ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf die "Ära Maaßen" im deutschen Inlandsgeheimdienst.
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