Cannabis-Verbotsdebatte: Was Kiffer erwartet, wenn Friedrich Merz Kanzler wird
CDU und CSU wollen Legalisierung von Cannabis rückgängig machen. Warum es dafür kaum Verbündete gibt – und was die anderen Parteien sagen.
Dem Cannabis-Schwarzmarkt hat die Teillegalisierung bisher kaum geschadet. Darüber wundert sich auch Karl Lauterbach (SPD) nicht. Die Reform könne "noch gar nicht wirken", sagte Bundesgesundheitsminister am Freitag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Den Unionsparteien warf er vor, deren Umsetzung zu blockieren.
Hintergrund ist, dass Genehmigungen für Cannabis-Clubs zur legalen Herstellung und Abgabe in unionsgeführten Ländern bisher nur schleppend oder gar nicht erteilt werden.
Cannabis-Gesetz: Lauterbach will Debatte ohne Polemik
Das Cannabis-Gesetz, dessen Regelungen am 1. April in Kraft getreten sind, müsse "nüchtern" betrachtet werden, "ohne Polemik und ohne Häme", betonte Lauterbach.
Die Unionsparteien sprachen unterdessen von einem eklatanten Fehler, der die innere Sicherheit in Deutschland gefährde. Ihr Ziel: eine Neuauflage des Cannabis-Verbots.
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Darüber führten die Abgeordneten am Freitag eine emotionale Debatte. Lauterbach hob den Verbraucherschutz-Vorteil der Legalisierung hervor und betonte, der Cannabis-Konsum sei in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen, auch unter Jugendlichen. Dies sei eine gefährliche Realität, denn die Drogen seien immer höher dosiert. Hinzu kämen auf dem Schwarzmarkt zum Teil toxische Beimengungen.
Gesundheitsminister kann Cannabis überall riechen
"Cannabis ist überall. Sie können es sehen und riechen", sagte Lauterbach. Auch die Kriminalität sei bereits in den Jahren vor der Reform gestiegen, denn die Dealer hätten ein Monopol für den Verkauf gehabt, so der Minister. "Die niederländischen Clans sind das Ergebnis der gescheiterten Drogenpolitik." Abgeordnete mehrerer Parteien unterstützten seine Argumentation.
"Glauben Sie wirklich, dass ein einziges Problem in diesem Land gelöst würde, wenn sie Kiffer wieder kriminalisieren? Das ist nicht der Fall und das wird auch nicht geschehen", sagte die amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Kirsten Kappert-Gonther. Den Unionsparteien, die diese Aussprache gefordert hatten, attestierte die Grünen-Politikerin ein "seltsam obsessives Verhältnis zu Cannabis".
Linke fragt sich, was CDU und CSU rauchen
"Wenn das Ihr größtes Problem ist, dann fragt man sich wirklich, was auf den Fluren von CDU und CSU geraucht wird", spitzte die Linken-Abgeordnete Janine Wissler angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten und Existenzängste noch weiter zu.
"Sie wollen die Menschen umerziehen", warf sie der größten Oppositionsfraktion vor. Mit der Parole "Herz statt Merz" warnte Wissler abschließend vor der Sozial- und Drogenpolitik des CDU-Chefs und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.
FDP wundert sich über Cannabis-Prioritäten
Auch die FDP hatte in diesem Fall wenig Verständnis für die Prioritäten der Unionsparteien. Die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke zeigte sich überrascht, dass die Unionsparteien ausgerechnet in dieser schwierigen Lage eine Debatte über Cannabis auf die Tagesordnung gesetzt hätten, wo doch die Lösungen wirtschaftlicher Probleme dringlicher seien.
Ein negativer Trend durch das Cannabis-Gesetz sei bisher jedenfalls nicht belegbar. Erst wenn die nötigen Daten vorlägen, könnte eine ernsthafte Debatte über Auswirkungen des Gesetzes geführt werden, so Lütke.
Das Beispiel Kanada zeige im Übrigen, dass die Legalisierung der beste Weg sei, Dealer arbeitslos zu machen. Vor diesem Hintergrund forderte Lütke, es nicht bei der sogenannten ersten Säule der Legalisierung zu belassen, sondern die vollständige Legalisierung anzustreben. Die Abgabe von Cannabis soll demnach auch über Geschäfte und im Online-Handel möglich werden.
"Drogen gebrauchende Menschen sind keine Kriminellen. Sie brauchen unter Umständen unsere Hilfe, wenn von der Droge weg kommen wollen. Aber kriminell sind sie nicht", betonte der FDP-Abgeordnete Jürgen Lenders.
Nicht einmal die AfD zieht gegen Kiffer richtig mit
Nicht einmal die AfD-Fraktion wollte sich in diesem Fall gemeinsam mit den Unionsparteien auf Kiffer einschießen. Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion Martin Sichert (AfD), forderte stattdessen, den Schwerpunkt auf die aus seiner Sicht gescheiterte Ausländerpolitik zu legen und Kriminelle ohne deutschen Pass schneller abzuschieben.
Man könne das Cannabis-Gesetz kritisch sehen, "die Kiffer" seien aber nicht das drängendste Problem der inneren Sicherheit, so Sichert.
Neues Cannabis-Verbot auch mit Merz als Kanzler fraglich
Fraglich ist unter diesen Umständen, ob es mit Friedrich Merz als Kanzler tatsächlich zu einem neuen Cannabis-Verbot käme. Die Unionsparteien sind zwar momentan stärkste Kraft in den Umfragen und haben somit gute Chancen, nach den Neuwahlen im Februar den Kanzler zu stellen.
Zugleich waren sie aber mit Werten zwischen 32 und 36 Prozent in den letzten Wochen weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. In Koalitionsverhandlungen mit wem auch immer dürften könnten ihre Cannabis-Verbotsbestrebungen daher schnell beerdigt werden.