China: Zentraler Recyclinghof des Planeten ist geschlossen

Seite 4: Weltmeere: Planetare Kunststoff-Krise

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Längst dringt immer mehr ein anderes Plastik-Problem ins Bewusstsein der Welt: der Verlust der Kontrolle über die globale Verbreitung des Kunststoffmaterials, das mittlerweile als Mikroplastik flächendeckend im Trinkwasser verteilt anzutreffen ist - so zumindest das Ergebnis einer in Fachkreisen umstrittenen Studie aus dem Jahre 2017.

Seit den 1950er Jahren hat die Menschheit schätzungsweise etwas mehr als 8 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert, und mit mehr als 6 Milliarden Tonnen ist ein Großteil davon zu Müll geworden. Zu diesem Ergebnis kam 2017 eine Studie von Umweltwissenschaftlern der University of California, der University of Georgia und der Sea Education Association. 2015 wurden 9% der produzierten Kunststoffe recycelt, weitere 12% wurden verbrannt - der Rest soll auf Müllhalden oder anderswo in der Natur gelandet sein, unter anderem jährlich zwischen 5 und 13 Millionen Tonnen allein in den Weltmeeren, in denen mittlerweile 150 Millionen Tonnen akkumuliert sein sollen .

Für Lisa Svensson, bei den Vereinten Nationen für die Umweltbelange der Ozeane zuständig, ist das eine grässliche Situation, allerdings noch keine gänzlich verlorene. Sie glaubt, wenn sich Regierungen, Unternehmen und einzelne Weltbürger zusammenschließen, um das Vorrücken der Kunststoffverschmutzung zu stoppen, dann bestünde noch Hoffnung.

Vor dem UN-Umweltgipfel in Nairobi sprach sie von einer "planetaren Krise". Andere Teilnehmer machten sich für härtere globale Maßnahmen im Kampf gegen die ozeanische Plastikverschmutzung stark. So soll bis 2025 vor allem die Belastung der Weltmeere mit Plastikmüll stark reduziert werden - bisher nur eine unverbindliche Absichtserklärung.

Svensson berichtete von einem Erlebnis, das sie kürzlich in einem Schildkrötenhospital in Kenia hatte. Dort werden Tiere behandelt, die aufgrund der Aufnahme von Plastikmüll interniert sind. Ein Monat vor ihrem Besuch hatte ein Fischer dort eine Schildkröte namens Kai abgeliefert, die er auf der Meeresoberfläche treibend angetroffen hatte. Der erste Befund war eine Überdosis Plastik im Bauch der Schildkröte, die ihn aufblähte und das Auftriebsverhalten beeinträchtigte. Schildkröten nehmen Plastikteile zu sich, weil sie die für Quallen halten - für ihre eigentlichen Beutetiere. Kai bekam Abführmittel, und nach zwei Wochen waren die Fremdkörper ausgeschieden, und Kai durfte wieder ins Wasser - für Svensson ein sehr emotionaler Moment. Die Hälfte der Schildkröten, die mit Plastik vollgestopft eingeliefert werden, überleben es nicht.

Die Eigenschaften, die die Kunststoffe so vielseitig in allen möglichen Anwendungen machen, sorgen gleichzeitig dafür, dass es der Natur nahezu unmöglich ist, sie in einem überschaubaren Zeitrahmen abzubauen.

Die Wissenschaftler, die die oben erwähnte Studie zur Anhäufung von Plastikabfällen auf dem Planeten veröffentlichten, haben gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass der Mensch es versäumt hat, sich vor der massenhaften Einführung dieser Errungenschaften des Fortschritts über mögliche Folgen im Klaren zu werden und Konzepte für einen adäquaten Umgang mit Kunststoffen nach dem Ende des Lebenszyklus' eines Produktes zu entwickeln. Stattdessen ist er nun Teilnehmer eines außer Kontrolle geratenen, weltweit ablaufenden Experiments, bei dem sich Milliarden von Tonnen Plastik über alle terrestrischen und aquatischen Ökosysteme hinweg ausbreiten und anreichern.