Corona-Akten: Tagesspiegel klagt Protokolle frei, berichtet dann aber nicht

Seite 3: Viele Fragen offen

Für Lebensmittelhandel und andere sollte hingegen das Sonntagsverkaufsverbot ausgesetzt werden, wohl um das gleichzeitige Kundenaufkommen zu verringern. Viele Öffnungszeiten wurden während der Pandemie jedoch im Gegenteil verkürzt, manche per Verordnung (etwa Gaststätten), andere von den Betreibern selbst (z.B. Bibliotheken).

Erlassen sollten die Länder auch "Besuchsregelungen für Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeheime und besondere Wohnformen im Sinne des SGB IX sowie ähnliche Einrichtungen, um den Besuch zu beschränken (z.B. Besuch einmal am Tag, für eine Stunde, allerdings nicht von Kindern unter 16 Jahren, nicht von Besuchern mit Atemwegsinfektionen, etc.)". Laut Protokoll waren hier zunächst auch Hospize genannt, diese wurden aber von der Bund-Länder-Konferenz herausgenommen.

Laut Protokoll wurde bereits bei diesem zweiten Treffen über Ausgangssperren geredet. Denn als Kommentar von Bayern ist vermerkt: "Solange keine Ausgangssperre auch keine generelle Bewegungs-/ Flugsperre". Niedersachsen merkte an: "Mit Blick auf Spielplätze etc. Verhältnismäßigkeit prüfen".

Ausgangssperren bereits beim zweiten Treffen thematisiert

Bundeskanzleramtsminister, Helge Braun, fragte die Länder, wer den Katastrophenfall ausrufen wolle. Nur Hessen kündigte an, dies voraussichtlich zu tun. "Mehrere: Ausrufung Katastrophenfall nur ultima ratio - auch Außenwirkung bedenken."

Ferner heißt es im Protokoll, Minister Scholz (damals für Finanzen zuständig) "prüft Absicherung 'kleine Selbständige'".

Wie es zeitlich weitergehen sollte, ist so notiert: "BKin [Bundeskanzlerin]: Do., 16. April: BKin-MP-Konferenz unter Teilnahme RKI: Wo stehen wir?" Tatsächlich folgten Konferenzen am 22. März, 1. April und 15. April 2020.

Viele Fragen offen

Mit vollen zwei Seiten ist dieses erste vorliegende Protokoll zur zweiten Konferenz das umfangreichste in der Sammlung. Doch auch dieses steht inhaltlich in einem deutlichen Kontrast zur Tragweite der Vereinbarungen.

Unklar bleibt, was schon die Linke mit ihrer Kleinen Anfrage in Erfahrung bringen wollte: über welche sonstigen Kanäle Absprachen getroffen wurden, insbesondere zu Entwürfen der dann erfolgten Beschlüsse. Deutlich wird, dass sich auch die Fachminister von Bund und Ländern in eigenen Online-Konferenzen ausgetauscht haben.

Auch bleibt offen, welche Länder welche Positionen im ersten Pandemiejahr vertreten haben, ob es verschiedene Lager gab, oder ob es auch intern so einmütig zuging, wie es die jeweils im Anschluss verlautbarten gemeinsamen Regelungen vorgeben.

Christian Haffner, der mit seinem IFG-Antrag für die Veröffentlichung dieser zehn Kurzprotokolle gesorgt hat, pocht weit auf die Herausgabe der übrigen. Er hat es auch bei den einzelnen Bundesländern probiert, überwiegend ohne Erfolg.

Resonanz in den Massenmedien: weiterhin praktisch null

Sein Interesse an wenigstens nachträglicher Transparenz in der Pandemie-Politik hatte bereits im Sommer 2023 zur Veröffentlichung der Protokolle des Corona-Expertenrats geführt. Dieser hatte von Dezember 2021 bis April 2023 die neue, von Olaf Scholz geführte Bundesregierung beraten und dazu 33 Sitzungen einberufen.

Für die Herausgabe dieser Protokolle hatte Haffner den Klageweg beschritten. Hierüber wurde zwar in einigen Medien berichtet (z.B. Welt, Volltext der Protokolle beim Nordkurier). Doch dass es gerade kein Journalist war, der die Protokolle zutage förderte, verwundert bereits. Wie wenig Interesse dann bei den großen, personal- und finanzstarken Verlagen und Sendern an den Inhalten bestand, verwundert noch mehr.

So blieb es an der - erst während der Pandemie zur Journalistin gewordenen Aya Velázquez, nicht nur eine umfangreiche textliche Dokumentation, sondern auch eine filmische Aufbereitung dieser Protokolle des Corona-Expertenrats anzufertigen. Resonanz in den Massenmedien: praktisch null.

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