Corona-Hilfen im Gesinnungs-Check: Der lange Arm des Verfassungsschutzes

Symbilbild; Mann mit Schlapphut macht sich Notizen

Symbolbild: ki-generiert

Beim "Kultur-Neustart" wurde rechtsesoterisches Buch gefördert. Nun soll das Geld zurückgezahlt werden. Verlag könnte dennoch profitieren. Ein Kommentar.

Wer sich die Veröffentlichungen des Forsite-Verlags auf dessen Internetseite anschaut, wird eine Mischung von rechter Esoterik und krudem Nationalismus vorfinden. Von der Neubewertung des Hakenkreuzes bis zu den bei Germanophilen beliebten Externsteinen ist dort alles vertreten, was sich an völkischem Esoterikkitsch verkaufen lässt. Das Buch "Kulturkampf um das Volk" passt gut in dieses Programm.

Dort heißt es in klassisch rechter Diktion:

Führende Vertreter aus der Politik und den Leitmedien haben zum "Kampf gegen rechts" aufgerufen. Mit ihm werden oft auch jene Einheimischen diskreditiert, die ihre Identitäten Wurzeln in der eigenen Geschichte sehen und deshalb zwischen dem deutschen Volk und dem deutschen Staatsvolk unterscheiden.

Nun sorgt das Buch für mehr Schlagzeilen, als es eigentlich verdient. Denn es ist im Rahmen der Corona-Hilfen mit 2.800 Euro gefördert worden, wie der Tagesspiegel schon vor einigen Wochen berichtet hat. Es war nicht das einzige rechte Buch, das diese Art von Förderung erhalten hatte.

Extremismus-Vorwurf: Gratis-Werbung für Verlag und Buch?

Jetzt fordert der für die Vergabe der Fördermittel im Rahmen der regierungsamtlichen Initiative "Neustart Kultur" verantwortliche Börsenverein des Deutschen Buchhandels das Geld zurück. Der Verlag weigert sich und genießt die öffentliche Aufmerksamkeit. Denn Verlag und Buch waren bisher nicht besonders bekannt. Das hat sich jetzt geändert und dürfte sich auch zu vermehrten Buchbestellungen führen.

Die sind wahrscheinlich für den Verlag wertvoller als der doch eher bescheidende Zuschuss von 2.800 Euro. Denn eine solche Publicity ist natürlich kostenlose Werbung. Dazu gehören auch Texte mit Überschriften wie "Corona-Fördermittel für rechtsextreme Buchprojekte" oder etwas differenzierter "Corona-Fördermittel auch für rechtsextreme Buchprojekte".

Man kann sicher sein, dass rechtslastige Medien schon nach linken Verlagen und Buchprojekten suchen, die ebenfalls von dem Förderprogramm profitierten. Dann werden sich womöglich auch linksliberale Medien beklagen, weil Rückzahlungen eingefordert werden.

Meinungsfreiheit vs. Ruf nach staatlicher Kontrolle

Doch man sollte gar nicht erst mit dieser Art von Gesinnungsprüfung anfangen, die lediglich mehr Staatsautorität zur Folge hat. Das wird ganz deutlich, wenn es in dem Beitrag des Deutschlandfunks heißt: "Laut der Recherche hat der für die Vergabe der Fördermittel zuständige Börsenverein des Deutschen Buchhandels darauf verzichtet, die Buchprojekte der Verlage inhaltlich zu kontrollieren. Eine solche Überprüfung sei in den Förderkriterien der Kulturstaatsministerin auch nicht vorgesehen gewesen."

Es gibt eben auch unter Linken und Liberalen Bürokraten, für die es ein Graus ist, dass es mal eine Förderung gibt, die nicht lückenlos von irgendwelchen staatlichen Instanzen kontrolliert wird, also tatsächlich unbürokratisch war. Sonst wären die Gelder für den "Kultur-Neustart" wahrscheinlich bis heute noch nicht geflossen.

Jetzt wird dem Börsenverein vorgeworfen, dass er sich auf die schriftliche Versicherung der Verlage verlassen hat, keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Bücher zu drucken.

Verfassungsfeindlichkeit als Ausschlusskriterium

Die Kritik müsste eher darin bestehen, dass die Charakterisierung "verfassungsfeindlich" überhaupt in die Förderkriterien aufgenommen wurde. Schließlich handelt es sich nicht um ein Demokratieförderprogramm, sondern um Neustarthilfen für durch die Pandemie-Bestimmungen geschwächte Verlage. Da dürfte doch die Frage der Verfassungsfeindlichkeit die geringste Rolle spielen, solange es um nicht strafbare Inhalte geht.

Nun wird dem Verlag vorgeworfen, er hätte falsche Angaben gemacht, weil er im Förderantrag nicht angegeben habe, dass er verfassungsfeindlich sei. Ein absurder Vorwurf, denn es gibt wohl nur sehr wenige Verlage, die von sich selbst behaupten werden, verfassungsfeindlich zu sein.

Gesinnungs-Checks: McCarthys Geist in deutschen Behörden?

Das hat in vielen Fällen nicht nur taktische Gründe. Auf dem Boden der "Freiheitlich-demokratischen Grundordnung" ist viel Platz für Rechte. Als der McCarthy-Ausschuss in den 1950er-Jahren in den USA Linken vorwarf, sie hätten zu der Frage nach der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA falsche Angaben gemacht, ging es zumindest noch um klare Fakten. Denn die Mitgliedschaft in der KP der USA ist überprüfbar. In eine Partei ist man eingetreten oder eben nicht.

Die Frage nach der Verfassungstreue gleicht aber einer Art Über-McCarthyismus, weil sie nicht an einem Parteibuch festzumachen ist. Das erinnert er an Methoden des Putin-Regimes und seiner Satelliten, die Oppositionelle verpflichten, sich selbst zu "ausländischen Agenten" zu erklären und diejenigen sanktioniert, die das ablehnen.

Auch Linke im Visier des Inlandsgeheimdienstes

Der deutsche Inlandsgeheimdienst stuft sowohl rechte als auch linke Inhalte teilweise als extremistisch und verfassungsfeindlich ein.

Im jüngsten Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde die Klima-Initiative "Ende Gelände" zum linksextremem Verdachtsfall erklärt. Erfreulicherweise gab es daran viel Kritik, beispielsweise vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und in linksliberalen Medien wie der taz. Der RAV warf dem Staatsapparat vor, nur das "Nichtstun gegen die Klimakatastrophe repressiv absichern" zu wollen.

Doch der Vorwurf, hier sei der Verfassungsschutz zu weit gegangen, greift zu kurz. Dieses Handeln liegt in der Logik einer Institution, die längst ein demokratiegefährdender Verdachtsfall ist. Die Konsequenz kann nur lauten: alle Verfassungsschutzämter auflösen. Um rechte Esoterik und nationalistische Verlage zu bekämpfen, braucht es den Verfassungsschutz wahrlich nicht.

Die Kampagne zur Rückzahlung der Corona-Hilfen zumindest war eine unfreiwillige Werbung für Buch und Verlag.