Corona-Management: Definitionssache "Richtiges Herunterfahren"
Gesundheitsminister Spahn setzt auf Kontaktbeschränkungen über Ostern hinaus, Linke-Chefin Wissler spricht von Stilllegung "nicht dringend notwendiger Produktion". Sonst drohe ein "Lockdown-Jo-Jo"
Einen Lockdown, "so wie wir es auch im letzten Jahr an Ostern erlebt haben", hält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine gute Idee, um ein anderes Ergebnis zu erzielen als im letzten Jahr. Jedenfalls beschrieb er so am Samstag in einer im Internet übertragenen Diskussionsrunde, wie er sich das weitere Vorgehen in der Corona-Krise und ein "richtiges Herunterfahren unserer Kontakte und unserer Mobilität" für zehn bis 14 Tage vorstellt. Familie im großen Kreis, das gehe halt dieses Jahr noch nicht, so Spahn. Erst wenn die "dritte Welle" der Pandemie gebrochen werden könne, seien Öffnungsschritte begleitet von Tests möglich.
Tatsächlich galten in der Woche um Ostern 2020 und auch später hauptsächlich für die Freizeit strenge Regeln und Verbote, während große Teile der Arbeitswelt gar nicht von Lockdown-Maßnahmen betroffen waren. Zwangsweise geschlossen waren Restaurants, Bars und Kneipen, Theater und Konzertsäle sowie Betriebe, die "körpernahe Dienstleistungen" anbieten - darunter Friseursalons, Kosmetik-, Nagel- und Tattoo-Studios sowie Massagepraxen.
Befindlichkeiten von Chefs zählten mehr als Gesundheitsschutz
In Produktionsstätten sowie bei Paketdiensten und in deren Verteilzentren wurde ebenso weitergearbeitet wie in Bürobetrieben, deren Chefs nach Gutsherrenart entscheiden durften, ob sie ihren Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice erlaubten. Erst seit Ende Januar 2021 sind sie theoretisch verpflichtet, Homeoffice zu ermöglichen, wo es geht - und müssen "zwingende betriebsbedingte Gründe" nennen, wenn sie Präsenz anordnen.
Von Anfang an drastisch heruntergefahren wurde nur das Erwerbsleben derjenigen, die an Orten arbeiten, wo andere Menschen ihre Freizeit verbringen: Im Kultur- und Eventbereich, in der Clubszene und in der Gastronomie.
Manche der Betroffenen reagierten darauf, indem sie sich ein sofortiges Lockdown-Ende wünschten, andere forderten auf den "Alarmstufe Rot"-Demos mit Masken und Abstand sowohl finanzielle Unterstützung als auch verantwortungsvolle Öffnungsperspektiven ein. Manche unterschrieben sogar den Aufruf der Initiative Zero Covid - nicht obwohl, sondern vermutlich weil sie selbst unter den bisherigen Corona-Maßnahmen leiden und hoffen, dass ein konsequenter, "solidarischer Shutdown" eben auch kürzer wäre und die Pandemie mit all ihren Begleiterscheinungen schneller beenden könnte.
"Mehrwöchige Arbeitspause unausweichlich"
"Der 'halbierte Lockdown', der das Privatleben größtenteils verbietet und gleichzeitig das Wirtschaftsleben so weit wie möglich schont, ist in einer Sackgasse", befand die Initiative vor einer Woche in einem Positionspapier. Fazit: "Eine mehrwöchige Arbeitspause in der Wirtschaft, die den R-Wert massiv senkt und der dritten Welle damit einen Schlag verpasst, ist jetzt unausweichlich."
Ähnlich argumentierte am Wochenende Janine Wissler, Kovorsitzende der Partei Die Linke, in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk: "Corona-Infektionen enden nicht am Betriebstor." Sie verstehe natürlich, "dass die Leute auch nicht mehr können nach jetzt viereinhalb Monaten Lockdown", so Wissler. Das Problem sei nur: "Wenn man das nicht richtig macht, dann gerät man halt wirklich in so einen Dauer-Lockdown, in so ein Lockdown-Jo-Jo". Deshalb müsse auch über die Stilllegung "nicht dringend notwendiger Produktion" gesprochen werden, um die Infektionsketten zu unterbrechen, falls die Zahlen nicht bald sinken würden. Maßnahmen zur sozialen Absicherung seien dann natürlich auch zu treffen.
Am Sonntag kritisierte auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, das Corona-Management der Bundesregierung - beziehungsweise seines Koalitionspartners CDU. Mit Blick auf Spahn sagte Schneider der Rheinischen Post, vom Gesundheitsminister erwarte er "keine Spekulationen über einen neuen Lockdown, sondern konkrete Vorschläge". Die letzte Ministerpräsidentenkonferenz sei vom Kanzleramt schlecht vorbereitet gewesen. Bei den Maßnahmen würden zu viele Kompromisse gemacht, daher fehle jetzt eine Testpflicht für die Wirtschaft und eine Beschränkung für Präsenzgottesdienste zu Ostern. In beiden Fällen sei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der jeweiligen Lobby "umgefallen", so Schneider.
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