Corona-Maßnahmen: Was bringen Masken in der Schule?
Seite 2: Nicht nur Virologie entscheidet – Pädagogik ist gefragt
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Der Mund-Nasen-Schutz in der Schule ist ein besonderes Kapitel. Die Frage, ob Masken in der Schule getragen werden sollen, lässt sich nicht allein durch virologische oder epidemiologische Befunde beantworten.
Die Pandemie stellt Schulleitung, Lehrkörper und Schüler vor besondere Herausforderungen. Schulleitung, Lehrkräfte sehen sich ungewohnten Verwaltungs- und Organisationsfragen gegenüber, die zusätzlich zu bisherigen Aufgaben kommen und sie vor neue pädagogische Anforderungen stellen. Ich erinnere an Schulschließungen, Homeschooling, Wechselunterricht u.a., gehe jetzt aber nur auf die Maskenpflicht ein.
Erwachsene können sich im privaten Leben dem Maskentragen entziehen, auch wenn es staatlich geboten ist - und eventuelle Sanktionen und Folgen hinnehmen oder sich dagegen auflehnen. Kinder haben nicht dieselbe Verantwortungs- und Entscheidungsfähigkeit oder -möglichkeit wie Erwachsene.
Sie haben zwar Rechte, wozu je nach Alter ein Mitspracherecht gehört, aber in vieler Hinsicht sind sie auf Erwachsenen angewiesen und von ihnen abhängig. In der Pflichtveranstaltung Schule wird verlangt, dass sie sich der Schulordnung, der Autorität der Lehrer:innen unterordnen und sich in den Klassenverband eingliedern. Sich einer Maskenpflicht zu entziehen, ist kaum möglich und nur in Ausnahmefällen gestattet.
Auch Lehrer:innen können die Maskentragepflicht selbst nicht verweigern und müssen sie bei ihren Schüler:innen umsetzen. Tun sie das nicht, folgen Maßregelungen durch die Schulleitung, Anfeindungen im Kollegium und evtl. ein Disziplinarverfahren. Auch Eltern können ihre Kinder nicht von der Maskentragepflicht entbinden (außer in begründeten Ausnahmen).
Schule ist kein "Privatraum", sondern eine öffentliche Einrichtung und an vorgegebene gesellschaftlich-politische Vorgaben gebunden ist. Lehrkräfte sind also gehalten, das Maskentragen in ihren Klassen und Gruppen auf pädagogische Weise umsetzen.
Es ist klar, dass dies bei den einzelnen Schüler:innen unterschiedlich gelingt und unterschiedlich empfunden wird. Eine weitere Herausforderung ist, dass manche Kinder über Folgen klagen, Beklemmungen, Atembeschwerden, Kopfschmerzen u.a., die sie oder ihre Eltern das auf das Maskentragen zurückführen.
Dann sehen sich Lehrkräfte mit den Beschwerden und Forderungen von Eltern konfrontiert. Auch damit müssen Lehrer:innen umgehen und Lösungen finden. Wenig gesehen wird, dass Lehrer:innen beim Maskentragen mit ihren Schüler:innen "in einem Boot sitzen".
Eine Mund-Nasen-Bedeckung ist auch für sie beschwerlich. Sie behindert Sprechen und Kommunikation, andere Nebenwirkungen können auch bei ihnen ausgelöst werden.
Dass dies alles nicht einfach ist, kann man nachempfinden. So muss es nicht verwundern, wenn ich von Lehrer:innen höre, dass sie sich manchmal in diesen Zeiten überfordert fühlen. Sie beklagen sich über die ständig wechselnden Verordnungen und vermissen klare Konzepte von den Schulbehörden und Ministerien.
Meistens sind sie um die Sicherheit ihrer Schüler:innen und auch die eigene Sicherheit besorgt. Nicht wenige haben Covid-19-Ausbrüche in ihren Schulen oder Klassen erlebt - teilweise mit ernsten Folgen für erkrankte Kinder - oder mitbekommen, dass Kollegen:innen erkrankt und einzelne dem Virus zum Opfer gefallen sind.
Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, sehen überwiegend mit Verunsicherung oder Sorge den in Gang gesetzten Lockerungen entgegen.
Es stellen sich also Fragen, die entsprechend dem komplexen Geschehen und der nicht immer eindeutigen Erkenntnislage differenziert beantwortet werden sollen.
Eine umstrittene Stellungnahme
Der Psychologie-Professor Christof Kuhbandner hat in Telepolis (13.11.2020) Befunde und Argumente ausführlich dargestellt, die gegen eine "Maskenpflicht in der Grundschule" sprechen. Er vertritt die Auffassung, "dass es keine wirklich belastbare empirische Evidenz dafür gibt, dass mittels Masken die Virusausbreitung merkbar eingedämmt werden könnte.
Vielmehr ist bei einer falschen Handhabung davon auszugehen, dass eher das Gegenteil der Fall ist." Gerade bei Grundschülern sieht er die Gefahr, "dass die Virusübertragung durch das Tragen von Masken sogar eher gefördert wird."
In erster Linie führt er aber bei Schulkindern zu beobachtende physische, psychische und psychosoziale Symptome und Konsequenzen an, die er auf das lange Maskentragen und den Zwang dazu zurückführt: Kopfschmerzen, Panik, Bewusstseinsstörungen durch Sauerstoffmangel und CO2-Überschuss im Blut, Belastung durch auf der Maske angesammelte Viren, Bakterien und Pilze, Munderkrankungen, Vergiftung durch Einatmung von Mikropartikeln, Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation, des emotionalen Erlebens, der Empathie, soziale Abweisung und Diskriminierung, Auslösung von entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten, Verletzung von sozialen Grundbedürfnissen.
Ich möchte hier gleich eine Anmerkung zur Methode Kuhbandners machen. Ohne Zweifel lassen sich die geschilderten Symptome bei einzelnen Kindern beobachten.
Es lässt sich aber kein stringentes Ursache-Verhältnis zum Maskentragen nachweisen. Beispielshalber Kopfschmerzen: Ich habe in meiner Zeit als Lehrer – lange Zeit vor Corona – bemerkt, dass Kinder und Jugendliche häufig über Kopfschmerzen klagen.
Das scheint keine seltene Erscheinung in diesen Altersstufen zu sein und kann die verschiedensten Ursachen haben. Ich nehme an, dass Stress in der Schule (Leistungsan- und -überforderungen, Schwierigkeiten mit Lehrern, Mitschülern) eine der häufigsten Ursachen sind.
Oft hängt dies auch mit Druck und Schwierigkeiten im Elternhaus zusammen. Dass die Corona-Situation das verstärken kann, will ich nicht bestreiten, aber es lässt sich nicht alles auf diese Umstände zurückführen. Meine Vermutung ist, dass die Corona-Situation allgemein, nicht einzelne Maßnahmen, Kinder anfällig für manche Leiden macht (siehe These 19 im zweiten Teil des Artikels).
Das Zweite, was ich moniere, ist die Generalisierungstendenz, die bei Kuhbandner in Erscheinung tritt. Man bekommt bei ihm den Eindruck, dass die Symptome nahezu unausweichlich und massenhaft auftreten. Das ist aber nicht der Fall.
Aus meinen Kontakten mit Lehrer:innen weiß ich, dass es Klassen gibt, auch in Grundschulen, für die das Maskentragen anscheinend unproblematisch ist (100-prozentig wird es aber nie klappen, gerade in Grundschulen).
Das hängt sicher mit der Kreativität und Geschicklichkeit zusammen, mit der Lehrpersonen mit den Herausforderungen umgehen, nicht zuletzt auch damit, ob Kollegien und Eltern am gleichen Strang ziehen. Das ist nicht immer so und dann sind Schwierigkeiten absehbar.
Meines Wissens gibt es noch keine breite randomisiert-kontrollierte Studie, die die Nebenwirkungen des Maskentragens in Schulen "belastbar" nachweist. (Randomisiert bedeutet die klinische Untersuchung von mindestens zwei zufällig ausgewählten Gruppen, wobei eine als "Kontrollgruppe" fungiert - ohne das zu prüfende "Medikament" erhalten zu haben.
"Belastbar" sind die Ergebnisse erst bei einer genügend großen Zahl von Untersuchten.) Die von Kuhbandner genannten Symptome sind ernst zu nehmen, beruhen aber auf einzelnen subjektiven Beobachtungen und Aussagen, die wissenschaftlich geringe Evidenz haben und nicht als Grundlage von begründeten schulpolitischen Entscheidungen oder Konzepten ausreichen.
Kuhbanner sieht in den möglichen Belastungen der Kinder durch Maskentragen und Abstandswahrung eine Missachtung des "Kindeswohls" und des Rechtes auf Gesundheit und Wohlbefinden.
Für ihn überwiegt der durch die Maßnahmen angerichtete Schaden den Nutzen. Diesen zieht er in Zweifel. Maskentragen in Grundschulen sei schon "deswegen nicht zu rechtfertigen, weil es an Grundschulen kaum Infektionen gibt, die eingedämmt werden müssten." Für ihn ist "die empirische Evidenz, dass es an Grundschulen kaum ein Infektionsgeschehen gibt, erdrückend".
Kinder steckten sich nur selten an, Infizierte wiesen selten Symptome auf und seien "keine Treiber der Virusausbreitung". Schulen würden "generell äußerst selten als Ansteckungsherd identifiziert werden." Das sind übrigens "Narrative", die die Kultusminister gerne nach den Schließungen zur Begründung der Wiederöffnungen aufgenommen haben. Schulen seien "sicher", hieß es dann.
Kuhbandners Fazit ist: "Angesichts der beschriebenen Sachverhalte ist die Bewertung der Verhältnismäßigkeit einer Maskenpflicht im Unterricht in der Grundschule (…) als absolut unverhältnismäßig einzuschätzen."
Kuhbanders Befunde und Argumente werden – trotz mancher Widerlegungen und (unangebrachter) Diskriminierungen – nach wie vor von Gegnern des Maskentragens in der Schule – zumindest der Sache nach – angeführt.
Beispielshalber bezweifelt die Autorengruppe um Matthias Schrappe in ihrem Thesenpapier 8.0 den Nutzen "Corona-spezifischer Maßnahmen" (u.a. Maskenpflicht) "angesichts der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche nur mild erkranken". So sollte geprüft werden, ob diese Feststellungen und Folgerungen Bestand haben.