Corona-Maßnahmen: Was bringen Masken in der Schule?
- Corona-Maßnahmen: Was bringen Masken in der Schule?
- Nicht nur Virologie entscheidet – Pädagogik ist gefragt
- Veränderte Situation - neue Forschungsbeiträge zum Maskengebrauch
- Auf einer Seite lesen
Eine pädagogische Stellungnahme auf Grund von neuen Forschungsbeiträgen (Teil 1)
Diskussionen um Lockerungen
Die Wogen gehen wieder einmal hoch, das Land ist – wie in so vielen Fragen – gespalten. Wie schon gewohnt, in den Ländern herrscht Regelungswirrwarr. In Bayern muss im Unterricht in allen Klassenstufen keine Maske mehr getragen werden (dies bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von derzeit 90, einem R-Wert von 1,06), ebenso im Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In Baden-Württemberg soll die Maskenpflicht am 18. Oktober entfallen, in NRW ab 2. November. Meist muss aber im Schulgebäude Maske getragen werden.
Einige Länder haben die Maskenpflicht in Grundschulen oder in den Anfangsklassen aufgehoben wie Niedersachsen und Berlin. Andere – etwa Rheinland-Pfalz – steuern die Maskenpflicht über eine mehrstufige "Warnampel", die auf "Leitindikatoren" beruht.
Die Frage "Maskenpflicht abschaffen oder beibehalten?" ist in der Praxis schon überholt. "Wir sind in einem Korridor der Lockerungsschritte", sagte die SPD- Bildungsministerin von Brandenburg und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst, die sich aber im Blick auf das Robert-Koch-Institut (RKI) vorsichtig äußerte:
Die Entscheidung ist nicht, jetzt von einem Tag auf den anderen alle Schutzkonzepte fallenzulassen … Aber wir sind in der gleichen Bewegung.
Der Leiter des RKI, Lothar Wieler, hatte empfohlen, an den Masken festzuhalten. Es zeichnen sich auch schon gegenläufige Tendenzen ab. So führt Hessen nach den Herbstferien die Maskenpflicht wieder ein.
Mit der Lockerungs- oder Aufhebungstendenz befinden sich die Bildungsminister der Länder in Übereinstimmung mit den meisten Eltern. Einer Umfrage nach meinen 71 Prozent der Eltern schulpflichtiger Kinder, dass die Maskenpflicht in Schulen abgeschafft werden sollte. Es gibt dementsprechende Petitionen, aber auch Gegenpetitionen.
Zwei Verbandsvorsitzende der Kinderärzte- und Ärzte plädieren gegen eine "generelle Fortsetzung" der Maßnahme, die "unangemessen" sei (Beide Ärzte sind als Schutz-Maßnahmen-Kritiker bekannt). Andere Kinderärztevertreter wie Jörg Dötsch sehen "jetzt den falschen Zeitpunkt für Lockerungen".
Begründet werden die Lockerungen oder Aufhebungen von den Bildungsministerien der Länder mit gesunkenen Inzidenzen sowie den physischen und psychosozialen Belastungen, denen Kinder durch das Maskentragen ausgesetzt seien.
Es sei nun Zeit, sie zu entlasten. Der Berliner Bildungssenat begründet die Aufhebung der Maskenpflicht in den Grundschulen mit der Anzahl der eingegangenen Beschwerde-Mails (!). Virologen warnen vor einer zu frühen Aufhebung der Maskenpflicht - Melanie Brinkmann findet sie "ziemlich dumm."
Sie weisen auf ein zu erwartendes weiteres Ansteigen der Infektionszahlen in den Wintermonaten hin, auch bei ungeimpften Kindern, auf die hohe Ansteckungsgefahr durch Virusvarianten, die Beobachtung, dass auch Kinder schwer erkranken können und evtl. "Long Covid"-Folgen erleiden.
Schon jetzt wiesen Kinder und Jugendliche die höchsten Inzidenzen unter allen Altersgruppen auf. Sie argumentieren mit neueren Studien, die belegen, dass Schulen mit Maskenpflicht wesentlich geringere Ansteckungsraten hätten als solche ohne diese Maßnahme.
Auch die Betroffenen in der Schule melden sich zu Wort. Lehrerverbände (Deutscher Lehrerverband, GEW u.a.) und Schülervertretungen (Bundesschülervertretung) schließen sich diesen Warnungen an und raten zu Vorsicht bei den Lockerungen. Man sei in den Schulen noch weit entfernt von der Rückkehr zum "Normalzustand" – auch durch mangelnde Vorkehrungen der Kultusministerien, wie z. B. das Fehlen von Luftfiltern – und dürfe deshalb ein Minimum von bisherigen Sicherheitsmaßnahmen, u.a. das Maskentragen, nicht aufgeben.
Ein sicheres Umfeld für Schüler und Lehrer müsse Priorität vor unsicheren Perspektiven haben.
Wenig differenzierte Stellungnahmen
Ja, was denn nun? Wer hat recht? Wem kann man vertrauen, wem soll man folgen? Mich interessiert die Frage nicht nur, weil ich lange Lehrer und Lehrer:innen-Fortbildner war und mir damit Herausforderungen, die sich Schulen und Lehrkräften immer wieder gestellt haben, bekannt sind. Ich bin auch als Großvater schulpflichtiger Enkel betroffen, wobei sich die Frage der Gefährdung und des Umgangs mit ihnen stellt.
Was ich wahrnehme, ist, dass sich in der Frage "Maskenpflicht in den Schulen aufheben oder nicht?" bisherige Positionen fortsetzen: Corona-Verharmloser, Schutzmaßnahmen-Gegner, Maskengegner versus Maßnahmen-Befürworter, Maskenbefürworter. Die Fronten sind verhärtet, Bewegung ist kaum in Sicht.
Die "Corona-Maßnahmen-Müdigkeit" lässt die Zahl der Masken-Ablehner anwachsen, auch wenn diese vielleicht nicht grundsätzlich gegen Schutzmaßnahmen sind. Aufseiten der Maskenbefürworter wird das Maskentragen oft überschätzt und nicht gesehen, dass sie nur unterschiedlichen und begrenzten Schutz bieten, im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen.
Der Mund-Nasen-Schutz ist zu einem "Schibboleth" (Bibel: Richter 12,5-6) für ein generelles Dafür oder Dagegen geworden. Ich vermisse eine differenzierte Bewertung in der populären Diskussion, aber auch in den Stellungnahmen von Politikern und - im Falle der Schulen - von zuständigen Ministerien. Eine erfreulich differenzierte Stellungnahme finde ich bei dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster.