Corona-Welle über Deutschlands Schulen

An den Schulen soll die Pandemie nun besiegt werden. Bild: Pixabay

Worum es bei der Debatte über Impfungen von Kindern und Jugendlichen geht, was in Afghanistan beachtet werden muss und was sie bei Telepolis diese Woche erwartet. Der Telepolis-Wochenrückblick mit Ausblick

Liebe Leserinnen und Leser,

während die Medien – und so auch Telepolis – auf die dramatischen Bilder vom internationalen Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul schauen, breitet sich hierzulande das Coronavirus Sars-CoV-2 in der inzwischen vierten Infektionswelle wieder aus.

Im Fokus der Verantwortlichen von Bund und Ländern, die es fast zwei Jahre nach Ausbruch dieser globalen Pandemie noch immer nicht geschafft haben, sich auf einheitliche und nachhaltige Lösungswege zu einigen, sind nun die Schulen gerückt, und damit die Schülerinnen und Schüler.

Unverhohlen sind zudem in den vergangenen Wochen von politischer Seite die Mitglieder der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut unter Druck gesetzt worden. Ziel war es, dass das Gremium eine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausspricht. Vor wenigen Tagen ist das nun geschehen.

Ob die Stiko, so das Kürzel des Gremiums, unter dem massiven politischen Druck eingeknickt ist, wie unser Autor Klaus-Dieter Kolenda schrieb, bleibt Gegenstand von Debatten.

Äußerst kontrovers ist und bleibt die offenbar gut vorbereitete Ausweitung der Impfkampagne auf Schulen. Auch wenn das in der nach wie vor polarisierten Corona-Diskussion oft verkannt wird: In der Ärzteschaft gibt es nicht wenige seriöse Stimmen, die Impfungen von Kindern und Jugendlichen hinterfragen, weil der individuelle Schutz dem Fremdschutz nachsteht.

Anders ausgedrückt: Sollen Kinder und Jugendliche geimpft werden, um die durch eine unzureichende Impfkampagne mangelhafte Immunisierung der volljährigen Bevölkerungsgruppe zu kompensieren?

Mobile Impfteams werden jetzt in mehreren Bundesländern für eine rasche Durchimpfung der Schülerschaft sorgen. Zwar noch nicht im Unterricht, wie nun in Israel, aber in Schulnähe. Fachverbände warnen vor Mobbing, Ärzte sehen eine informierte Entscheidung gefährdet.

"Die Politik" schert das nicht: Den Verantwortlichen verweigern Jugendlichen zwar seit Jahren, bei Wahlen über Posten, Pfründe und die Zukunft des Landes mitzuentscheiden. Einen komplexen Entscheid über eine Impfung sollen 14-Jährige an Schulen aber nun selbst treffen können.

Offene Fragen zu Afghanistan

Wie auch die Corona-Politik bleibt mit Blick auf Afghanistan die Haltung zum epochalen Scheitern des Westens mit seinem Regime Change und Nation Building von Widersprüchen gekennzeichnet.

Fabian Scheidler wies bei Telepolis unlängst darauf hin, dass diejenigen, die vor dem Afghanistaneinsatz gewarnt hatten, von Beginn an als naive Pazifisten lächerlich gemacht oder gar beschuldigt worden sind, sich der humanitären Verantwortung zu entziehen und damit den Islamisten in die Hände zu spielen. Scheidler weiter:

Doch heute ist es endgültig offensichtlich: Die angeblich humanitäre Operation hat das Land nur weiter ins Elend gestürzt und die Islamisten gestärkt. Wie auch im Irak, wie auch in Libyen, wie auch in Mali.

Es ist an der Zeit, die Interventionsdoktrin, die seit 2001 unter dem wohlklingenden Titel "Responsablility to Protect" vermarktet wurde, endgültig zu beerdigen und als das zu brandmarken, was sie von Anfang an war: ein neokoloniales Projekt.

Das Versagen westlicher Politik in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist auch ein Versagen der Medien, die zu wenig hinterfragt und damit korrigiert haben. Das soll kein wohlfeiles und pauschales Urteil sein: Natürlich gab es viele Kolleginnen und Kollegen, die auf die Grundprobleme des westlichen Interventionismus am Hindukusch hingewiesen haben.

Allein, sie blieben einsame Rufer in der Wüste. Ein politisches Umdenken konnte die "vierte Gewalt" nie erreichen.

Auch in diesen Tagen bleibt zu wenig hinterfragt. Weshalb sich führende deutsche Diplomaten etwa öffentlich (mal wieder) über die Menschenrechte in Afghanistan besorgt zeigen, hinter den Kulissen aber den Mauerbau gegen afghanische Flüchtlinge an der Grenze zwischen der Türkei und Iran forcieren.

Oder weshalb der Bundestag Mitte dieser Woche einem Bundeswehreinsatz in Afghanistan nachträglich ein robustes Mandat erteilen soll, obgleich eine militärische Auseinandersetzung mit den Taliban zweifelsohne im Handumdrehen in einem weiteren Desaster enden würde.

Telepolis blickt auf den deutsch-türkischen Mauerbau

Eine erste Recherche zu den EU-Positionen zu Afghanistan und der deutschen Unterstützung des Mauerbaus zwischen der Türkei und Iran erschien am Samstag bei Telepolisin Kooperation mit der Berliner Zeitung am Wochenende.

Wir werden an diesem Thema dranbleiben und in den kommenden Tagen auch einige Fragen zum neuen Not-Mandat für Afghanistan stellen, die zu oft übersehen werden.

Wenn Sie mit der Bahn unterwegs sind, werden Sie womöglich viel Zeit zum Lesen haben. Der Konflikt zwischen der Eisenbahnergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn (sowie der Bundesregierung) hat uns in der vergangenen Woche befasst und wird auch weiter eine Rolle spielen.

In dieser Woche geht es bei Telepolis zudem um die Hintergründe des alten, neuen und kommenden Afghanistan-Konfliktes. In einer vierteiligen Serie wird sich die Ethnologin und Konfliktforscherin Nadja Maurer mit den Taliban und unserem Blick auf das zentralasiatische Land befassen.

Die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer erinnert an die Geschichte des Taliban-Kontrahenten Ahmed Schah Massud, dem "Löwen des Pandschschir", der zwei Tage vor dem 11. September 2001 ermordet wurde – und die Rolle Saudi-Arabiens dabei.

Telepolis-Autor Teseo La Marca spricht mit der österreichischen Biologin und Klimaaktivistin Katharina Rogenhofer über die Grenzen der Konsumentenverantwortung. Dabei geht es auch um die Frage, warum eine klimaneutrale Welt nur teilweise mit Verzicht, vor allem aber mit einer höheren Lebensqualität verbunden ist.

Ein wichtiger Aspekt, wie uns scheint, weil in Deutschland die Klimadebatte von konservativer und rechter Seite oft ausschließlich als Verbotsdebatte inszeniert wird – worauf unlängst anhand der Schmähplakate gegen die Grünen auch Telepolis-Autorin Jutta Blume eingegangen ist.

Telepolis wird damit in dieser Woche eine große Bandbreite relevanter Themen angehen. Wir freuen uns über Ihr Interesse.

Bis dahin, bleiben Sie uns gewogen, Ihr

Harald Neuber