Covid-19-Impfstoffe: Spike auf Abwegen

Seite 4: Goldgräberstimmung ist stets von kurzer Dauer

Da so viel Geld im Spiel ist, kann es nur vernünftig sein, auch völlig andere Motive jenseits von Wissenschaft und hippokratischem Eid zumindest als relevante Aspekte in Erwägung zu ziehen: Firmen wie Biontech müssen für ihre Präparate Herstellungslizenzen bei mehreren Patenthaltern erwerben, insoweit es sich nicht um eigene Patente handelt.

Eines der wichtigsten Patente für die mRNA-Technologie ist das Karikó-Weissman-Patent für den Austausch des Nukleosids Uridin durch Pseudo-Uridin, wodurch eine akzeptable Verträglichkeit effektiver mRNA-Impfungen überhaupt erst in Reichweite gelangt – CureVac scheiterte mit dem Versuch, ohne dieses Patent einen tauglichen Impfstoff zu kreieren.

Die University of Pennsylvania ("UPenn" ) – eine weltweit führende private Forschungsuniversität – hat nie nennenswertes Interesse an der Arbeit ihrer Mitarbeiterin Katalin Karikó bekundet. Sie verlor im Laufe der Zeit die Geduld mit der fragilen mRNA und entzog Karikó den Fakultäts-Posten.

Als diese Entscheidung 2013 endgültigen Charakter angenommen hatte, ließ die maßgebliche Pionierin der kapriziösen Technologie ihre Tätigkeit an der Universität weitgehend ruhen, um den Posten der Vizepräsidentin von Biontech anzutreten – einer damals wenig bekannten Firma ohne eigene Website, an die sie und Weissman zuvor ihre Technologie lizensiert hatten – und verdient auf diesem Wege heute sicher wesentlich mehr, als das bloße Patent (wenn überhaupt) ihr einbringt.

Denn die Patenteinnahmen fließen über die Firmen mRNA Ribo Therapeutics (geistiges Eigentum) und Cellscript (exklusive Vergabe von Sublizenzen zur Nutzung in Produkten) ganz überwiegend der UPenn zu, welche wiederum Karikós Forschungsarbeit über Jahrzehnte finanziert hatte, wenngleich nicht besonders großzügig. Aufgrund der umfassenden staatlichen Finanzierung der mRNA-Impfstoffforschung im Kontext von Covid-19, müssen diese Einnahmen in Grundlagenforschung reinvestiert werden.

Die UPenn hatte sich für den Verkauf der Sublizensierungsrechte an Cellscript entschieden, nachdem zuvor keine wie auch immer geartete Einigung mit der 2006 ebenfalls zu Lizensierungszwecken gemeinsam von Karikó und Weissman gegründeten Firma RNARx erzielt worden war. Dieses Patent jedoch hat mittlerweile keine fünf Jahre Restlaufzeit – von da an kann praktisch jeder mit den entsprechenden technischen Voraussetzungen für die Entwicklung von mRNA-Präparaten kostenlos darauf zurückgreifen.

Es sollte sich unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung also lohnen, bis dahin von Exklusiv-Rechten maximal Gebrauch zu machen – ganz besonders für die dahinterstehenden großen Konzerne. Zugleich setzen die Kosten für die Lizenzrechte die Lizenznehmer unter Zugzwang, in dem schmalen Zeitfenster der Exklusivität entsprechende Gewinne einzufahren.

Die allermeisten übrigen maßgeblichen Patente wurden 1989 und 1990 angemeldet und hatten eine Lebensdauer von nur 17 Jahren. Ist der Patentschutz einmal abgelaufen, bleiben nur noch die bloß als Geschäftsgeheimnisse geltenden Technologien, die auf Grundlage der Patente entwickelt wurden.

Die U.S. National Institutes of Health (NIH) wiederum halten die Patente für die Formel des Spike-Proteins, für das die mRNA kodiert – haben diese jedoch weitreichend zur Anwendung freigegeben. Und auf dem Sektor der speziellen Lipid-Nanotechnologie zeichnen sich bereits Schwierigkeiten ab, Patentrechte geltend zu machen.

In Zukunft wie gehabt

Auch die gegenwärtigen Patent-Streitigkeiten zwischen Biontech und Moderna sind weit weniger bedeutsam, als man anzunehmen geneigt ist. In seinem Beitrag für das Nature-Magazin legt Patentanwalt Ulrich Storz dar, wie die verschiedenen Impfstoff-Entwickler praktisch zeitgleich Verfahrenstechniken für einzelne Herstellungsschritte patentierten, die zu dem Zeitpunkt lediglich "erdacht", also nicht praktisch realisiert waren, weshalb sie zu einem gewissen Grad zunächst eher vorläufigen Charakter besaßen.

Bei vielen dieser deklarierten Innovationen ist ihm zufolge zudem strittig, inwieweit sie tatsächlich Patent-würdige Neuerungen darstellen (eine bereits von den althergebrachten Impfstofftypen bekannte Problematik). Zu allem Überfluss sieht er wenig Chancen, etwaige Bestand habende Patente auf Varianten-spezifische Impfstoffe auszudehnen.