Creative-Commons-Miterfinder will bei Vorwahlen der Demokraten antreten
Harvard-Juraprofessor Lawrence Lessig propagiert ein Ende des Einflusses von Großspendern auf Politiker
Letzte Woche gab der an der Harvard-Universität lehrende Juraprofessor Lawrence Lessig bekannt, dass er sich an den Vorwahlen der Demokratischen Partei beteiligen wird, wen bis zum Montag 7. September mindestens eine Million Dollar Crowdfunding-Startkapital für ihn zusammengekommen sind. Bislang gingen gut 233.000 Dollar ein, die von knapp 2.700 Bürgern kamen. Kommt die Million bis zum Labour Day nicht zusammen, soll den Spendern das Geld zurückgegeben werden.
Lessig ist weit über die Rechtswissenschaft hinaus bekannt: Er ist einer der bekanntesten Kritiker der Immaterialgüterrechtsverschärfungen und -verlängerungen während der Clinton-Ära und zog gegen den Mickey-Mouse-Copyright-Act vor den Supreme Court (der seine Klage allerdings abwies. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprechen übersetzt und fanden weit über die Rechtswissenschaft hinaus Beachtung. Sein größter Erfolg war allerdings seine maßgebliche Beteiligung an der Erfindung der Creative-Commons-Lizenzen.
In den letzten Jahren beschäftigte sich Lessig nicht nur mit dem Immaterialgüterrecht, sondern zunehmend auch mit der Ursache dafür, dass der US-Kongress dazu und zu anderen Bereichen Vorschriften erließ und verteidigte, die vor allem Partikularinteressen nutzen. Deshalb plädierte er für eine Zusammenarbeit der Occupy-Bewegung und der Tea Party, um das politische System der USA so zu reformieren, dass große Unternehmen weniger und wählende Bürger mehr Einfluss haben.
Seine Kernforderungen dazu will er auch in den Mittelpunkt einer Teilnahme bei den Präsidentschaftsvorwahlen der Demokratischen Partei stellen: Sie beinhalten ein neues Wahlkampffinanzierungssystem mit 50-Dollar-Gutscheinen, die vom Finanzamt rückerstattet werden. Diese 50 Dollar soll jeder Bürger dem Kandidaten zukommen lassen, den er für den geeignetsten und vertrauenswürdigsten hält. An der Ausschüttung dürfen aber nur solche Politiker teilhaben, die eine Beschränkung der Einzelspenden auf 100 Dollar akzeptieren. Das soll den Einfluss großer Unternehmen auf Politiker deutlich einschränken.
Außerdem fordert Lessig eine Wahlrechtsreform, die die Wahlteilnahme erleichtert und Stimmen gleicher gewichtet, indem sie das Zuschneiden von Wahlkreisen mit sicheren Mehrheiten erschwert. Diese Reformvorhaben sollen in einem Citizen Equality Act of 2017 zusammengefasst und via Volksabstimmung verabschiedet werden. Danach will er zurücktreten und das Amt seinem Vizepräsidenten überlassen.
Dass Lessig bei den Demokraten antritt ist keine Selbstverständlichkeit: Früher war er bei den Republikanern aktiv - und auch danach legte er immer wieder dar, dass Politiker der Demokratischen Partei, die traditionelle enge Verbindungen zur Unterhaltungsindustrie pflegt, in höherem Ausmaß für Immaterialgüterrechtsverschärfungen verantwortlich waren als Republikaner.
Allerdings ist die Ausgangssituation bei den Demokraten gerade weitaus günstiger als bei den Republikanern: Während sich in der GOP 17 Bewerber um die Kandidatur streiten und dabei ein breites Spektrum vom libertär beeinflussten NSA-Kritiker Rand Paul über den Russlandfreund und Freihandelskritiker Donald Trump bis hin zum Evangelikalen Mike Huckabee abdecken, sind bei den Demokraten bislang noch keine Kandidaten in Sicht, die Hillary Clinton als ernsthafte Konkurrenten fürchten muss.
Lincoln Chafee, der ehemalige Gouverneur von Rhode Island, Ex-Marineminister Jim Webb und Martin O'Malley, der früher Bürgermeister der The-Wire-Stadt Baltimore war, gelten als wenig charismatisch und liegen in Umfragen bei Werten zwischen weniger als einem und vier Prozent. Der unabhängige Senator Bernie Sanders liegt mit Umfrageergebnissen zwischen 15 und 33 Prozent zwar deutlich vor seinen Konkurrenten, aber immer noch weit hinter Clinton. Außerdem muss er sich mit Social Justice Warriors auseinandersetzen, die seine Veranstaltungen stören und ihn am Reden hindern. Beim Wähler hinterlässt das die offene Frage, wie er sich als Präsident gegen die Finanzindustrie und andere mächtige Interessensgruppen durchsetzen will.
Die Demokraten-Politikerin, die bei Vorwahlen mutmaßlich die besten Chancen gegen Hillary Clinton gehabt hätte, hat bereits öffentlich erklärt, 2016 nicht anzutreten. Lessig appelliert an ihre Anhängerschaft, wenn er sie als Vizepräsidentin ins Spiel bringt, die nach seinem Rücktritt die Amtsgeschäfte übernehmen könnte. Auch Sanders und Hillary Clinton schließt er als Vizepräsidenten und Nachfolger nicht aus. Mit Sanders, mit dem Lessig bereits in der Vergangenheit zusammenarbeitete, dürfte es dabei deutlich weniger Reibungsfläche geben als mit Clinton, die die Politik ihres Ehemannes in den 1990ern mittrug und deren Äußerungen für eine Haltung in Sachen "geistiger Eigentumsrechte" sprechen, die derjenigen von Lessig diametral entgegensteht.
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