Das Anziehen der Schraube gegen Baschar al-Assad

Die USA und die "Freunde Syriens" erkennen die oppositionelle Nationale Koalition als legitimen Repräsentanten der syrischen Bevölkerung an

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Der Winter wird bitter. Aleppo erlebt die "schlimmsten Tage seit einem Jahrhundert", berichten der arabischen Zeitung Al-Akhbar. Stundenlange Stromausfälle, Brot und Diesel werden knapp, sind nur zu kaum erschwinglichen Preisen (beim Brot das Zwanzigfache des offiziellen Preisen) zu haben. Gas zum Kochen kostet das Zehnfache. Die Geschäftemacherei mit den lebenswichtigen Gütern geht auf Kosten der Bevölkerung. Aus der Hauptstadt Damaskus werden ähnliche Zustände geschildert; lange Schlangen vor Bäckereien. Tausende sollen laut Bericht von den frühen Morgenstunden bis in die Nacht hinein vor den Geschäften warten.

Der Mangel an Treibstoff soll in Damaskus besonders verheerend sein; Busse können nicht mehr fahren; berichtet wird von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten an Bushaltestellen und in den Bussen. Die Verkehrspolizei sei vollkomen überlastet, habe keine Kontrolle über die Situation.

Das UNHCR meldete gestern, dass rund eine halbe Million Syrer das Land bereits verlassen haben oder sich als Flüchtlinge erst registrieren lassen. Etwa 3.000 sind es täglich, die den Flüchtlingsstatus und Hilfe beantragen. Ziel sind Länder in der Region. 1.000 Personen sollen in einer Nacht nach Jordanien geflüchtet sein, wird die Un-Sprecherin für den Hohen Kommissar für Flüchtlinge, UNHCR, zitiert:

Sie kamen bei sehr schlechtem Wetter, ihre Kleidung war triefnass und die Schuhe schlammbedeckt. Sie werden von den UNHCR-Teams als ängstlich, frierend und ohne angemessene Winterkleidung beschrieben.

Auch die Kämpfe zwischenden militanten Fraktionen setzen sich in den Nachbarländern fort. In der vergangenen Woche wurden Kämpfe zwischen Unterstützern und Gegnern der syrischen Regierung im libanesischen Tripolis gemeldet.

Der Krieg in Syrien hat längst auch auf die libanesische Politik übergegriffen. Dem Oppositionsführer Saad al-Hariri, Sohn des früheren Regierungschefs Rafiq al-Hariri, dessen Ermordung 2005 weltweit für Schlagzeilen sorgte (Syrien wieder im Visier der USA) wird vorgeworfen, dass er die Gegner Baschar al-Assads mit Waffen versorgt. Unstrittig ist, dass Saad al-Hariri, wie bereits sein Vater, nicht im besten Verhältnis zum syrischen Präsidenten steht, dafür aber zu Saudi-Arabien, dessen Staatsbürgerschaft er neben der libanesischen innehat. Hariri mischt beim ideologisch-religiösen Konflikt "Sunniten gegen Alawiten" kräftig mit, auf Seiten der Sunniten.

An der libanesisch-syrischen Grenze sollen schon seit längerem französische Miliärberater als Ausbilder von "Rebellen"-Gruppen tätig sein. Die britische Zeitung Independent weist auf Quellen im britischen Verteidigungsministerium hin, die deutlich machen, dass solche Unterstützung gewünscht ist und künftig besser koordiniert und "professionalisiert" werden soll. In Whitehall würde man über Luft-und Seeunterstützung der Freien Syrischen Armee nachdenken.

Der Kommandeur der britischen Streitkräfte, David Richards, soll mit seinen Kollegen aus Frankreich, der Türkei, Jordanien, Katar, den Vereinigten Emiraten und mit einem Drei-Sterne General aus den USA in einem geheimen Treffen über eine Strategie zur Unterstützung der "Rebellen" gesprochen haben. Geht es nach dem Zeitungsbericht, so verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die ausländischen Gegner der syrischen Regierung eine Intervention, allerdings ohne eigene Truppen, vorbereiten, zumindest die Apparatur dafür. In diesen Zusammenhang stellt man etwa auch die Anfrage der Türkei nach den Patriot-Raketen.

Die Anerkennung der Nationalen Opposition durch die "Freunde Syriens"

Auch die Anerkennung der oppositionellen syrischen Nationalen Koalition als "legitimen Repräsentanten des syrischen Volkes" durch die "Freunde Syriens", die heute aus Marrakesch gemeldet wird, fügt sich in diese Vorgehensweise gegen die syrische Regierung, die jetzt deutlich "proaktiver" gegen Baschar al-Assad und seinen Machtzirkel vorgeht.

Der Nachricht von den "Freunden Syriens" war eine Meldung vorangegangen, wonach sich US-Präsident Obama sehr zum Missfallen der russischen Führung öffentlich für eine solche Anerkennung aussprach. Großbritannien, Frankreich und der Kooperationsrat der Golfstaatten hatten diesen Schritt bereits früher getätigt. Der russische Außenminister sieht darin die Entscheidung, "alles auf einen bewaffneten Sieg dieser Koalition zu setzen".

Mehrfronten-Konflikt

Die diplomatische Stärkung der oppositionellen Nationalen Koalition folgte ihrerseits einer Ankündigung, die versuchte die "Guten" von den "Bösen" in der Opposition zu Baschar al-Assad voneinander zu trennen. Nachdem sich bis in die letzten Winkel der internationalen Öffentlichkeit durchgesprochen haben dürfte, dass der Konflikt in Syrien immer stärker religös aufgeladen wurde und sich die Gegner Assads häufig aus dschihadistischen Truppen rekrutierten, ließen die USA die berüchtigste Truppe, die Jabhat-al-Nusra, auf die internationale Liste der terroristischen Gruppierungen setzen.

Wenig später hieß es, dass sich zwei Drittel der mit den Muslimbrüdern und Salafisten verbundenen oppositionellen Milizenvertreter aus Solidarität einem neuen Militär-Kommando unterstellten, das Jabhat-al-Nusra übertragen wurde.

Wie sich schon lange durch Kämpfe von oppositionellen Gruppen untereinander um Machtgebiete andeutete, verfestigt sich damit ein Mehrfronten-Konflikt. Keine guten Aussichten für die syrische Bevölkerung.