Das Geschäft mit den Staatsschulden
Seite 2: Woher kommt das Geld für die Staatsanleihen?
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Wie funktioniert der Geldfluss nun genau? Wer leiht sich was? Wie im ersten Kapitel geschildert, kaufen Banken Staatsanleihen, also staatliche Schuldscheine. Aber wie finanzieren die Banken das eigentlich? Befragt man sie dazu direkt, erfährt man wenig. Schriftliche Auskunft will keiner geben. Eine Anfrage bei der Commerzbank führt lediglich zum Hinweis, dass man sich aus der Staatsfinanzierung schon seit längerem zurückziehe. Auf Banken-Deutsch: "Die Commerzbank hat das Public-Finance-Geschäft bereits 2012 auf Abbau gestellt."5 Seitdem erwerbe man Staatsanleihen kaum noch langfristig für die Bank, sondern "vor allem kurzfristig im Rahmen der Platzierungsaktivitäten für Kunden". Übersetzt: Die Bank agiert nur noch als Zwischenhändler für andere Investoren.
Bei der Deutschen Bank gibt man sich noch zugeknöpfter. Auf die schriftliche Anfrage, wie der Kauf von Staatsanleihen im Einzelnen organisiert sei und woher die Deutsche Bank das Geld dafür nehme, verweist ein Sprecher zunächst höflich auf die staatliche Finanzagentur. Auf nochmalige Nachfrage heißt es dann bloß noch knapp: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen keine weitergehenden Informationen zur Verfügung stellen können."6 Telefonisch nach den Gründen für seine Verschwiegenheit befragt, wiederholt der Banksprecher einsilbig, dies sei "kein Thema, über das wir detaillierter sprechen".
Dabei sind die Hintergründe eigentlich gar kein Geheimnis. Neu ausgegebene Staatsanleihen können nicht mit von den Banken selbst geschöpftem Geld bezahlt werden. Der Bund akzeptiert hierfür nämlich nur Zentralbankgeld. Grundsätzlich beschaffen sich die Banken dieses Zentralbankgeld kurzfristig direkt bei der Bundesbank. Eine Geschäftsbank hinterlegt dazu als Sicherheit Wertpapiere und erhält im Gegenzug von der Bundesbank neu geschöpftes Geld. Vom Prinzip her bekommen Banken von der Zentralbank so viel Kredit, wie sie wollen, sofern sie genügend Sicherheiten vorlegen können, wie ein Sprecher der Bundesbank auf Nachfrage bestätigt.7
Die Zentralbank ist dabei im Zweifel flexibel, was die Kriterien für diese Sicherheiten angeht. Die Regeln dafür sind nicht in Stein gemeißelt. Die Kredite werden wöchentlich von der Bundesbank ausgereicht und laufen meist nur über wenige Tage.8 So hat die Bundesbank zum Beispiel an einem typischen Dienstagmorgen (5. Januar 2016) an insgesamt 110 Banken Kredite in Höhe von zusammen 70 Milliarden Euro vergeben. Laufzeit: eine Woche. Zinssatz: 0,05 Prozent.9 Ein Geschäft dieser Art wiederholt sich im Prinzip jeden Dienstag. Praktischerweise organisiert die Finanzagentur des Bundes ihre Auktionen für Staatsanleihen gleich im Anschluss, nämlich stets am Mittwoch.10 Die Zentralbank liefert also dienstags neues Geld, mit dem die Banken dann mittwochs Staatsanleihen kaufen können.
Kranke "Symbiose" von Staaten und Banken
Eine wichtige Rolle spielt dabei eine gesetzliche Ausnahmeregelung: Banken müssen für gekaufte Staatsanleihen kein Eigenkapital hinterlegen, da eine Investition in öffentliche Schulden als weitgehend risikolos gilt. Diese Regelung beschleunigt das Spiel. Staaten und Banken haben sich mittlerweile verhängnisvoll ineinander verkettet. Die Staaten sind bereit und willens, sich weiter zu verschulden, und begünstigen deshalb die Banken. Denen passt das gut, da sie stabile Gewinne mit wenig Risiko suchen. Und was ist sicherer als der Zugriff auf Steuergelder?
Staatsanleihen sind letztlich risikolos, so lange die verschuldeten Regierungen genügend Macht besitzen, die eigene arbeitende Bevölkerung in einem Maße zu besteuern, dass der Staat existieren und zugleich die Zinsen bezahlen kann. Und, natürlich, solange sich nicht zu viele Bürger gegen diese kranke "Symbiose" auf höchster Ebene wehren …
"Keine Rückschlüsse auf einzelne Gläubiger"
In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass niemand genau sagen kann, wer die Investoren eigentlich im Einzelnen sind. Denn Banken erwerben die Staatsanleihen ja nicht nur für sich selbst, sondern zum großen Teil im Auftrag von Kunden. Anders aber als vor zweihundert Jahren, als man es noch wusste, wenn der schwerreiche Londoner Investor Nathan Rothschild dem preußischen Staat ein paar Millionen Taler geliehen hatte11, kursieren heute keine Namen mehr. Das System arbeitet weitgehend anonym.
Der Bund zahlt die Zinsen auch nicht direkt an seine Gläubiger, sondern auf ein Konto der privaten Firma "Clearstream", einen der weltweit größten Dienstleister für Zahlungsausgleich und Wertpapierverwahrung. Erst verdeckt hinter dem Sichtschutz "Clearstream" (welch origineller Name in diesem Zusammenhang) werden die Erträge dann den Investoren zugestellt. Das Bundesfinanzministerium teilt auf Nachfrage dazu mit, man habe zwar "Hinweise auf Investorengruppen", könne aber "keine Rückschlüsse auf einzelne Gläubiger" ziehen.12 Die jährlich gut 30 Milliarden Euro Zinsen, finanziert aus Steuereinnahmen, fließen also tatsächlich in eine Art Nirgendwo, ohne Namen, Adresse und Hausnummer. Die Profiteure empfangen das Geld komplett abgeschirmt von der Öffentlichkeit.
Eine Anfrage bei den Banken, in wessen Auftrag sie Staatsanleihen bei der Deutschen Finanzagentur erwerben, bringt - wenig überraschend - auch keine Details. Die Sprecher sind sich in diesem Punkt alle einig: kein Kommentar. Man könne allenfalls sagen, so einer der Banker, dass es sich bei den Abnehmern häufig um Versicherungen und Pensionsfonds handle. Das klingt fast schon sympathisch, nach Gemeinwohl, Altersvorsorge und Stabilität. Doch wo landet das Geld am Ende?
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