Das Internet ist in die postrevolutionäre Phase eingetreten

Nach einer neuen Studie haben nicht mehr die USA, sondern Schweden und Kanada den höchsten Anteil an Internetnutzern

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Postrevolutionär meint in der von Ipsos-Reid zum zweiten Mal durchgeführten Studie "The Face of the Web" nichts direkt Politisches, sondern schlicht - und nicht ganz einsichtig -, dass die Dominanz der US-Amerikaner allmählich wegbricht. Eher hätte man das ja noch verstanden, wenn damit gemeint wäre, dass die exponentielle Zunahme an Internetnutzern sich verlangsamt oder dass manche Menschen auch in den Industrieländern einfach nicht privat online gehen wollen.

Aber aus amerikanischer Sicht mag ja durchaus bedauerlich sein, dass der Anteil der US-Amerikaner an der Gesamtzahl der Internetnutzer im letzten Jahr von 40 auf 36 Prozent zurückging. Der Trend, so Ipsos-Reid, gehe in den nächsten Jahren weiter, da in anderen Ländern das Internet sehr viel schneller wächst. Die USA, so kann man also verstehen, stoßen, was die Internetnutzung angeht, an die Sättigungsgrenze, sind aber immer noch die Nation mit den zahlenmäßig meisten Internetnutzern. Dafür sind dann wohl andere Länder Internetrevolutionäre.

Mit 13 Prozent jährlich sollen das Internet, was die Nutzer angeht, jährlich wachsen. Nach Schätzungen von Ipsos-Reid habe es Ende 2000 eine Internetbevölkerung von etwa 350 Millionen erwachsenen Menschen gegeben. Der Anteil der Frauen sei im letzten Jahr von 41 auf 44 Prozent und derjenige der über 54-Jährigen von 11 auf 13 Prozent gestiegen.

Zusammen mit Westeuropa (22 Prozent aller Internetnutzer, 1999 noch 18 Prozent) und den restlichen angloamerikanischen Ländern (12 Prozent) dominieren aber die westlichen Industriestaaten noch immer das Internet und stellen 70 Prozent der Nutzer. Angeblich soll mindestens einer von drei oder vier Menschen in den urbanen Regionen von China, Indien, Russland und den Entwicklungsländern noch nicht einmal etwas vom Internet gehört haben.

Den höchsten Anteil von Internetbenutzern an der Gesamtbevölkerung haben jetzt Schweden mit 65 Prozent und Kanada mit 60 Prozent. Die USA sind mit 59 Prozent auf den dritten Platz zurück gefallen. Schwer im Kommen seien Südkorea (45%) und Singapur (46%), die schon Länder wie Deutschland (37%) überholt haben. Auch die Franzosen und Italiener würden zunehmend mehr Interesse für das Internet zeigen. Japan nimmt bislang eine Sonderstellung ein, was die mobile Internetnutzung angeht, die ansonsten nicht recht vorankommt. 20 Prozent der Japaner hätten, meist über das Handy, einen drahtlosen Internetzugang, im Rest der Welt wäre dies für weniger als 10 Prozent so. 90 Prozent benutzen insgesamt noch den PC, um ins Internet zu gehen, sieben primär einen Laptop und nur 1 Prozent ein mobiles Gerät. Ungefähr die Hälfte der Menschen, die in den technisch fortgeschrittenen Ländern noch nicht online sind, wollen das auch gar nicht, während in den Entwicklungsländern der Internetzugang oft auf Internetcafes oder Arbeitsplätze beschränkt bleiben wird.

Nicht Surfen oder Shopping, sondern Mailen ist noch immer die beliebteste Internetnutzung, aber auch der Grund, warum die Menschen online bleiben. Nett liest sich allerdings, wenn gesagt wird, dass "nicht weniger als 90 Prozent der Intrenetnutzer versucht haben, Email zu senden, und dass fast alle vorhaben, dies zu tun".

Die älteren Internetnutzer, vornehmlich in den USA, tauschen anscheinend gerne Fotos. Da würde man doch gerne wissen, um welche es sich handelt. Fest angebrachte Webcams gäbe es am meisten in Japan, Großbritannien, Spanien und den USA, wobei es sich da auch um richtige Überwachungskameras handeln wird. CD-Brenner hingegen sind in Spanien, Holland, Deutschland, Argentinien und Frankreich am beliebtesten. Und wohin surfen die Internetnutzer am liebsten? Natürlich zu Sites, wo sie "Entertainment" zu finden hoffen, was immer das näher auch sein mag.

Trotz der Ankündigung, dass das Internet in die postrevolutionäre Phase eingetreten sei, hat Ipsos-Reid eine tröstliche Botschaft für diejenigen, die im Internet noch Geschäfte machen wollen: "Viele Menschen werden das letzte Jahr als das Jahr des Dot.com-Crash in der Erinnerung haben. Aber es sind auch andere Dinge geschehen. Für einen bedeutenden Teil der Menschen in Nordamerika, Europa und Asien wurde Email, Online-Shopping und -Banking, Chat und sogar das Herunterladen von Musik zu einem Bestandteil ihres Lebens."

Von Ipsos-Reid wurden für "The Face of the Web II: 2000-2001" 28.000 Gespräche mit Internetnutzern in 30 Ländern und mit Verbrauchern in 35 Ländern geführt.