Das Verschwinden des typischen Internet-Benutzers
Seite 3: Internet = Postmodern
Which shampoo will I use today? Maybe PsychoPath (R), the sports shampoo with salon-grade microprotein packed in a manly black injection-molded plastic motor-oil canister. Afterward? A bracing energizer splash of Monk-On-Fire (R), containing placenta, nectarine-pit extract and B vitamins. And to hold it all together? First-Strike (R) sculpting mousse manufactured by the pluTONium (TM) hair-care institute of Sherman Oaks, California. It's self-adjusting, with aloe, chamomile, and resins taken from quail eggs. Gloss, hold and confidence. What a deal.
Douglas Coupland, Shampoo Planet, 1992, p. 7
Lash und Urry befassen sich aber nicht nur mit der rationellen Auseinandersetzung von Individuen mit Informationen. Ein weiteres Element der sogenannten reflexiven Akkumulation ist das Bedürfnis an kulturellen, ästhetischen "Symbolen." Hier greifen die beiden englischen Soziologen nun doch auf die Werke der postmodernen Franzosen zurück. Sie nennen daher diese kulturellen Zeichen-Inhalte "postmodern," um den Unterschied zu der Nachfrage nach "postindustriellen," rationell greifbaren Nischeninhalten zu betonen.
Auf diesem Feld ist das Internet der wirkliche Sieger gegenüber den proprietären Online-Diensten. Da das Informationsdesign trotz der Tücken von HTML frei bestimmbar ist, kann das Internet ästhetische Inhalte vermitteln. Dies kulminiert darin, daß fast jede Internet-Seite zur "Marke," wird, in dessen Zentrum das Logo steht (wie im Internet-Projekt von Markus Weisbeck "logo.gif" dargestellt wird). Dies macht die Sites "Surfergirl" und "Girls on Film" so einzigartig und ansprechend für eine ganz bestimmte Nische.
Diese Entwicklung zur Ästhetisierung ist nicht allein auf dem Internet spürbar, sondern auch dadurch, daß selbst materielle Produkte einen immer höheren Wert auf Design gelegt haben. Douglas Coupland spielt in seinem Buch "Shampoo Planet" mit genau diesem zeichenorientiertem Konsumverhalten. Die Musikindustrie lebt von der Abgrenzung von Nischengruppen voneinander durch ästhetische Mittel.
Die Nachfrage nach Musik ist heute bereits ein globales Nischenphänomen. Die großen Plattenfirmen müssen, Scott und Lash schildern dies, je um die tausend verschiedene Platten jährlich auf den Markt bringen, um die zunehmend heterogene Nachfrage anzusprechen. Sie tun dies, in dem sie als Aggregate agieren. Hinter jeder multinationalen Firma stehen hunderte von kleinen Firmen und Selbständigen, die ihre Nischen genau kennen. Viele bringen auch eigene CDs auf den Markt, so daß in England zum Beispiel jede Woche etwa 100 neue CDs erscheinen. Die Musikindustrie ist also weder ausschließlich von multinationalen Giganten noch von kleinen, subkulturellen Initiativen geprägt, sondern von beiden. Die Ähnlichkeit mit dem Internet ist deutlich.
Firmen- Intranets sind nicht immun gegenüber dem Siegeszug der postmodernen Ästhetik. Wenn man es so ausdrücken möchte, gibt es auch innerhalb von multinationalen Unternehmen verschiedene Subkulturen. Diese halten sich nicht an die vorgegebene Unternehmensstruktur, sie richten sich statt dessen nach Beziehungs- und Know-How Geflechten. Besonders dem EDV Support bereiten diese Subkulturen Kopfschmerzen, denn sie richten ihre eigenen PCs ein, tauschen Programme und skurrile Dateiformate aus. Einmal mit der Individualisierbarkeit des PCs ausgestattet, gibt es kein zurück mehr. Virtuelle Subkulturen richten außerdem ihre eigenen Sites auf den Intranets ein.
Wenn Lash und Urry, sowie viele Management-Theoretiker recht haben, wird das multinationale Unternehmen selbst immer mehr zu einer Kulturinstitution. Als Vorzeigeunternehmen werden hier immer Benetton und Toyota genannt, die entweder keine oder nur einen Bruchteil ihrer Produkte selbst herstellen. Sie sind Aggreate für hunderte von vernetzten Kleinfirmen. Sie geben den Produkten aus ihren Netzwerken aber einen Wert, der nicht materiell und eher kulturell ist. In diesen Unternehmen wird der Manager ein Designer.