Das Verschwinden des typischen Internet-Benutzers
Seite 2: Der Bedarf nach Spezialinformationen
- Das Verschwinden des typischen Internet-Benutzers
- Der Bedarf nach Spezialinformationen
- Internet = Postmodern
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- Die Knowledge-Arbeiterin
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Aus der Reuters Website
Das Internet und die firmeneigenen Intranets bieten einen Zugang zu Spezialinformationen auf einer globalen Ebene. Hier entscheiden sie sich radikal vom Fernsehen. Das Fernsehen wird selbst mit hunderten von digitalen Kanälen ein Massenmedium bleiben, während das Internet ein Medium für kleine Nischen ist.
Dies erklärt auch das Stocken der hochgelobten "Pushtechnologie" im Internet trotz massiver Unterstützung verschiedener Inhalteanbieter. "Push" ist heute noch nicht auf eine der Internet entsprechenden Nischen-Nachfrage ausgerichtet, es gibt noch nicht genügend Spezialangebote. Morgen werden wir das Internet zwar auf dem Fernseher aufrufen können, so wie Europäer schon seit langem Videotext im Fernseher haben. Dies ist aber keine Konvergenz des Mediums, sondern der Empfangsgeräte.
Besonders innerhalb der Intranets multinationaler Unternehmen schlummert eine große Nachfrage nach breit gefächerten Spezialinformationen. Selbst ein relativ branchenfixierter Multi wie BMW muß viel wissen: über den internationalen Devisenhandel und von Modetrends. Dies haben auch traditionelle Informationsanbieter wie Reuters und Dow Jones realisiert. Beide Firmen verkaufen neben ihren homogenen, proprietären Angeboten für Börsenhändler nun auch heterogene Informationspakete für globale Intranets. Reuters und Dow Jones liegen ganz im Trend, denn der Angestellte der multinationalen Firma wird immer mehr zum selbständig arbeitenden "Knowledge-Worker" und ist auf externe Informationsangebote angewiesen.
Spezialinformationen zur Verfügung zu stellen ist wichtiger als der real-time Aspekt. Reuters und Dow Jones haben nämlich gemerkt, daß es nicht ihre teuere, proprietäre, synchrone Informationsversorgungsstruktur für die Finanzwelt ist, die sie konkurrenzfähig auf dem Intranet-Markt macht, sondern ihre mondän anmutenden Nachrichtenarchive. Aufgrund der diversen Spezialanforderungen innerhalb multinationaler Firmen ist das Intranet heute bereits zu einem unverzichtbaren, asynchronen Arbeitsmedium geworden, während "Business TV" nichts anderes als ein internes Marketinginstrument ist.
Die Nachfragestruktur auf den Intranets ähnelt dem des Internets. Auch auf dem Internet ist die Aktualität nicht das bedeutendste Kriterium. Die Direktoren der internationalen Aktivitäten von Dow Jones Interactive Publishing, Karin Borchert, erwähnte, daß die Herausgeber der Schwesterpublikation Wall Street Journal Interactive anfangs überrascht waren, wie populär das Nachrichtenarchiv der Inhalte der vergangenen Tage im Vergleich zur aktuellen Ausgabe sei. Vergessen wir RealVideo und Push; es gibt Medien, die besser in der Versorgung von aktuellen Informationen sind als das World-Wide-Web. Zum Beispiel das Radio. Oder sogar Email. Das Archiv ist einer der wichtigsten Aspekte eines Internet- und eines Intranet-Angebots.
Der Ursprung der Nachfrage ist eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Internet und Intranets. Die Soziologen Scott Lash und John Urry haben eine Studie über die "Economies of Signs and Space" (1994) geschrieben, in der sie das folgende, allgemein bekannte Phänomen schildern. Aufgrund der zunehmenden Komplexität von Arbeitsprozessen löst sich, zuerst innerhalb von Unternehmen und dann in der Gesellschaft, die fordistische Welt vertikal aufgebauter Informationsstrukturen langsam auf. Entscheidungen werden auf immer niedrigeren Hierarchieebenen getroffen. Für diese horizontalen Entscheidungsprozesse muß allerdings auch die Informationsversorgung gewährleistet sein. Auch außerhalb von Firmen vollzieht sich dieser Prozeß.
Man mag es nicht glauben, aber selbst postfordistische Angestellte gehen nach der Arbeit nach Hause. Die Wohnung ist aber zum Büro geworden. Individuen treffen von dort aus zunehmend wichtigere persönliche Entscheidungen, von der Altersversorgung zum Aktienkauf. Sie werden außerdem mit der Verantwortung für globale Langzeitphänomene wie dem Ozonloch konfrontiert, wie der Münchner Soziologe Ulrich Beck feststellt.
Statt daß Menschen allerdings Opfer einer im System vorprogrammierten Informationsmanipulation sind (wie postmoderne Denker in den 80er Jahren argumentierten), entwickeln sie (so Lash und Urry) Kapazitäten, Informationen kritisch zu verarbeiten. Lash und Urry nennen dies "reflexive Akkumulation."
Die Kapazitäten, Informationen kritisch zu verarbeiten zu können, kommen aber nicht etwa durch die steigende Intelligenz der Menschen zustande. Ein guter Soziologe würde so etwas nie behaupten. "Reflexiv" hat eher etwas mit "Reflex" zu tun, die kritischen Kapazitäten entspringen nämlich dem Globalisierungsprozeß selbst. Die eigene Position wird durch den konstanten Vergleich mit anderen, fremden Positionen in Frage gestellt. Es entwickelt sich eine Art transnationales Bewußtsein, das es vorher in dieser Verbreitung noch nie gegeben hat.
Lash und Urry untersteichen vor allem den Einfluß des globalen Tourismus, so wie ein aktueller Artikel über die "Gen-G" ("Generation Global") übrigens auch (Newsweek, 06.10.97). Das Internet und das globale Firmenintranet ist für transnationale allerdings perfekt geeignet: Vergleiche zwischen Firmen, Produkten, Ansichten und Kulturen.