Das Verschwinden des typischen Internet-Benutzers
- Das Verschwinden des typischen Internet-Benutzers
- Der Bedarf nach Spezialinformationen
- Internet = Postmodern
- Netzwerk-Wissen
- Wer kann das bezahlen?
- Die Knowledge-Arbeiterin
- Auf einer Seite lesen
Asiatisch, weiblich, spendabel?
Die Wissensarbeiterin ist die neue (un)typische Internet-Nutzerin. Im Internet aber auch in firmeneigenen Intranets sucht sie nach hochwertigen Informationsangeboten.
So lernt man es: Der Markt wird geprägt durch Angebot und Nachfrage. Und das Internet gilt als das Musterbeispiel einer Technologie, bei der die Nachfrage eine große Rolle spielte. Und zwar eine Nachfrage nach und in einem offenen, nicht-proprietären Netzwerk. Trotzdem wissen wir über die Anbieterstrukturen im Internet mehr als über die Anwender. In diesem Text versucht Niko Waesche, sich der Internet-Benutzerin zu nähern und zu erfahren, was sie dazu treibt, Netzteilnehmerin zu werden. Er kommt zu dem Schluß, daß der typische (männliche) Internet-Benutzer durch die sogenannte Knowledge-Arbeiterin ersetzt worden ist und daß ihr Drang nach Wissen mit dem Prozeß der Globalisierung eng verknüpft ist.
Männlich, amerikanisch, geizig. Beruf: Student. Die Zeiten sind vorbei, als der typische Internet-Benutzer diesem Steckbrief entsprach. Bis zu 40% der Benutzer sind heute nicht männlich. Der Anteil der Amerikaner unter den Internet-Teilnehmern fällt kontinuierlich, der Anteil der Asiaten steigt dagegen. Das Internet wird immer mehr von Firmenangestellten und Selbständigen benutzt. Geizig? Vielleicht trifft dies heute noch am ehesten zu. Auf jeden Fall hat die sogenannte "Kommerzialisierung" des Internets bewirkt, daß die Benutzergruppe wesentlich heterogener und internationaler als jemals zuvor ist.
Wer ist heute die typische Benutzerin des Internet und was motiviert sie? Es sollen im Jahr 1996 einer IDC-Studie zufolge $18,5 Milliarden für Internet Produkte und Dienstleistungen ausgegeben worden sein, dies ist zwar ein Klaks im Vergleich zu den $600 Milliarden für Telekommunikationsleistungen, aber immerhin (Quellenhinweis ).
Falls die vielen Beratungsunternehmen, Werbeagenturen und Marktforschungsinstitute recht haben, gibt es unterschiedliche, typische Benutzergruppen. Diese Benutzerprofile unterscheiden sich natürlich untereinander, werden aber alle nach dem typischen Muster von Konsumentengruppen erstellt, die im Massenprodukte-Marketing schon seit Jahrzehnten im Einsatz sind.
Ein Beispiel. Die lukrativste Gruppe der Internet-Benutzer sind, so das Beratungsunternehmen Forrester, die "Neo-hearthminders" Familien. Diese technologiefreundlichen Stubenhocker sollen nicht so sehr an Status oder Geld interessiert sein, sondern an hochwertigen, erzieherischen Inhalten für die ganze Familie (Quellenhinweis ).
Diese Gruppe entspricht aber genau der Hauptzielgruppe des größten Internet- Providers der Welt, AOL. Nicht viel Neues hier, und vor allem viel Wettbewerb. Technologiefreundliche Stubenhocker waren stets eine der Hauptzielgruppen der traditionellen Online-Dienste. Der vielumworbene Stubenhocker ist aber nicht der typische Internet-Benutzer. Wenn er es wäre, wäre es nie zu einem Internet-Boom gekommen.
Es gibt keinen typischen Internet-Benutzer mehr. Und wenn es eine Gruppe gäbe, die diesem am ehesten entspricht, sind es die sogenannten "Knowledge-Workers:" Personen, die mit Wissen arbeiten. Wie man dieser sehr allgemeinen Definition schon entnehmen kann, ist dies eine extrem heterogene Gruppe mit stark divergierenden Interessen.
Obwohl diese Erkenntnis für die meisten Personen, die das Internet kennen, keine sehr spektakuläre ist, scheinen Marketingabteilungen dies noch nicht begriffen zu haben. Janelle Brown hat sich zum Beispiel am 17.10.97 in einem Hotwired-Artikel empört, daß sich neuerdings in der USA zwei große Inhalte-Anbieter, AOL und iVillage, auf die Zielgruppe "Frau" fixiert haben. Es gäbe aber die typische Internet-Frau nicht, meint Brown. Sie prophezeit diesen Initiativen keinen großen Erfolg. Vorbildliche Internet Sites für die Frau mit heterogenen Interessen seien statt dessen Sites wie "Surfergirl" oder "Girls on Film." Vielleicht sind die deutschen Inhalteanbieter den Amerikanern hinsichtlich dieser Erkenntnis schon voraus. "Cybille", eine Frauensite, die von Burda für Microsoft Network produziert worden war, wurde bald wieder eingestellt. Im letzten Jahr hatte das Münchner Verlagshaus sich bereits von "Europe Online" verabschiedet, der Site für alle Europäer.
Das Verschwinden des typischen Internet-Benutzers erklärt nicht nur den Mißerfolg mancher groß angelegter Allgemeinsites, sondern auch den relativen Erfolg der Suchmaschinen als Aggregate für die diversesten Nischeninhalte. Es ist nämlich viel einfacher herauszufinden, was die Internet-Benutzer motiviert, als wer sie sind.
Knowledge-Arbeiter suchen drei Arten von Wissen: Spezialinformationen, kulturelle Zeicheninhalte und Netzwerk-Wissen.