Das Weiße Haus bereitet eine neue Direktive zur Weltraumpolitik vor
Eine Militarisierung des Weltraums wird zwar abgestritten, aber die militärische Vorherrschaft soll gesichert werden
Seit langem schon hört man aus dem Pentagon immer wieder, wie wichtig der Weltraum für die militärische Vorherrschaft der USA sei. Wenn man diese sichern und verteidigen wolle, müsse man auch gegen feindliche Systeme wie Satelliten vorgehen können. Wie die New York Times berichtet, fordert die US-Luftwaffe nun, dass US-Präsident eine neue Direktive zur nationalen Sicherheit erlässt, aufgrund derer der Einsatz offensiver und defensiver Waffen im Weltraum möglich wird. Schon jetzt ist eine Hightech-Kriegsführung nur noch mit Unterstützung durch Satelliten möglich. Das wird in Zukunft noch sehr viel stärker der Fall sein, zumal die Satelliten auch zur unabdingbaren und damit im Konfliktfall gefährdeten Infrastruktur von Gesellschaft und Wirtschaft geworden sind.
Der Wunsch nach einer Aufrüstung ist allerdings nicht neu, sondern war bereits von Anfang an ein Projekt der Bush-Regierung. Donald Rumsfeld leitete bis zu seiner Berufung zum Verteidigungsminister eine Kommission, die schon in ihrem Anfang 2001 veröffentlichten Bericht die militärische Bedeutung des Weltraums vorstellte, für eine Aufrüstung plädierte und vor einem Pearl Harbor im Weltraum warnte. Schon damals forderte die Kommission, dass der US-Präsident die Möglichkeit haben sollte, "Waffen im Weltraum einzusetzen, um Drohungen abzuschrecken oder, falls notwendig, sich gegen Angriffe auf US-Interessen zu verteidigen."
Die jetzt in Vorbereitung befindliche Direktive soll eine von Präsident Clinton am 19. September 1996 erlassene Direktive zur "Nationalen Weltraumpolitik" ersetzen, die zwar gleichfalls das Ziel hatte, die technische, wirtschaftliche und militärische Überlegenheit im Weltraum zu sichern, aber auch stark auf internationale Kooperation wie bei der Internationalen Raumstation setzte, und dafür Sorge tragen wollte, dass die Erkundung des Weltraums zu friedlichen Zwecken geschieht. Aber auch hier war durchaus eine offensive militärische Strategie angelegt, da sicher gestellt werden sollte, dass "feindliche Kräfte unsere Benutzung des Weltraums nicht verhindern können", und "Weltraumsysteme und -dienste, falls notwendig, ausgeschaltet werden können, die zu feindlichen Zwecken genutzt werden":
The United States is committed to the exploration and use of outer space by all nations for peaceful purposes and for the benefit of all humanity. "Peaceful purposes" allow defense and intelligence-related activities in pursuit of national security and other goals. The United States rejects any claims to sovereignty by any nation over outer space or celestial bodies, or any portion thereof, and rejects any limitations on the fundamental right of sovereign nations to acquire data from space. The United States considers the space systems of any nation to be national property with the right of passage through and operations in space without interference. Purposeful interference with space systems shall be viewed as an infringement on sovereign rights.
Auch nach internationalem Recht wäre die Installation von Waffen im Weltraum nicht verboten, sofern es sich nicht um Massenvernichtungswaffen handelt und die Waffensysteme sich nicht auf dem Mond oder anderen Planeten bzw. Himmelskörpern befinden.
Scott McClellan, der Sprecher des Weißen Hauses, hat inzwischen bestätigt, dass ein Entwurf für eine neue Direktive zur militärischen Weltraumpolitik diskutiert wird. Es gehe aber nicht direkt um eine "Militärisierung des Weltraums", sondern lediglich um eine längst fällige Aktualisierung der Weltraumpolitik und deren Anpassung an die Nationale Sicherheitsstrategie, nachdem sich in den letzten Jahren die Gefahren und Möglichkeiten der weltraumgestützten Systeme ergeben hätten. Natürlich geht es um Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeiten, aber so direkt mochte sich McClellan dazu nicht äußern:
I talked about the importance of protecting our space systems. Obviously, that's something we have to look at. And there are changes that have occurred over the last eight or nine years, and there are countries that have taken an interest in space. And they have looked at things that could -- or technologies that could threaten our space systems. And so you obviously need to take that into account when you're updating the policy.
Schon Anfang 2001 hörte man vom Pentagon Ähnliches, wenn auch weniger diplomatisch Vermitteltes. So ließ man verlautbaren, dass die neu geschaffene Counterspace Technology Unity bereits "futuristische offensive und defensive Waffensysteme" zur Verfügung habe (Von der US-Freiheit im Weltraum). Luftwaffengeneral Franklin Blaisdell sprach 2003 auch von einigen konkreten Projekten (Das Pentagon strebt absolute militärische Dominanz im Weltraum an). Dass die Sicherung der militärischen Dominanz befreundete und alliierte Staaten nicht ausschließt, hatte schließlich das Air Force Doctrine Document 2-2.1: Counterspace Operations Ende 2004 deutlich gemacht. Im Konfliktfall würden auch gegnerische Ziele im Weltraum zerstört, selbst wenn es nur Wetter- oder kommerzielle Kommunikationssatelliten und Kontrollstationen für Satelliten auf der Erde wären (Sicherung der militärischen Überlegenheit im Weltraum, Die US-Regierung will die Überlegenheit in der Satellitennavigation sichern).
Zu selben Zeit wurde bekannt gegeben, dass die Luftwaffe ein System einsatzbereit habe, mit dem sie durch elektromagnetische Wellen von der Erde aus gezielt die Signale von Satelliten stören kann. Im Frühjahr dieses Jahres wurde ein manövrierbarer Mikrosatellit (XSS-11) in eine Umlaufbahn geschossen, der sich anderen Satelliten nähern, diese inspizieren und reparieren kann, aber damit diese auch beschädigen oder aus der Bahn schubsen könnte. Es gibt auch weitere, in Entwicklung befindliche Projekte: Mit SUMO Satelliten aus der Umlaufbahn schieben)
Mit dem Raketenabwehrsystem, das Rumsfeld als zweites großes Projekt neben der Sicherung des Weltraums gefördert hat, steht es allerdings schlecht. Technologisch ist fraglich, ob es überhaupt jemals funktionieren wird, obwohl schon über 100 Milliarden Dollar in es investiert und die ersten Abfangraketen installiert wurden. Gleichwohl beabsichtigt die für das Raketenabwehrsystem zuständige Missile Defense Agency (MDA) ab 2008 ein weltraumbasiertes Abwehrsystem entwickeln zu wollen. Bis 2011 sollen dafür 675 Millionen Dollar ausgegeben werden.
Ob es mit den geplanten Systemen, die im NYT-Artikel erwähnt werden, sehr viel besser steht, ist fraglich. Offenbar laufen allgemein, auch bei den neuen Satelliten, die Kosten davon. So wird beispielsweise die "Global Strike"-Strategie erwähnt, die Luftwaffengeneral Lance Lord, Kommandeur des Space Command, kürzlich vor dem Kongress als "Hauptpriorität" bezeichnet hat. Innerhalb von 45 Minuten soll damit ein beliebiges Ziel auf der Erde mit einer Rakete zerstört werden. Das FALCON-Projekt gibt es seit 2003 (Globale Angriffs- und Zerstörungskapazität), wie weit es vorangeschritten ist, ist nicht bekannt.
Das ebenfalls angesprochene Projekt "Rods From God" ist wohl eingestellt worden. Hier war beabsichtigt worden, Scheiben aus Tungsten, Titan oder Uran aus einer Umlaufbahn mit hoher Geschwindigkeit auf Ziele auf der Erde zu feuern. Vermutlich aber wäre die Einschlagkraft sehr viel geringer als die einer konventionellen Rakete. Laserwaffen, die vom Boden oder von einem Flugzeug abgefeuert werden können, sind zwar schon weit entwickelt, aber die Idee, mit Laserstrahlen über große Spiegel im Weltraum irdische Ziele zu zerstören, ist wohl noch weit entfernt.
Unabhängig davon, wie schnell und vor allem welche Waffensysteme für den Weltraum verfügbar sein werden, so dürfte eine weitere Militarisierung zu erwarten sein. Und schon mit den ständigen Ankündigungen und den Versicherungen, die militärische Dominanz im Weltraum zu sichern, werden auch andere Staaten, allen voran China und Russland, verstärkt ähnliche Pläne verfolgen, um der amerikanischen Supermacht nicht völlig wehrlos ausgesetzt zu sein. Die Äußerungen von Luftwaffengeneral Lance Lord, der auch klar macht, dass man ohne den Weltraum keinen Krieg mehr führen kann, dürften nicht gerade beruhigend wirken:
Die Überlegenheit im Weltraum ist nicht unser Geburtsrecht, aber sie ist unser Schicksal. Sie ist unsere alltägliche Mission. Die Vorherrschaft im Weltraum ist unsere Zukunftsvision.