Das Zeitdilemma von Bush

Wird der US-Präsident noch einmal seine Invasionspläne verschieben?

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Eine große Unterstützung der amerikanischen Angriffspläne auf den Irak ist derzeit nicht auszumachen. Die Waffeninspektoren werden am Montag vermutlich keinen wirklichen Beweis für die Existenz von Massenvernichtungswaffen vorlegen (können). Mohamed ElBaradei, Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde der UN, wird dem Irak vermutlich eine zufriedenstellende Note attestieren und für weitere Inspektionen plädieren, die Monate dauern können. Wird Bush noch einmal warten?

Wie es heißt, wird Bush in seiner State-of-the-Union-Rede am Dienstag weder den Krieg erklären, noch einen Termin für ihn nennen, sondern nur nochmals eindringlich auf die Bedrohung durch den Irak und dessen Taktik hinweisen, die UN und ihre Inspekteure zu täuschen, um nicht abrüsten zu müssen. Daher sei eine militärische Intervention unumgänglich, wenn Saddam nicht plötzlich sich entwaffnet, ins Exil geht oder gestürzt wird.

Bush freilich steht jetzt vor einem Dilemma. Entweder er könnte mit einer kleinen Gruppe von Alliierten und einigen aus recht durchsichtigen strategischen Gründen kooperierenden Staaten - etwa die des "Neuen Europa" oder einige arabische Länder - angreifen. Auch wenn die Mehrheit der Amerikaner auf einen UN-Beschluss dringt und die Befürworter eines Kriegs ebenso abnehmen wie die Popularität des Präsidenten, so hat die US-Regierung sich nicht nur unter Selbstzwang gesetzt, sondern letztlich weltweit und mit hilfreicher Unterstützung der Medien ("Showdown Iraq" etc.) die Erwartung geschaffen, dass es einen Krieg geben wird.

Im Inland ist daher vermutlich trotz wachsender Skepsis keine große Ablehnung am Anfang zu erwarten, ein weiteres Hinauszögern könnte für die Anhänger der Supermachtspolitik als zögerliches und unsicheres Verhalten erscheinen, das so auch im eigenen Lager für bröckelnde Zustimmung zur Regierung sorgt. Eine Verzögerung könnte ungünstige Signale an Staaten wie Nordkorea aussenden, die Stärke der einen Krieg ablehnenden Regierungen vergrößern und möglicherweise auch dem irakischen Regime noch mehr Zeit bieten, weitere diplomatische und militärische Vorkehrungen zu treffen. Ein weitere Verschiebung würde einem wirtschaftlichen Aufschwung nicht gerade hilfreich sein. Und vermutlich dürfte durch weitere UN-Inspektionen auch die Beweislage nicht sehr viel besser als im Augenblick aussehen.

Angeblich, so haben Angehörige der Regierung gegenüber Medien wie der New York Times verlauten lassen, würde man aber auch über ein weiteres Hinausschieben der Entscheidung nachdenken, um mehr Zeit zu haben, der Kritik im In- und Ausland an einem Krieg gegen den Irak besser entgegen treten zu können. nach den konzertierten Beschwörungen "Time is running out" von Regierungsmitgliedern in der letzten Zeit dürfte es sich aber bestenfalls um einige weitere Wochen mehr handeln. Das wäre dann womöglich auch deswegen nicht unpassend, um durch weitere Truppenstationierungen den Druck auf den Irak zu verstärken oder die zu einem Angriff erforderliche Truppenstärke zu versammeln. Erst Ende Februar oder Anfang März könnten wichtige Einheiten im Kriegsgebiet sein, so dass frühestens zu diesem Zeitpunkt eine Invasion auch tatsächlich gestartet werden könnte.

Ob freilich die US-Geheimdienste ihre Erkenntnisse über Massenvernichtungswaffen weitergeben werden, wenn sie denn tatsächlich solche haben, scheint fraglich zu sein. Gleichwohl ist die US-Regierung natürlich in Verlegenheit, weil sie stets behauptet hat, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügt und ihr Erkenntnisse darüber vorliegen. Angeblich sagen Regierungsangehörige, dass es große Bedenken gebe, die Geheimdienstinformationen an die Öffentlichkeit zu geben, da damit auch die Menschen und Methoden gefährdet würden, über die man an diese vorgeblich vorhandenen Informationen gekommen sei. Die Vermutung dürfte allerdings sein, dass auch die Geheimdienste keinen zwingenden Beweis vorlegen oder Tipps für die Waffeninspektoren liefern können und deshalb lieber weiter an der Gerüchteküche arbeiten.