Der 3-Cent-Wahnsinn
Seite 2: Ein Produkt, das die Produktivität und Effektivität unseres Wirtschaftssystems in Frage stellt
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In den Postagenturen ist der Spott von Kunden und Mitarbeitern über die 3-Cent-Marke erheblich. "Möchten Sie eine Quittung?", fragt augenzwinkernd der freundliche Mitarbeiter der Agentur. Wenn drei Cent über den Ladentisch gehen, gebucht und vermerkt werden, geht das unmöglich ohne Opportunitätskosten in gleicher Höhe.
Also legen nun Postagentur und Käufer auf die 3-Cent-Marke noch 3 Cent Transaktionskosten drauf, die die Minute mit der Marke mindestens erzeugt. Es kann aber auch schnell ein Euro werden, wenn man 10 Minuten auf das gute Stück warten muss. Mitarbeiter von Kanzleien und anderen Versendern rechnen daher die Einzelmarke nicht ab, sondern zahlen sie lieber privat.
Ein Produkt, dessen Preis Kosten mindestens in gleicher Höhe auslöst, stellt die Produktivität und Effektivität unseres Wirtschaftssystems in Frage. Allerdings kostete bei näherem Hinsehen auch die Verwaltung des Arbeitseinsatzes eines 1-Euro-Jobbers mehr, als dieser erhielt. Der Schnäppchenjäger, der zum Sparen von 3 Euro 75 zehn Kilometer in die Kreisstadt aufbrach, hat auch nichts gewonnen. Die Praxisgebühr wurde abgeschafft.
Die 3-Cent-Briefmarke widerlegt auch die Ansicht, die Deutsche Post AG sei dem Shareholder-Value verpflichtet, denn es erscheint ausgeschlossen, dass Druck, Versand und Controlling dieser Marke durch die Einnahmen aus ihrem Verkauf gedeckt werden.
Die bescheiden auftretende 3-Cent-Marke ist also ein kollektives Charity-Gimmick, eine flächendeckende Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, ein augenzwinkernder Kommentar zur Schuldenkrise.
Und doch gibt es auch Gutes zu berichten: Briefmarkensammler freuen sich über diese Innovation, die an die Notmarken der 20er Jahre erinnert.
Philatelist Erwin Möschel empfiehlt für FAZ-Leser sogar einen höchst attraktiven Einsatz der neuen Marke: "Auch interessant sind spezielle Postsendungen, etwa ein vollständiger Zwanzigerpack der 3-Cent-Marken auf einer Büchersendung." Dieser weisen Kaufempfehlung möchten wir uns bei Telepolis anschließen.
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