Der Bürger im Abseits: Wie die Flüchtlingsdebatte brennende soziale Probleme verdrängt
Seite 2: Populistischer Druck von rechts zeigt Wirkung
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Von zunehmend brutalerer Abschiebepraxis sprach kürzlich die in diesen Fragen kompetente rechtspolitische Sprecherin der Organisation Pro Asyl, Wiebke Judith, unter Hinweis auf die praktischen Folgen der von der amtierenden Innenministerin Nancy Faeser verordneten Verschärfung der entsprechenden Gesetze und Verordnungen (Verhaftung nachts, ohne Vorankündigung und Pardon, Minderjährige inklusive etc.).
Infolge derartiger Verschärfung wird sich allerdings niemand mehr als bisher leisten, Mietsteigerungen verkraften oder vor Überschuldung retten können. Wer die Bekämpfung von Flucht und Migration durch rigorose Abschiebung zum obersten Ziel erklärt und glaubt, so dem populistischen Druck von rechts nachgeben zu sollen, programmiert unweigerlich nur die ungnädige Wiedervorlage der gleichen, wirklichen Probleme vor, die dieses Land tatsächlich hat.
Von derartigen Tatsachen zu sprechen mag wenig populär sein. Und spätestens seit Kellyanne Conways Prägung des Unwortes alternative facts stehen sie ja alle unter dem Generalverdacht, sich beliebig umdeuten zu lassen, wie es einem gerade zupass kommt.
Zwar schließt sich seitens der amtierenden Regierung oder der Opposition niemand offen einer derartigen Rhetorik an, deren politische Brandgefährlichkeit man im nordamerikanischen Trump-Populismus man ja nach wie vor Augen hat.
Aber die Hartnäckigkeit, mit der man die Abblendung dieser wirklichen und für die soziale Existenz der Bürger elementaren Probleme durch Fixierung auf die Bekämpfung von Flucht und Migration betreibt, lässt doch stark vermuten, dass man annimmt, die betroffenen Bürger würden sich früher oder später erfolgreich selbst täuschen und glauben, nicht ihre politisch zu verantwortende reale Lage, sondern der Zustrom von Fremden sei ihr allergrößtes Problem. Glaubt man aber "wirklich", sich so aus der Verantwortung stehlen zu können?
Millionen haben inzwischen existenzielle Probleme
Sehenden Auges haben es diverse Regierungen seit vielen Jahren dahin kommen lassen, dass mittlerweile Millionen kaum noch eine Möglichkeit sehen, ihre Existenz zu sichern – nach bereits Jahrzehnte anhaltendem Anstieg der Mieten in für viele nicht mehr bezahlbare Höhen und völliger Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus mit allen Folgen einer Verarmung vieler, die man zynisch damit glaubte, damit trösten zu dürfen, dass sie in ihrer relativen Armut doch noch gar keinen Begriff davon haben, was sie als "absolute" bedeuten würde.
Als ob nicht, nach einschlägiger historischer Erfahrung, relative, aber massenhafte Verarmung völlig dazu ausreichen würde, in weiten Teilen der Gesellschaft Sympathien mit autoritären Lösungen auf den Plan zu rufen.
Wohlgemerkt: mit Lösungen, die keine sind, sondern nur in ein politisches Desaster münden können. Allerdings ist weithin keine sogenannte Aufarbeitung oder gar Bewältigung unserer Vergangenheit so durchgreifend wirksam geworden, dass man es wagen dürfte, sich auf ein entsprechendes historisches Lernen zu verlassen.
Statt wenigstens noch die versprochenen 400.000 neuen Wohnungen zu bauen bzw. zu fördern, fällt der Staat dennoch jedes Jahr noch weiter hinter seine elementaren sozialen Aufgaben zurück.
Womöglich ist es jetzt schon zu spät, um noch umzusteuern. Denn selbst denen, die bis in jüngster Vergangenheit Rücklagen bilden konnten, geht finanziell die Luft aus. Zumal wenn sie zu den Unglücklichen zählen, die nicht in den Genuss eines gänzlich unverdienten Erbes gelangen werden und anachronistisch glauben müssen, sich durch ihre eigene Arbeit ihr Leben verdienen zu können – eine bezahlbare Bleibe im Kontext einer leidlich funktionierenden städtischen Infrastruktur eingeschlossen (In den Augen vieler Besserverdienenden offenbar eine allenfalls bemitleidenswerte Naivität.)
Mag sein: Man beklagt sich auf hohem Niveau (über die Inflation, Materialkosten, Zinsen, fehlende Handwerker etc.). Doch dahinter verbirgt sich ein weit größeres Problem.
Genauer: es wird kaschiert und von denen, die es anzugehen hätten, energisch abgelenkt. Gemeint ist die Vernachlässigung der elementarsten sozialen Aufgaben, die ein Staat hat, der darauf angewiesen ist, in den Augen der Bürger als legitim gelten zu dürfen (Glücklicherweise ist das noch so. Aber dabei muss es keineswegs bleiben).
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