Der Schmusekurs der EU mit Iran muss ein Ende finden

Seite 6: Schwache gespaltene Opposition

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Das Glück des Regimes besteht darin, dass bis heute weder im Inland noch im Ausland eine starke Opposition existiert. Im Inland lässt das Regime dies nicht zu, im Ausland ist die Opposition gespalten. Kleine Schritte in Richtung einer Annäherung sind im Gange.

Die iranische Opposition könnte sich auf einige Punkte einigen und koalieren. Es wäre eine Einigung über eine Roadmap, auf Menschenrechte, die Gleichberechtigung aller Bürger ohne Rücksicht auf Geschlecht und Religion, die Trennung von Religion und Politik, Legitimität der wichtigen Staatsämter durch freie Wahlen und eine Verpflichtung zur friedlichen Austragung des Dissenses denkbar. Noch ist kein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Aber auch die Opposition kann mit Protestwellen wachsen.

Der US-Politologe Samuel P. Huntington (1927-2008) geht von der Annahme aus, dass die Revolution in Gesellschaften stattfindet, die einerseits Zeuge der aktiven politischen Partizipation und Mobilisierung von Gruppen sind, die zuvor politisch nicht existent waren bzw. ignoriert und unterdrückt wurden, und in denen es andererseits an notwendigen politischen Institutionen zur Teilnahme dieser Gruppen an Macht und Politik fehlt.

Die Unterdrückten

Heute erlebt der Iran mehr denn je das Wachstum und die Expansion solcher Gruppen, die bislang keine Rolle an der politischen Willensbildung haben durften und stark unterdrückt wurden. Vierzig Jahre andauernde und zunehmende Unterdrückung der politischen und zivilen Institutionen durch die Islamische Republik haben insbesondere der iranischen Jugend keine Möglichkeit für politische, soziale und kulturelle Partizipation geboten.

Es gibt kein anderes institutionelles Element als Wahlen, die tatsächlich zu einer Chance für die Mullahs geworden sind, um sich auf dem internationalen Paket als legitim zu präsentieren. Irans Bevölkerung ist seit Mai 2017 (Wiederwahl von Hassan Rohani) maßlos enttäuscht und hat Wahlen als Farce erkannt. Der Mai letzten Jahres war die letzte Chance für die Reformer zu beweisen, dass sie nicht Teil des Taqiyya-Regimes sind.

Mit einem rauschenden Fest hatten die Wähler, die nun gegen das ganze Regime auf die Barrikaden gehen, die Wiederwahl Rohanis gefeiert; spektakulär gefeiert wurde in Mashhad, dem Hauptsitz des Rohani-Herausforderers Ebrahim Raisi.

Der Autor dieser Zeilen hat im Vorfeld der Wiederwahl Rohanis im Mai 2017 in einem Artikel in der Tagespost am 17. Mai. 2017 geschrieben:

So oder so, der Gewinner wird am Ende "Nezam" (das Regime) sein, ob mit etwas unbequemeren "Reformern" oder mit liebsamen Konservativen. Die Mullahs selbst rühmen sich als Sicherheitsgarant des Volkes, ängstigen die Iraner mit dem Schicksal Iraks und Syriens und schüren ihre Angst vor dem Islamischen Staat (IS). Noch ist der Iran in der unruhigen Gegend der sicherste Staat. Die Propaganda - zu Recht oder Unrecht - wirkt.

Behrouz Khosrozadeh

In dem Artikel fügte der Autor hinzu: "Mit Raisi als Präsident müssen die Iraner sich warm anziehen. Mit Rohani reicht es nicht für einen halbwegs demokratischen Wandel. Der Teufelskreis wird weitergehen, in dem jedes Mal ein Hardliner als Vogelscheuche einem 'Reformer' gegenübergestellt wird. Die Iraner müssen sich neben den Wahlen einer neuen bisher kaum beachteten Herausforderung stellen. Die Stärkung und Vernetzung verschiedener zivilgesellschaftlicher Verbände stand bisher nicht auf dem Plan."

Khatami: "Hundert Jahre zurückgeworfen"

Anhaltende Unruhen der gedemütigten verarmten und betrogenen Masse werden zwangsläufig in eine massive soziale Revolte bzw. zu einer massiven sozialen Revolution führen. Wenn die Protestierenden und Demonstranten aus verschiedenen Zünften es schaffen, sich zu vernetzen und zusammenzuschweißen, dann ist das Ende der Ära der Tyrannen-Republik besiegelt.

Vor ein paar Tagen hat der Ex-Reformpräsident Mohammad Khatami bei einer Rede konstatiert: "Wir sind hundert Jahre zurückgeworfen worden, was Gerechtigkeit und Demokratie anbelangt. Die Prävalenz der Korruption ist eines der Probleme, dass Reformer und Konservative bzw. Hardliner umfasst und da gibt es keinen Unterschied."

Noch zu Beginn des Jahres und während der landesweiten Demonstrationen hatte er sich voll hinter Ayatollah Khamenei gestellt und Amerika, Israel und Saudi-Arabien sowie ihre iranischen Handlanger, die Volksmujahedin, als Urheber des Volkszorns geortet. Auch die Zeiten der sogenannten Reformer, auf die etliche hiesige deutsche Experten setzen und setzen, sind vorbei.

Ein herber Rückschlag musste Teheran hinnehmen, als das kanadische Parlament im Juni die iranischen Revolutionswächter auf die Liste der Terrororganisationen setzte. Der Westen, mithin die Europäer, könnten meiner Auffassung nach den Iranern helfen, ihr Land zurückzubekommen und die vierzigjährige Herrschaft einer nach meiner Meinung der übelsten (religiösen) Diktaturen im Altkulturland und einer der Wiegen der Zivilisation zu beenden.