Der biologische Krieg könnte zuerst in der Landwirtschaft stattfinden
Die Maul-und-Klauen-Seuche in Großbritannien hat deutlich gemacht, was die Zukunft bereit halten könnte
Wenn man von den Risiken spricht, die von biologischen Waffen ausgehen können, denkt man zunächst vornehmlich an durch Züchtung oder Gentechnik scharf gemachte Erreger, die den Menschen selbst unmittelbar gefährlich werden können. Sieht man aber auf die Geschichte des biologischen Krieges, dann wird man nicht nur feststellen, dass der biologische Krieg gegen Nutzpflanzen und -tiere immer schon im Vordergrund stand, sondern auch, dass eine der ersten Waffen, die in den Labors gezüchtet worden sind, just der Erreger der Seuche ist, von der Großbritannien noch immer nicht ganz erlöst ist und die zumindest in Ansätzen demonstriert, welches Ausmaß ein gezielter Anschlag mit biologischen Waffen auf Tiere oder Nutzpflanzen haben könnte.
Zuerst der Rinderwahnsinn und anschließend vor allem der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Großbritannien, die sich dort blitzartig verbreitet hatte und auch auf andere Länder übergesprungen ist, haben eindringlich demonstriert, wie gefährlich ein absichtlich als biologische Waffe ausgesetzter Erreger mit einer vergleichbaren Verbreitungsgeschwindigkeit sein könnte. Dabei müssen keine Menschen direkt sterben, aber es entstehen große volkwirtschaftliche Belastungen, die noch lange nachwirken können. Allein die direkten Kosten, die durch das Töten und Beseitigen von Millionen von Tieren, die Desinfizierung der Höfe, die Zoll- und Grenzkontrollen u.a. entstehen, sind erheblich.
Anders als bei einem etwaigen Versuch, Menschen mit Krankheitserregern zu infizieren, ist dies bei Tieren und Pflanzen in der Landwirtschaft wesentlich einfacher und für die Täter auch ungefährlicher. Hier gibt es kaum Schutzmaßnahmen - und dank intensiven Bewirtschaft, vor allem aber der Massentierhaltung, könnten mit einem ansteckenden Erreger wie der Maul- und Klauenseuche schnell große Wirkungen erzielt werden. Betriebe, die mehrere Hundert Rinder, mehrere Hunderttausend Schweine oder Millionen von Hühnern halten, sind keine Seltenheit mehr. In den USA gibt es Farmen, auf denen Hunderttausende Rinder gehalten werden: ein idealer Ort zur Auslösung einer Epidemie. Möglicherweise würde schon die erfolgreiche Infizierung eines Tieres reichen, um etwa eine Maul- und Klauen-Seuche zu bewirken, die auch dank der vielen Tiertransporte nicht mehr zu stoppen ist.
Vermutungen wurden geäußert, dass der Erreger durch den illegalen Import von Fleisch aus Asien nach Großbritannien eingeführt worden sein könnte. Schuld daran seien asiatische Restaurants. Überreste wurden dann an britische Schweine gefüttert. Einigen Betrieben war dies seinerzeit noch gestattet. Aber unabhängig von der wirklichen Ursache hätte ja vielleicht auch genügt, ein paar Schafe, Schweine oder Rinder zu infizieren, indem man ihnen Erreger unters Fressen mischt, um eine Seuche auszulösen ....
Seit den Terroranschlägen im September und der drohenden Vergeltung wird wieder die Angst vor Anschlägen mit Biowaffen geschürt (Biopanik). Wirklich aufgeflammt ist sie während des Golfkriegs und danach vorwiegend in den USA, nachdem man entdeckte, dass der Irak ein großes Aufrüstungsprogramm für biologische Waffen betrieb, aber auch als deutlich wurde, dass nach Berichten von Kanatjan Alibekov, Direktor von Biopreparat, in der ehemaligen Sowjetunion noch lange an gefährlichen Pathogenen geforscht worden ist. Seitdem besteht die Angst, dass die militärische Überlegenheit der USA feindliche Staaten und Terroristen zum Einsatz "asymmetrischer" Waffen treiben könnte.
Experimente mit biologischen Waffen durch die AUM-Sekte
Bislang haben auch die blutrünstigsten Machthaber biologische Waffen nur höchst zurückhaltend eingesetzt, weil sie erstens schwer effektiv zu verbreiten sind und sie zweitens auch die eigene Bevölkerung in Gefahr bringen könnten. Und dass Sekten wie die japanische AUM bislang nicht erfolgreich waren, die nicht nur den Anschlag auf die U-Bahn mit dem Giftgas Sarin durchgeführt hat, sondern auch mit biologischen Waffen experimentiert haben, sollte nicht dazu verleiten, dass dies so bleiben wird. hinsichtlich der Wirksamkeit mit MKS vergleichbar für die Menschen wären vielleicht die Pocken. Seit Ende der 70er Jahre sind sie offiziell für ausgestorben erklärt worden, Proben gibt es offiziell nur noch in Russland (Biopreparat in Nowosibirsk) und den USA (CDC in Atlanta), die noch nicht vernichtet wurden. Würde eine erneute Epidemie ausbrechen, so wären jetzt die Menschen nicht mehr geschützt und gäbe es zu wenig Impfstoffe, um wirklich die Ausbreitung verhindern zu können.
Allerdings hat AUM gezeigt, dass es für eine Terroristengruppe auch mit ausreichend Geld, Einsatzbereitschaft und Experten nicht einfach ist, biologische Waffen herzustellen und einzusetzen. Die Sekte wollte mit Botulinus und Milzbrand große Menschenmengen töten. 1993 versuchte die Sekte, von einem achtstöckigen Gebäude in Tokio Milzbrandsporen zu versprühen, ohne dass daran jemand erkrankte. Botulinus-Toxin wurde auf Straßen in der Nähe von zwei amerikanischen Luftwaffenstützpunkten versprüht. Man nimmt aber an, dass die Sekte einen falschen Stamm von C. botulinum gezüchtet und eingesetzt hatte. Vergeblich suchte man in Zaire an Ebola-Viren heranzukommen. Die Sekte hatte auch 500.000 Hektar Grund in Australien gekauft, um dort Experimente durchzuführen. Auch aus diesem Scheitern könnten Nachahmer nicht unbedingt davon überzeugt werden, dass solche Anschläge vergeblich sind, sondern dass sie auf andere Ziele gelenkt werden, beispielsweise auf Tiere.
AUM steht aber nicht alleine für die Bereitschaft, biologische Erreger einzusetzen. 1984 züchtete bereits die Bagwan-Sekte in Oregon in einem biologischen Labor mehrere Krankheitserreger, darunter auch Salmonella typhirium, und brachte sie in Salatsaucen von 10 großen Restaurants. Ziel des Anschlags war, möglichst viele Wähler im County außer Kraft zu setzen, um die Chancen für die eigenen Kandidaten zu vergrößern. Über 700 Menschen erkrankten an Salmonellen. Bestellt hatte die Sekte die Erreger bei der Sammelstelle American Tissue Type Culture (ATTC) die auch später wieder ins Gerede kam, weil sie 1995 Milzbrand-Proben in den Irak und Pesterreger an den rechtsradikalen Larry Harris in Ohio geliefert hatte, der 1998 mit einer Probe von Milzbranderregern festgenommen wurde. Weltweit gibt es Hunderte solcher Sammelstellen, die Proben vieler Erreger verkaufen - mitunter auch über das Internet. Ein Nachweis, dass man sie für Forschungszwecke benötigt, ist oft nicht einmal erforderlich.
Wer ist schuld an der Maul-und-Klauen-Seuche?
Würde man für Verschwörungstheorien empfänglich sein, so hätte man eine zeitlich möglicherweise naheliegende Verbindung zwischen der erneuten Bombardierung britischer und amerikanischer Kampfflugzeuge von irakischen Luftabwehranlagen am 16. Februar und dem Beginn der Maul-und-Klauen-Seuche am 19. Februar in Großbritannien herstellen können. Der panasiatische Virus wurde zuerst, wie die FAO berichtet, 1990 in Indien festgestellt. Seitdem hat er sich "erfolgreich" über den Nahen Osten bis nach Europa, aber auch nach Korea, Japan, China und Taiwan verbreitet und findet sich bei Schafen, Schweinen, Rindern, Rehen, Büffeln, Kamelen, Ziegen und Antilopen. Im Irak ist dieser Virus ab 1996-97 aufgetreten.
Bekannt ist, dass im Irak nicht nur biologische Waffen gegen Menschen wie Botulinus, Pest oder Milzbrand entwickelt wurden, sondern auch solche, die gegen Tiere und Pflanzen gerichtet waren. Hergestellt hat man beispielsweise große Mengen von Aflatoxin, einem bakteriellen Pflanzengift, das man in Bomben einfüllen kann, um sie über Weizenfelder abzuwerfen, aber auch Kamelpocken. Kultiviert wurden überdies die Erreger der Maul-und-Klauen-Seuche, die zum Standardrepertoire biologischer Waffen gehört, weil sie sich so schnell verbreiten kann. Schwierig ist dabei immer festzustellen, ob an solchen Erregern zur Abwehr von Epidemien geforscht wird oder ob es sich um Forschung zur Entwicklung biologischer Waffen handelt (Streit um die Wiederinbetriebnahme eines Labors für die Maul-und-Klauenseuche im Irak).
Die Grenzen sind schon bei der Herstellung von Erregern fließend, was alles sehr schwierig macht. Schließlich lassen sich beispielsweise Impfstoffe im vorgeblichen Rahmen einer Defensivforschung nicht nur bei einem feindlichen Angriff verwenden, sondern auch als Schutz der eigenen Truppen, wenn diese selbst eine biologische Waffe gebrauchen. Schwierig kann es auch sein festzustellen, ob es sich tatsächlich um einen Anschlag oder um eine anderweitig ausgebrochene Epidemie handelt. Zum Beispiel kann aufgrund neuartiger Erreger, die bislang in einer Region nicht vorkamen, nicht schon auf einen Anschlag zurückschließen. Die Globalisierung der Verkehrsströme eröffnet Krankheitserregern eine schnelle geographische Verbreitung, die Veränderung von ökologischen Nischen durch Umweltzerstörung oder landwirtschaftliche Erschließung kann dazu führen, dass Erreger sich neue Wirte suchen. Das amerikanische Center for Disease Control and Prevention sagt, dass 80 Prozent der Erkrankungen durch Lebensmittel auf Viren oder andere Pathogene zurückgehen, die noch nicht identifiziert werden konnten. Kann man also mit überzeugender Sicherheit ausschließen, dass der Ausbruch der MKS in Großbritannien nicht auch auf die geplante Infizierung von Tieren zurückgeführt werden könnte?
Epidemien lassen sich schon seit jeher, aber besonders seit dem Aufstieg der Bio- und Gentechnik immer auch anders sehen. Die für Epidemien zuständigen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben daher auf ihrer Website eine Rubrik, die über Gerüchte aufzuklären sucht. Wie schnell ein Konglomerat aus Bedrohung, Gerüchten, Geheimhaltungsstrategien und Bekämpfung zu schwierigen Situationen führen kann, hat das sogenannte Golfkriegssyndrom gezeigt. Noch 1998 weigerten sich viele Angehörige des US-Militärs, sich gegen Milzbrand impfen zu lassen. Viele Geimpfte behaupteten, bei ihnen sei es durch die Impfung zu gesundheitlichen Probleme gekommen, Gruppen wie die Citizen Soldier warnten vor der Impfung, weil man sie als Vorbereitung für einen biologischen Krieg betrachtete, während Gruppen aus dem rechten Spektrum fürchteten, die US-Regierung wolle die Truppen dadurch schwächen. Das alles weist nicht nur auf die latente Angst hin, die bereits besteht, sondern auch auf die Schwierigkeiten, die entstehen würden, wenn eine gefährliche Seuche ausbricht und Massenimpfungen notwendig werden sollten.
Im Fall der MKS im Irak wurde den USA vorgeworfen, sie hätten 1999, als ein erneuter, landesweiter Ausbruch sich ereignete, die MKS in den Irak als biologische Waffe verbreitet. Der CIA wird daran eine indirekte Schuld zugesprochen. Die UN-Waffeninspektoren der UNSCOM, die von der CIA infiltriert worden seien, hätten 1993 das Labor in Al Manal zerstört, in dem Impfmittel gegen MKS hergestellt worden seien. Hier hätte man soviel Impfstoff produzieren können, dass die Bauern drei Mal im Jahr ihre Tiere impfen konnten. Die Anlage wurde von der UNSCOM demontiert, weil man den Verdacht hatte, dass hier biologische Waffen hergestellt worden sind. Schon daraus lässt sich erkennen, dass biologische Waffen - darin gleichen sie dem vielbeschworenen Infowar - auch schon allein in Form von Gerüchten zu Verunsicherungen führen können. So hatte Cuba 1997 sich an die UN gewandt und die USA beschuldigt, biologische Waffen eingesetzt zu haben, die man mit einem Flugzeug versprüht hatte. Ein Jahr darauf hat ein Wissenschaftler aus Florida wiederum Kuba beschuldigt, biologische Waffen verwendet zu haben. Das CIA konnte diese Behauptung zwar nicht bestätigen, hat sich aber gerne darum kümmert, um der Kritik aus Kuba zu begegnen.
Eine kurze Geschichte der Biowaffen
Die Geschichte der biologischen Waffen, die gegen Tiere und Pflanzen des Gegners eingesetzt und entwickelt wurden, geht weit zurück. Die Vergiftung von Brunnen mit Trinkwasser durch Kadaver ist beispielsweise eine alte Strategie. Einen ersten Höhepunkt des biologischen Krieges gab es im 14. Jahrhundert, ab dem 20. Jahrhundert und dem Ersten Weltkrieg beginnt eine neue Entwicklung, die mit den Erkenntnissen der Genforschung und den Mitteln der Gentechnik in unserem Jahrhundert vermutlich erst wirklich durchschlagen wird, wenn nicht schnell und umfassend ein weltweit anerkanntes und effektiv überwachbares Abkommen zustande kommt, dass die Herstellung, Lagerung und Verwendung von biologischen Mitteln verbietet.
Man nimmt auch an, dass die Pest in Europa durch eine perfiden Anschlag eingeführt worden sein könnte, zumindest hat er die Verbreitung in der frühen Zeit der Globalisierung beschleunigt. Bis Anfang des 14. Jahrhunderts hatte sich die Pest nur in Asien ausgebreitet, die ursprünglich vermutlich bei Murmeltieren im heutigen Turkestan endemisch war und offensichtlich auf die dort lebenden Nomaden nicht übergesprungen ist. Durch irgendwelche Störungen der Ökologie, sei es durch Erdbeben oder durch soziale Veränderungen, begann sich die Seuche dann auch auf die Ratten und die Menschen auszubreiten. Die "Globalisierung" hatte, wie heute auch, einen entscheidenden Anteil, denn mit den Waren, Tieren und Kaufleuten zogen auch die Erreger mit. Zumindest ging durch die Region der von der Pest heimgesuchten Nager die große Seidenstraße, die China mit Europa verband und auf der der Verkehr immer stärker zugenommen hat. Entlang der Straßen entstanden Posten und Städte - und anscheinend waren die sesshaften und dicht beieinander wohnenden Stadtbewohner auch anfälliger für die Pest als die Nomaden.
Im 14. Jahrhundert hatten Tartaren den von den Genuesen 1266 gegründeten Schwarzmeerhaften Kaffa (heute: Theodosia), eine Stadt an der Seidenstraße belagert. Janiberg, der Anführer der sogenannten Goldenen Horde, ließ dann einige Leichname mit dem Pesterreger über die Stadtmauern katapultieren. Auch wenn die Bewohnern die infizierten Körper sofort ins Meer warfen, breitete sich die Pest aus. Auf Schiffen kamen Menschen und vermutlich Ratten aus der Stadt in das große Handelsnetz der Genuesen und brachten so den Schwarzen Tod nach Italien und schließlich nach ganz Europa. Man geht davon aus, dass um 1420 die Bevölkerung Westeuropas auf ein Drittel der der Menschen zurückgegangen ist, die 100 Jahre zuvor hier gelebt hatten. In Städten und Dörfern starben bis zu 80 Prozent der Einwohner am Schwarzen Tod. Wie immer, wenn es sich um Seuchen handelt, entstanden auch Gerüchte über die Herkunft. So wurden etwa Juden in Europa oder Andersgläubige im Osmanischen Reich für die Pest verantwortlich gemacht und verfolgt.
Im Ersten Weltkrieg, dem Einsatzort vieler Neuerungen und auch der Kriegsführung mit chemischen Waffen, versuchten die Deutschen mit Milzbrandsporen und Rotz gegen die Zugtiere, Reitpferde und der Ernährung dienenden Tiere der Alliierten vorzugehen, um den Transport und die Versorgung der Truppen zu stören. Geforscht wurde auch mit Ricin, ein sehr giftiges in der Kastorbohne vorkommendes Protein. Jüngst wurde bei der Ausstellung "Schwarzer Tod und Amikäfer" ein milzbrandverseuchtes Zuckerstück gezeigt, dass russische Soldaten bei einem finnischen Agenten gefunden hatten. Auch wenn man nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Genfer Abkommen von 1925 die Verwendung von chemischen und biologischen Waffen im Krieg zu ächten suchte, hatte die Geschichte der bewussten Verwendung von Bakterien, Viren, Pilzen und anderen Erregern und Toxinen erst begonnen..
Im Zweiten Weltkrieg experimentierte man, auch noch nach Hitlers explizitem Verbot 1942, vornehmlich mit MKS sowie mit Kartoffelkäfern und anderen Schädlingen. Es wurden auch Feldversuche in Russland unternommen, bei denen von einem Flugzeug aus der MKS-Erreger über Rinder und Rentiere versprüht wurden - angeblich mit großem Erfolg. Die Kartoffelkäfer wurden über einem Feld bei Speyer verteilt. Auch die Franzosen waren an der Entwicklung biologischer Waffen interessiert und konzentrierten sich neben dem Erreger von Rinderpest vornehmlich auf Kartoffelkäfer. Japan experimentierte nicht nur mit biologischen Waffen wie Cholera, Pest oder Typhus gegen Menschen in China, sondern untersuchten die Einsatzmöglichkeiten von Pilzen, Bakterien und anderen Schädlingen an Getreide und Gemüse in der Mandschurei und in Sibirien. Zwischen 1940 und 1941 verteilte man aus der Luft auch Anthrax, infizierte Weizenkörner und Baumwollsamen.
In Großbritannien hatte das Microbiology Warfare Committee schon 1937 den ersten Bericht über den Einsatz von Milzbrand und MKS fertiggestellt. Unter anderem wurden 5 Millionen Kekse mit Anthrax für Kühe hergestellt, die man mit dem Flugzeug verbreiten wollte. Vermutlich gab es hier die größten Forschungsanstrengungen zu Mitteln, die man gegen Nutzpflanzen einsetzen kann. Eine zu Übungszwecken Anfang der 40er Jahre mit Milzbranderregern verseuchte Insel ist heute noch immer kontaminiert. Auch die Amerikaner entwickelten schon im Zweiten Weltkrieg einige biologische Waffen wie Pilze gegen Weizen, die Rinderpest und immer wieder natürlich MKS. Gegen Ende des Krieges erwogen die Amerikaner sogar, ein Pilz einzusetzen, um japanische Reisfelder zu vernichten, kamen aber davon wieder ab. Neben der USA hat nach dem Weltkrieg vornehmlich die Sowjetunion die Entwicklung von biologischen Waffen auch gegen Pflanzen und Tiere weiter getrieben. In den USA wurden auch mehrere Freilandversuche mit Infektionserregern durchgeführt und Bomben, Sprühgeräte oder Unterwasserminen entwickelt, um die Erreger freizusetzen. 1969 wurde dann durch Präsident Nixon die Forschung an biologischen Waffen eingestellt, nicht aber die Entwicklung von Defensivwaffen.
In der Sowjetunion hielt man aber weiter an der Forschung fest, wo sich auch 1979 ein Unfall in einem Rüstungsbetrieb in Jekaterinburg mit Milzbrand-Sporen ereignete. Dass der Erreger aus dem Biowaffen-Labor stammte, zeigte sich unter anderem an dem Todesstreifen, der sich aufgrund der vorherrschenden Windrichtung ergab und in dem Menschen und Tiere erkrankten und starben. Es handelte sich, wie man später herausfand, um vier verschiedene Bakterienstämme, die gegenüber Antibiotika resistent waren. Milzbrand ist deswegen so beliebt, weil sich die getrockneten Sporen, abgeschirmt vom Sonnenlicht, gut bis zu 100 Jahren einsatzbereit vorrätig halten lassen.
In der Sowjetunion haben viele Tausende von Wissenschaftler über viele Jahre hinweg an Hunderten von Erregern geforscht, um sie zu effektiven Biowaffen heranzuzüchten. Zwar wurde die Forschung offiziell eingestellt, aber es ist weiterhin unbekannt, ob sie nicht geheim von den Militärs weiter betrieben wird, ob nicht "scharf" gemacht Erreger an Interessierte verkauft wurden und ob nicht manche der arbeitslos gewordenen Wissenschaftler ihr Wissen gegen gute Bezahlung anderen Staaten oder Organisationen zur Verfügung stellen. Im Forschungszentrum für Virologie und Biotechnologie in Nowosibirsk hatte man nicht nur Pocken, Ebola, Marburg oder Lassa erforscht und zu Biowaffen zu entwickeln versucht, hier sollen auch jetzt noch unter sehr unsicheren Bedingungen mehr als 20.000 unterschiedliche Viren- und Bakterienproben lagern. Wahrscheinlich wurde in der Sowjetunion auch das umfangreichste Forschungsprogramm zur Entwicklung von biologischen Waffen gegen Pflanzen und Tiere durchgeführt. Bekannt ist, dass man mit MKS, Rinderpest, dem Afrikanischen Schweinefieber oder der Vogelinfluenza experimentiert hat. So hatte man erfolgreich beispielsweise MKS durch Zecken übertragen oder Insekten einsetzen können, um Pathogene auf Pflanzen zu bringen.
Die schwarze Biologie
Mit den heute vorhandenen gentechnischen Mitteln lassen sich Viren oder Bakterien wahrscheinlich noch weitaus gefährlicher und unbehandelbarer machen als bislang. Die "Schwarze Biologie" hat erst begonnen. Grundlage für sie ist die weitere Sequenzierung des Genoms von Erregern. Veröffentlicht wurden bereits die Genome etwa von Vibrio cholerae oder den Bakterien, die Milzbrand, Pest oder Typhus verursachen. Der Molekularbiologie Steven Block, Mitglied der Gruppe JASON, die die US-Regierung in wissenschaftlichen Fragen berät, schrieb in American Scientist: "Bakterien und Viren können jetzt so hergestellt werden, dass sie sich qualitativ von herkömmlichen Biowaffen unterscheiden. Aus der Perspektive der Biowaffen gehört dazu, dass man sie mit "erwünschten" Eigenschaften wie eine sicherere Handhabung, höhere Virulenz, verbesserte Angriffsmöglichkeiten auf den Wirt, schwierigere Identifizierbarkeit und leichtere Verteilung ausstatten kann." So könne man "binäre" Biowaffen entwickeln, die nur dann tödlich wirken, wenn die beiden Komponenten zusammenkommen. Es ließen gezielte Abänderungen von Genen oder Organismen herstellen. Und wenn man für die Gentherapie einen guten Vektor entwickelt hat, um Gene in den Körper gezielt einzuführen, ließe sich das auch für das Einbringen von pathogenen Genen benutzen. Möglich wäre es, "Stealth-Viren" zu erzeugen, mit denen man die Ziele infiziert, die Infektion aber erst ausbricht, wenn ein Auslöser aktiviert wird. Und natürlich könnte man nicht nur Organismen verändern, sondern auch neue Krankheiten schaffen.
Dass die "Schwarze Biologie" nicht erst in der Zukunft wartet, haben australische Wissenschaftler zu Beginn des Jahres gezeigt. Eigentlich hatten Ron Jackson und Ian Ramshaw nur versucht, einen Virus genetisch zu verändern, um ein Mittel gegen die Vermehrung von Mäusen herzustellen. Die überraschende Folge war, dass daraufhin das Immunsystem der Mäuse außer Kraft gesetzt wurde. Dazu führten sie in ein Mäusepockenvirus, eine normalerweise leichte Infektionskrankheit, die Schwellungen und Nekrosen der Pfoten hervorruft, ein Gen ein, das für die Produktion von großen Mengen an Interleukin 4 verantwortlich ist. Interleukin 4 ist ein Cytokin, das T-Helferzellen anregt, die wiederum die Immunantwort des Körpers stimulieren. Der Virus war lediglich das Vehikel, um die in ihm enthaltenen Proteine in den Körper einzuschleusen, um die Antikörperreaktion auszulösen. Doch das genveränderte Virus führte dazu, dass die zellvermittelte Immunreaktion, d.h. der Angriff von T-Zellen auf infizierte Zellen völlig unterdrückt wurde. Ganz ähnlich ließen sich auch Pockenviren zu tödlichen Biowaffen umbauen, warnen die Wissenschaftler (Tödliche Biowaffe).
Natürlich sind im Zeitalter der Globalisierung und der Massentierhaltung keine Biowaffen-Anschläge notwendig, um Tierseuchen auszulösen. Die MKS ist nicht nur eine der ansteckendsten Infektionen, sondern es gibt sie auch immer irgendwo. Das trifft etwa auch auf das Schweinefieber zu, wegen dem in Holland erst 1997 10 Millionen Schweine getötet wurden. Aber der Einsatz von Biowaffen könnte auch ganz anders beginnen, beispielsweise als Kampf gegen den Anbau von Pflanzen, die zur Gewinnung von Rauschmitteln dienen. Und hier ist man schon ziemlich weit gekommen, im Rahmen (oder unter dem Deckmantel) der Verbrechensbekämpfung Biowaffen zu verwenden und damit das sowieso nur als Papiertiger geltende Abkommen über das Verbot von biologischen Waffen, schon bevor es möglicherweise noch dieses Jahr durch ein Protokoll über Kontrollmechanismen ergänzt wird, auszuhebeln.
Ganz "offiziell" hatten die USA auf der Grundlage von Forschungsergebnissen der ehemaligen Sowjetunion durch ein großes Hilfspaket die kolumbianische Regierung zu "überzeugen" versucht, mit einem Pilz gegen Kokapflanzen vorzugehen. Auf Initiative Washingtons wurde die Forschung an dem Pilz Fusarium ocysporum sogar auch vom UN-Programm zur Drogenkontrolle (UNDCP) gefördert. Freilich wird in diesem Zusammenhang nicht von Biowaffen gesprochen, sondern von "green agents", gleichwohl sind auch hier die Grenzen zwischen Biowaffen und Pflanzenvernichtung fließend. Vorerst hat die kolumbianische Regierung vor allem aufgrund des Drucks der Nachbarländer beschlossen, das Versprühen des Pilzes zu unterlassen (Drogenbekämpfung oder biologischer Krieg?).
Dringend erforderlich wäre jetzt, das "Abkommen zum Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer Waffen" aus dem Jahr 1972 endlich durch Kontrollmechanismen zu ergänzen. Eine der Maßnahmen, die in jahrelangen Verhandlungen geplant sind, ist die internationale Untersuchung von "verdächtigen" Seuchenausbrüchen, die ein Ergebnis einer Angriffs mit biologischen Waffen oder eines Unfalls in einem Biowaffen-Labor sein könnten. Jedes Jahr gibt es Tausende von Epidemien, die Menschen, Tiere und Pflanzen befallen. Vor allem aufgrund der Bedenken der US-Regierung sind die Verhandlungen unlängst wieder einmal gescheitert (Sieg der Rüstungsindustrie).
Allerdings wäre auch mit einem solchen Zusatzprotokoll das Problem weiterhin nicht aus der Welt zu schaffen, wenn ein Anschlag keine verdächtigen Indizien hinterlässt, also beispielsweise die Erreger durchaus natürlich vorkommen könnten und genetisch nicht verändert sind. Die britische MKS-Epidemie hätte so theoretisch beides sein können: Folge eines Anschlags oder selbstverschuldetes Auslösen einer Epidemie. Im Zeitalter der Biologie sind bösartige Viren Waffen, die auch fahrlässig zur Anwendung kommen können. Das größte Problem ist, dass ebenso wie die Mittel in der Computertechnik die für die Biotechnik eingesetzten Anlagen, Verfahren und Materialien stets für einen "dualen Gebrauch" geeignet sind. Jedes Labor kann auch ein Produktionsort für Biowaffen sein. Wenn man nicht direkt einzelne Kühe oder Tiere auf einer Farm infiziert, könnten die Wirkstoffe mit Sprühflugzeugen oder anderen Sprühern, wie sie in der Landwirtschaft üblich sind, relativ unauffällig verbreitet werden. Und die Kampfstoffe sind natürlich vorkommende Organismen.