Deutsche Gaspolitik verschärft Schuldenkrise

Heiß begehrt: LNG-Schiffe transportieren Flüssiggas über die Weltmeere, um die Gaslücke aufgrund des Boykotts russischer Lieferungen auszugleichen. Bild: Ken Hodge / CC BY 2.0

Energie und Klima – kompakt, Teil 1: Rodungen in der Nachbarschaft Lützeraths, der grüne Abschied vom Klimaschutz und die Auswirkungen deutscher LNG-Einkäufe auf ärmere Länder.

Kaum hatte der grüne Parteitag am Wochenende – Telepolis berichtete – den Deal mit RWE abgesegnet, den Robert Habeck Anfang des Monats eingefädelt hatte, begannen am gestrigen Montag Abrissarbeiten und Rodungen am rheinländischen Tagebau Garzweiler 2, wie die Initiative Kirche im Dorf lassen auf ihrer Webseite und auf Twitter berichtet. Betroffen ist zunächst noch nicht Lützerath, aber das unmittelbar südlich gelegene Immerath.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger berichtete auf Twitter, dass Journalisten von RWE-Wachmännern an der Beobachtung der Vorgänge gehindert wurden. In Lützerath gibt es derweil ein großes Protestcamp, und es sieht ganz danach aus, dass dort Klimaschützer demnächst massiven Polizeieinsätzen gegenüber stehen werden, die RWEs Ansprüche mit dem Segen grüner Landes- und Bundesminister durchsetzen sollen.

Deren Partei mag auf ihrem Parteitag am Wochenende wohlklingende Resolutionen mit einem formalen Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel der Pariser Klimaübereinkunft verabschiedet haben. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Deutschland viel zu viele Treibhausgasemissionen emittieren wird, sollte die Kohle unter Lützerath noch verbrannt werden. Zudem haben Energie-Ökonominnen und Ökonomen erst im August vorgerechnet, dass die in den Tagebauen Hambach und Garzweiler 2 bereits erschlossenen Braunkohlereserven auch dann reichen – das heißt, ohne dass Lützerath abgebaggert werden muss –, wenn für zwei oder drei Jahre wegen der Gaskrise mehr Braunkohle verbraucht werden müsste.

Doch offenbar ficht das weder den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, noch seine nordrhein-westfälische Partei- und Amtskollegin Mona Neubaur, noch die Mehrheit des Grünen-Parteivolks an. Die Abstimmung über den Änderungsantrag, der ein Moratorium für Lützerath gefordert hat, war zwar sehr knapp und von einer klugen Parteitagsregie erstens chaotisiert und zweitens ganz ans Ende der sich bereits auflösenden Konferenz gelegt worden. Fast 200 Delegierte nahmen an ihr nicht mehr teil. Doch offensichtlich lassen sich derlei grüne Mitglieder inzwischen ohne zu murren gefallen. Lang sind die Zeiten vorbei, da diese Partei eine lebhafte Debattenkultur und Aufmüpfigkeit kultivierte.

Deutschland treibt Gaspreis in die Höhe

Aber kommen wir zur Gaskrise, die derzeit für ein Roll-Back auf allerlei energiepolitischen Feldern herhalten muss. Für die hiesige Öffentlichkeit und vor allem für die Regierungsparteien ist es ganz einfach: Wir wollen kein russisches Gas mehr, wir wollen aber auch an unserem verschwenderischen Wirtschaftsmodell mit unsinniger Plastikproduktion, beheizten Schweineställen mit Tausenden Tieren auf engstem Raum, Mastfutter aus Lateinamerika und dem eifrigen Anzüchten von Antibiotika-Resistenzen festhalten.

Also kaufen wir eben Flüssiggas auf dem Weltmarkt. Dass dieses dort knapp ist und auch Transportkapazitäten nicht beliebig verfügbar sind, geht dabei meist unter. Kümmert offensichtlich keinen, denn schließlich ist Deutschland eine der größten Volkswirtschaften und kann es sich leisten, jeden Preis zu bezahlen.

Notfalls wird dann der Gaspreis im Inland fürs Gewerbe und ein wenig auch für die privaten Verbraucher subventioniert. Natürlich nur grade so viel, dass der Unmut nicht allzu hochkocht. Dass mit einer solchen Politik auch der Weltmarktpreis massiv in die Höhe getrieben wird, scheint niemanden zu interessieren. Auch nicht die Grünen, deren Wirtschaftsminister das alles verantwortet, während sie kein Problem damit haben, am Wochenende auf ihrem Parteitag allerlei blumige Worte über "Klimagerechtigkeit", "1,5-Grad-Pfad" und Ähnliches zu finden.

In Bangladesch wird man sich dafür leider nichts kaufen können. Dort nimmt die heimische Gas-Förderung – ebenso wie übrigens die deutsche – rasch ab. Außerdem gibt es aufgrund der großen Nachfrage auf dem Weltmarkt inzwischen große Schwierigkeiten, langfristige Lieferverträge für Flüssiggas zu bekommen. Aber an den Spotmärkten für den kurzfristigen Bedarf sind die Preise besonders hoch, wie der Energieökonom Aditya Lolla in einer Analyse schreibt. Das Land bekomme jetzt die Folgen seines zu langsamen Ausbaus der erneuerbaren Energieträger zu spüren.

Das ließe sich natürlich auch über Deutschland sagen. Aber vor allem zeigt sich an dem Beispiel, dass sich für Länder wie Bangladesch die Kosten für Energieimporte drastisch erhöhen und das als direkte Folge der deutschen Gaspolitik. Es lässt sich also an weniger als fünf Fingern abzählen, dass sich die Verschuldung vieler ärmerer Länder in der nächsten Zeit erheblich verschlimmern wird, zumal sich auch viele andere elementare Waren wie Düngemittel in Folge der durch die westlichen Sanktionen erzeugten Gaskrise verteuern.

Das setzt die Frage nach der Entschuldung der Entwicklungsländer einmal mehr auf die Tagesordnung, wie sie auch am gestrigen Montag bei einer Aktion im Bundesfinanzministerium von einigen Aktivisten gestellt wurden. Doch dazu mehr im morgigen Teil 2 unseres wöchentlichen Klima- und Energieüberblicks. Außerdem wird es darin dann um die atemberaubende Ignoranz der rheinland-pfälzischen Landesregierung angesichts des Katastrophenschutzes und der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 gehen.

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