Deutschland: Vom Wirtschaftswunder zum Schlusslicht der OECD

Länderschuld mit Aufschrift Deutschland und EU-Sternenkranz, Gar

Deutschland, etwas ramponiert. Bild: Peter Heidelberg, Shutterstock.com

Deutschlands Wirtschaft steckt in der Krise. Die Gründe sind vielfältig: Exportprobleme, Energiekosten und Inflation. Doch ein Faktor wiegt besonders schwer.

Die deutsche Wirtschaft leidet unter einer Vielzahl von Problemen, die sich zu einer handfesten Wirtschaftskrise entwickelt haben. Eine deutliche konjunkturelle Erholung ist für die nächsten Jahre nicht in Sicht. Laut der aktuellen Prognose der OECD ist Deutschland 2025 und 2026 das Schlusslicht unter den Industrieländern mit dem schwächsten Wirtschaftswachstum.

Nach dem coronabedingten Wirtschaftseinbruch 2020 kam es zwar zu einer kurzen Erholung, die allerdings schnell wieder verpuffte. 2023 stagnierte die deutsche Wirtschaft mit einem Minus von 0,1 Prozent.

Auch 2024 kommt es voraussichtlich zu einem Neutragergebnis von null Prozent – was angesichts der aktuellen Minusbilanz in den Medien schon was positiv bewertet wird. In den Folgejahren wird laut OECD die Wachstumsschwäche andauern mit 0,7 Prozent Zuwachs 2025 und 1,2 Prozent in 2026.

Damit bildet Deutschland das Schlusslicht im OECD-Vergleich. Im Gegensatz dazu erwartet die OECD in den USA ein Wachstum von 2,8 Prozent für 2024 und immer noch 2,1 Prozent in 2026.

Wenige Jahre Ampel-Koalition, viele Probleme

Die Ursache für die deutsche Konjunkturmisere ist ein ganzer Strauß an Problemen. Ein großer Belastungsfaktor ist die hohe Abhängigkeit vom Export und speziell vom chinesischen Markt.

Die nachlassende Nachfrage aus China trifft die deutsche Industrie hart. Zudem belasten die hohen Energiekosten die energieintensive Industrie in Deutschland stärker als andere Länder. Die Folgen des Ukraine-Krieges und Störungen der Lieferketten kommen hinzu.

Investitionen brechen ein

Das schwache Wachstum geht einher mit einem Rückgang der Unternehmensgewinne und Investitionen.

Der OECD zufolge leidet auch der private Konsum unter den hohen Lebenshaltungskosten, da steigende Löhne die Inflation nicht voll ausgleichen können. Gleichzeitig verhindert die hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte staatliche Konjunkturprogramme.

Gesamtwirtschaftlicher Produktionsfaktor Arbeit bröckelt

Neben dem schwachen Produktivitätswachstum zeichnet sich inzwischen auch das bisher robuste Beschäftigungswachstum immer stärker als Schwachpunkt ab. Zwar bleibt die Arbeitslosigkeit vorerst niedrig bei 3,5 Prozent in 2024 und 3,6 Prozent in 2025, doch sind die Bäume auch am deutschen Arbeitsmarkt nicht in den Himmel gewachsen.

Der demografische Wandel und Fachkräftemangel bremsen zunehmend das Beschäftigungswachstum. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft, was die Lage am Arbeitsmarkt auf Dauer zuspitzen wird - mit negativen Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

Inflation bleibt hartnäckig

Nach dem Höhepunkt der Inflation 2022 mit 8,7 Prozent schwächt sich zwar der Anstieg der Verbraucherpreise ab, bleibt aber hartnäckiger als zunächst gedacht. So erwartet die OECD noch 2,4 Prozent Teuerung für 2024 und 2,0 Prozent für 2025. Erst 2026 wird die Inflationsrate mit 1,9 Prozent wieder unter der EZB-Zielmarke von zwei Prozent liegen.

Und eine Rückkehr zum Stabilitätsniveau von rund 1,5 Prozent vor der Pandemie ist in weiter Ferne. Die anhaltend hohe Inflation belastet Verbraucher, Unternehmen und verhindert eine stärkere geldpolitische Lockerung.

Düsterer Ausblick

Sollten sich die geopolitischen Risiken weiter verschärfen, könnte dies die deutsche Konjunktur noch stärker belasten. Vorstellbar wären weitere Anstiege der Energiepreise, neue Verwerfungen an den Finanzmärkten und zusätzliche Dämpfer für die weltweite Nachfrage, was für die exportorientierte deutsche Wirtschaft fatal wäre. Kurzfristige Lichtblicke sind nicht in Sicht.

Um auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzukehren, empfiehlt die OECD Deutschland tiefgreifende Reformen:

- Stärkung der Produktivität durch bessere Anpassung der Arbeitskräfte an den Strukturwandel durch Qualifizierung und Weiterbildung. Statt Frühverrentung längere Lebensarbeitszeiten fördern.

- Beseitigung von Regulierungshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen um Investitionen anzukurbeln. Abbau von Handelshemmnissen, um Exporte zu erleichtern.

- Schuldenabbau und Stärkung der Staatsfinanzen, um neue Haushaltsspielräume zu schaffen. Umschichtung der Staatsausgaben von Konsum zu Investitionen.

- Steuerreformen zur Verbreiterung der Steuerbasis und effizienteren Staatseinnahmen. Konzentration der steuerlichen Belastung auf Arbeitseinkommen reduzieren.

- Langfristige Finanzierung des Sozialsystems anpassen, um Nachhaltigkeit trotz Alterung sicherzustellen.

Um die strukturelle Wachstumsschwäche zu überwinden, braucht es in Deutschland tiefgreifende Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Nur durch eine umfassende Reformagenda wird die deutsche Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig, krisenfest und auf die Herausforderungen der Zukunft wie Dekarbonisierung und Digitalisierung vorbereitet werden können.

Die Ampel-Koalition ist gefordert, den Reformstau aufzulösen und mutige Weichen für die Zukunft zu stellen - auch gegen Widerstände. Sonst droht die anhaltende Wachstumsschwäche sich zu einer Dauerkrise auszuwachsen - mit schwerwiegenden Folgen für Arbeitnehmer, Unternehmen und den Wohlstand in Deutschland.