Deutschland im regionalen Flughafen-Wahn
Seite 2: Notorische Gefälligkeitsgutachten
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Überall gibt es aber notorische Gefälligkeitsgutachten, die jedem neuen Flughafen eine goldene Zukunft in blühenden Landschaften voraussagen. Allerdings ist in der Realität noch jedes dieser Gefälligkeitsgutachten nach ein paar Jahren durch die ausgebliebenen Passagierzahlen dramatisch widerlegt worden. Doch daran erinnert sich später kaum jemand.
Die Gutachten haben ja auch gar nicht den Zweck, eine realistische Schätzung über die wirklich zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung eines Flughafenprojekts darzustellen. Sie sind Instrumente, die es den planenden Politikern ermöglichen, ein Projekt durch die demokratischen Entscheidungsgremien durchzuboxen. Sie sind nur Hilfsmittel in der politischen Auseinandersetzung.
Also müssen die Zahlen auf Biegen und Brechen geschönt werden. Die wahren Kosten werden kleingerechnet, die wirtschaftlichen Aussichten viel zu großgerechnet. Sonst kommt das Projekt nicht durch die Gremien. Und wenn die harte wirtschaftliche Wirklichkeit sich nicht an die frisierten Prognosen hält - was sie noch nie getan hat -, macht das auch nichts: Schließlich können die politischen Repräsentanten sich dann mit dem Sachverständigengutachten herausreden, das dem Projekt eine glänzende Zukunft vorausgesagt hat.
Es gibt eine ganze Reihe von "Fachleuten", die sich mit solchen "Gutachten" eine goldene Nase verdienen. Deshalb wohl heißen sie ja auch Gutachten: Sie erachten für gut, was in Wahrheit grottenschlecht ist.
Zusammen machen die 18 Regionalflughäfen im Besitz der öffentlichen Hand Jahr für Jahr Verluste von rund 175 Millionen Euro. Allein der sächsische Flughafen Leipzig/Halle erwirtschaftete 2012 einen Fehlbetrag von über 66 Millionen Euro. Zwischen 2006 und 2011 brachte der Flughafen es auf Verluste von rund 300 Millionen Euro. Getragen werden die von den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie den Städten Leipzig, Halle und Dresden.
Allein Mecklenburg-Vorpommern mit seinen gerade mal 1,6 Millionen Einwohnern hat fünf Flughäfen. Jeder einzelne von ihnen ist so überflüssig wie ein Kropf. Keiner von denen könnte überleben, selbst wenn jeder Mecklenburger und jeder Pommer einmal im Jahr irgendwohin fliegen würde. Nordrhein-Westfalen hat sogar sieben Flughäfen. Insgesamt verteilen sich wenige große und die sehr vielen kleinen Flugplätze über die ganze Bundesrepublik.
"Kassel-Airport": sechsmal in der Woche startet ein einsamer Linienflug
Dabei liegen manche davon nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Den hessischen Flughafen Kassel-Calden, der sich seit neuestem stolz "Kassel-Airport" nennt, trennen nur 70 Kilometer vom westfälischen Paderborn. Der inzwischen eingestellte Regionalflughafen Zweibrücken in Rheinland-Pfalz liegt keine 35 Kilometer vom Flughafen Saarbrücken im Saarland entfernt. Ist am Flughafen Köln/Bonn kein Platz mehr frei, startet man vom 60 Kilometer entfernten Düsseldorf. Und der Flughafen Friedrichshafen liegt auch gerade mal 80 Kilometer vom Flughafen Memmingen entfernt.
Nach fast 15 Jahren Planung eröffnete 2013 der internationale Verkehrsflughafen Kassel-Calden. Die Medien nannten ihn bereits bei der Eröffnung Deutschlands sinnlosesten Flughafen.
In das Mega-Projekt, das die strukturschwache Region in Nordhessen stärken sollte, flossen 271 Millionen Euro von Land und Kommunen - fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant - für gerade mal sechs Flüge pro Woche. Im Winterhalbjahr geht normalerweise gar keine Maschine. Kein Witz: sechsmal in der Woche startet in Calden ein einsamer Linienflug, außer im Winter: eine wahre Luft- und Lachnummer.
100.000 Passagiere waren für 2013 geplant, doch nur 47.000 kamen. Für die kommenden Jahre ist mit besseren Zahlen nicht zu rechnen. Eher mit schlechteren. Denn fest stand schon vor der Eröffnung: Das großkotzige Projekt, das sich in der Eigenwerbung als "Wohlfühlairport" bezeichnet, dürfte den Steuerzahlern des Landes Hessen (Anteil: 68 Prozent), der Stadt und des Landkreises Kassel (je 13 Prozent) sowie der Gemeinde Calden (6 Prozent) noch in Jahrzehnten auf der Tasche liegen.
Die Gemeinde Calden hat gerade mal 7.500 Einwohner. Selbst im laufenden Betrieb rechnen auch die Betreiber bis 2020 mit Verlusten von bis zu zehn Millionen Euro im Jahr. Doch auch danach wären Gewinne ein wahres Wunder. Schließlich zählt auch die Stadt Kassel zu den am stärksten verschuldeten Städten Hessens.
Fachleute gehen davon aus, dass ein Flughafen 4 bis 5 Millionen Passagiere Minimum braucht, um die laufenden Kosten zu decken. Erst mit noch höheren Passagierzahlen verdient man überhaupt Geld. Damit ist bei den meisten Regionalflughäfen niemals zu rechnen.
Großflughäfen erzielen das Gros ihres Umsatzes übrigens nicht mehr mit Starts und Landungen, sondern mit dem, was die Fachleute "Non-Aviation-Geschäft" nennen, also mit den Geschäften im Terminal, Einzelhandelsläden, Bars, Restaurants, Hotels und Service-Angeboten. Jeder wirtschaftlich profitable Flughafen ist ein großes Warenhaus.
Bei den meisten Kleinflughäfen besteht noch nicht einmal die vage Hoffnung, dass sie je zu dieser Größe heranwachsen könnten. Denn wenn nur alle paar Tage mal ein Flugzeug dahergeflogen kommt, gibt es auch kein kauffreudiges Publikum, das durch die Geschäfte im Terminal flanieren könnte.
Ein Flughafen wie Kassel-Calden hat hohe Kosten. Allein die Abschreibung der Aufwendungen für den Bau auf die üblichen 25 Jahre sorgt für eine Belastung von gut elf Millionen Euro im Jahr. Dazu kommen weitere geschätzte rund zehn Millionen Euro Betriebskosten für Terminal, Lotsen oder Flughafenfeuerwehr.
In Kassel-Calden haben sich Politiker ohne Rücksicht auf Verluste ein Denkmal erbaut, wie vor 250 Jahren der hessische Landgraf, der Calden das Rokoko-Lustschloss Wilhelmsthal hinterließ. Der überflüssige Flughafen ist ein Investitionsgrab und eine komplette Fehlinvestition.
Jahr für Jahr Verluste: Flughafen Frankfurt-Hahn
Nicht viel besser steht es um den Flughafen Frankfurt-Hahn. Aus einem ehemals amerikanischen Militärflughafen wurde mit dem Ryanair-Boom für kurze Zeit ein Drehkreuz für Billigflüge. Am Flughafen Hahn sind das Land Rheinland-Pfalz mit 82,5 Prozent und Hessen mit 17,5 Prozent beteiligt. Der 1999 als Deutschlands erster Billigairport gestartete Flughafen ist hoch verschuldet.
Seit Bestehen meldet Hahn Jahr für Jahr Verluste zwischen 5 und 10 Millionen Euro bei gerade mal 50 Millionen Euro Umsatz. 2009 war der Flughafenbetreiber Fraport bei der Hahn-Gesellschaft ausgestiegen, dessen 65 Prozent übernahm Rheinland-Pfalz zum symbolischen Preis von einem Euro. Mehr war der Anteil nicht wert.
2010 lag das Minus bei 10,8 Millionen Euro, 2013 bei rund 20 Millionen. Der Schuldenstand beläuft sich nun auf über 124 Millionen Euro. Verbindlichkeiten in Höhe von 40 Millionen wurden beim Liquiditätspool von Rheinland-Pfalz geparkt, der eigentlich für den kurzfristigen Finanzbedarf von Landesunternehmen gedacht, aber nicht zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen. Allein Rheinland-Pfalz hat über 313 Millionen in den Hahn gesteckt. Es ist eigentlich nur eine Frage der kurzen Zeit, wann Hahn endgültig geschlossen werden muss.
Rheinland-Pfalz war dennoch bereit, für einen weiteren Flughafen im eigenen Bundesland rund 50 Millionen Euro zu verpulvern und die laufend anfallenden Defizite auszugleichen. Der Flughafen Zweibrücken fuhr 2013 bei einem Passagieraufkommen von 242.880 ein Minus von 2,8 Millionen Euro ein. 2014 wurde das Insolvenzfahren eröffnet. Grund ist ein Papier der EU-Kommission. Demnach muss der Airport Staatsbeihilfen bis zu 56 Millionen Euro zurückzahlen. Er liegt aus EU-Sicht zu nah am Flughafen der Landeshauptstadt Saarbrücken, der übrigens auch Verluste macht.
Nach einer Studie der Hamburger Unternehmensberatung ProLogis sind seit 2008 in Europa 65 regionale Airlines in die Pleite gegangen. Jede dritte hat innerhalb von fünf Jahren den Betrieb eingestellt. Von 195 Regionalfliegern blieben nur noch 130 übrig. Dadurch verloren Regional-Airports seit 2011 bis zu 40 Prozent der Passagiere und leiden unter wachsenden Verlusten.