Deutschland im regionalen Flughafen-Wahn
Seite 3: Wofür das Geld ausgegeben wird
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Im thüringischen Altenburg verabschiedete sich Ryanair 2011 und hinterließ eine Investitionsruine. Bis dahin wurden Zuschüsse von mehreren hunderttausend Euro pro Verbindung gezahlt. Ryanair drohte mit der Schließung des Standorts und erzwang niedrigste Flughafengebühren. Nach einem halbjährigen Intermezzo in Cochstedt zog der Billigflieger trotzdem weiter nach Leipzig/Halle - die Zeche zahlt der Steuerzahler.
Also gingen in Altenburg die Lichter aus. Keine Fluggesellschaft fliegt die Piste mehr an. Über 17 Millionen Euro Steuergelder wurden vergraben. 50 der 65 Mitarbeiter des Flughafens wurden in die Arbeitslosigkeit entlassen.
Verschwendungssucht und lokalpolitischer Größenwahn haben die ökonomische Misere der Regionalflughäfen herbeigeführt. Dafür ist der Flughafen Magdeburg-Cochstedt ein Paradebeispiel. Nicht der Mangel an Geld ist das Problem, sondern die Art, wie und wofür es ausgegeben wird. Obwohl Sachsen-Anhalt zu den ärmsten Bundesländern zählt und nur durch die Solidarleistungen anderer Bundesländer vor der Pleite bewahrt wird, warf es für das Prestigeobjekt Cochstedt viel Geld zum Fenster hinaus.
Der Flughafen erhielt mit großem finanziellem Aufwand einen neuen Tower mit riesigem Vorfeld und großzügigen Wartungshallen sowie eine neue Landebahn mit Befeuerung. Prunkstück des Flughafens ist der Millionen teure Passagierterminal, der "Glaspalast".
Bis 2009 hatte das Land Sachsen-Anhalt bereits rund 60 Millionen Euro für Ausbau und Entwicklung aufgewendet. Diverse Fluggesellschaften versuchten sich, stellten meist den Flugbetrieb ab Cochstedt mangels Auslastung bald wieder ein. Seit Dezember 2013 hat der Flughafen keine reguläre Flugverbindung mehr. Dafür steigen die Verbindlichkeiten kontinuierlich, im Millionenbereich. Rund 400.000 Fluggäste würden für einen nahezu wirtschaftlichen Betrieb benötigt. Davon ist man weit, weit entfernt.
Nach Investitionen in Höhe von 60 Millionen Euro verkaufte Sachsen-Anhalt seinen Flughafen Cochstedt für eine Million Euro an einen dänischen Betreiber. Unter dem Strich ein Minus von 59 Millionen Euro. Über 80 Millionen Euro wurden für den Ausbau von Cochstedt ausgegeben. Zwei Drittel davon stammen aus öffentlichen Mitteln.
In den Einzugsbereichen von Berlin, Leipzig und Dresden tummeln sich zu viele Kleinstflughäfen für zu wenige Passagiere. Insgesamt wurden Milliarden von Euro Steuergeld für den Bau von Regionalflughäfen vergeudet, für die es keinerlei Aussicht auf einen wirtschaftlichen Betrieb gibt.
Bei Thüringens einzigem internationalen Airport Erfurt-Weimar gingen die Passagierzahlen 2013 um rund ein Drittel auf nur noch knapp 184.000 zurück. Mittelfristig sollen sich die jährlichen Passagierzahlen in Richtung 290.000 bewegen. Doch auch damit kann kein Flughafen der Welt jemals auch nur in die Nähe schwarzer Zahlen kommen. Und in den thüringischen Medien sorgte der Verlust von "nur" 3,8 Millionen Euro für Jubelstimmung: Das sei weniger als der für den Verlustausgleich vorgesehene Landeszuschuss von 4,7 Millionen Euro.
Hohe Verluste sind am Flughafen Dortmund seit über zehn Jahren an der Tagesordnung: 2009 waren es 24,5 Millionen Euro, 2010 noch 19,7 Millionen Euro, 2011 auch 19,5 Millionen, 2012 18,5 Millionen und 2013 weitere 20,9 Millionen. Besserung ist nicht in Sicht. Der Flughafen gehört der Stadt Dortmund und den Stadtwerken Dortmund, die wiederum der Stadt gehören. Und Dortmund ist pleite. 74 Millionen Euro fehlen im Haushalt.
Zum stolzen Preis von einem Euro verkauft
Nach der Streichung mehrerer Ryanair-Verbindungen geriet auch der Flughafen Lübeck-Blankensee ins Straucheln. Die Stadt Lübeck hatte den hoch defizitären Regionalflughafen Ende 2012 zum stolzen Preis von einem Euro an den deutsch-ägyptischen Geschäftsmann Mohamad Rady Amar verkauft. Doch der tauchte im April 2014 plötzlich unter und ward nie mehr gesehen. Daraufhin musste der Flughafen Insolvenz anmelden.
Insgesamt summieren sich die Verluste des Airports seit 2004 auf über 30 Millionen Euro. Doch statt weitere Fehlinvestitionen zu vermeiden, finanzierten Stadt und Land dem Flughafen für 4,3 Millionen Euro ein neues Landesystem. Nicht besonders klug bei einem Flughafen, auf dem kaum jemand landen mag. Insgesamt belaufen sich die Lasten für die öffentlichen Kassen auf über 60 Millionen Euro.
2014 gelang buchstäblich in letzter Minute der Verkauf an den alleinigen Gesellschafter der in Hongkong registrierten PuRen-Group. Was der dafür zahlte, blieb ein Geheimnis. Das weist darauf hin, dass er nicht viel zahlen musste. Für die Pacht des Geländes, die Miete der Landebahnbefeuerung und des Instrumentenlandesystems, die nach wie vor der Stadt Lübeck gehören, erhält die Stadt jährlich rund 400.000 Euro.
Die PuRen-Gruppe, setzt auf Medizin-Tourismus und die Ausbildung von Piloten. Das klingt nach allem Möglichen, aber nicht nach einem Erfolgsrezept. Es wurde weitergewurschtelt. 2015 ging der Flughafen zum zweiten Mal in die Insolvenz. Die Zukunft ist ungewiss. Gewiss ist nur, dass die Steuerzahler erneut für die gigantischen Verluste aufkommen müssen.
Rund 34 Millionen Euro schuldet der Flughafen Weeze dem Kreis Kleve. Nachdem Ryanair 13 Flugstrecken eingestellt hatte, musste der Airport-Betreiber den Offenbarungseid leisten: 2011 stimmte der Landkreis zu, bis 2016 die jährlichen Zins- und Kapitalforderungen in Millionenhöhe auszusetzen. Im Gegenzug erhielt der Kreis Anteile am Flughafen. Als ob sich dadurch ein einziges Problem lösen ließe.
Der Privatflughafen Weeze wurde mit öffentlichen Mitteln finanziert: Der Kreis Kleve gewährte einen Kredit von 26 Millionen Euro. Weil der Flughafen seit Jahren keine Zinsen an den Kreis Kleve zahlen konnte, wuchsen dessen Schulden beim Kreis von 26 Millionen auf über 34 Millionen Euro. Und die Zahl der Fluggäste sinkt ständig. Der Flughafen rechnet mit nur 2,5 Millionen Passagieren, fast ein Drittel weniger als in den Vorjahren.
Allerdings macht das operative Geschäft seit mehreren Jahren Verluste. Der Trick: Nicht geleistete Zinszahlungen werden in Geschäftsanteile umgewandelt. So verschwinden knapp 1,4 Millionen Euro im Nebel - Jahr für Jahr seit 2011.
Auch Bayern ist keine Ausnahme
Auch Bayerns Steuerzahler müssen für defizitäre Kleinstflughäfen blechen. So sollen mehrere Millionen Euro öffentlicher Gelder in den Ausbau des Allgäu-Airports in Memmingen fließen. Der Freistaat greift dem Privatflughafen in Memmingen mit einem einmaligen Zehn-Millionen-Euro-Zuschuss unter die Arme. Dabei wurden schon 2007 Subventionen in Höhe von 6,5 Millionen Euro gezahlt.
Der Allgäu Airport ist der drittgrößte Flughafen Bayerns nach München und Nürnberg. Er wird bislang von privaten und kommunalen Gesellschaftern getragen, schreibt aber rote Zahlen. 2012 machte er 1,1 Millionen Euro Verlust und wies 15 Millionen Euro Verbindlichkeiten aus. 2011 wurden mehrere innerdeutsche Flüge von Memmingen aus eingestellt. Damit brachen die Passagierzahlen von über 900.000 auf 764.000 ein. Das bedeutete einen Jahresverlust von über zwei Millionen Euro. Nach Zinsen und Abschreibungen steht beim Allgäu-Airport unterm Strich hoher Verlust von gut einer Million Euro.
Auch dem Flughafen Nürnberg geht es schlecht: Seit Jahren schreibt das Unternehmen Millionenverluste. Stadt und Freistaat wollen dem hoch verschuldeten Flughafen mit Zuschüssen und Darlehen in Höhe von 70 Millionen Euro finanziell Luft verschaffen. Mit 40 Millionen Euro soll das Kapital des Airport-Betreibers aufgestockt werden. Weitere 30 Millionen Euro wollen der Freistaat und die Stadt als Darlehen gewähren. 2013 belief sich der Verlust auf 3,9 Millionen Euro.
Drei weitere bayerische Airports sind gar keine mehr. Augsburg, Bayreuth und Hof-Plauen wurden zu Verkehrslandeplätzen herabgestuft. Ein Linienverkehr in Augsburg findet nicht statt. In Hof-Plauen hatte zuletzt Cirrus Airlines zweimal täglich eine Verbindung nach Frankfurt aufrechterhalten. Mit der Pleite der Fluggesellschaft wurden auch diese Flüge 2012 eingestellt. Im oberfränkischen Bayreuth machte der Regionalflugplatz zuletzt rund 400.000 Euro Defizit pro Jahr.
Im Fall von Hof-Plauen kann man übrigens den in entwickelten Demokratien höchst seltenen Fall feiern, dass couragierte Beamte 2006 den Freistaat vor einer Investitionsruine erster Güte bewahrten. Das kommt in der demokratischen Politik alle hundert Jahre einmal vor. Aber es kommt vor.
Damals waren die Staatsregierung sowie mehrere Städte und Landkreise drauf und dran, den Flughafen, der heute mit dem Linienflugzeug nicht mehr zu erreichen ist, für insgesamt 54 Millionen Euro auszubauen. Doch das Luftamt Nordbayern lehnte die Pläne ab. Der Flughafen Hof-Plauen GmbH & Co KG sei es in den "nicht gelungen, brauchbare Finanzierungsnachweise vorzulegen und einen ausreichenden Bedarf für den Ausbau darzulegen".
Natürlich sind auch in Friedrichshafen die Passagierzahlen seit 2008 deutlich eingebrochen. Seit Jahren meldet der Flughafen Millionenverluste und betont stets, das operative Ergebnis sei positiv. Das ist das Ergebnis ohne Steuern, Zinsen und Tilgungsleistungen. Nur: In der freien Wirtschaft kann sich kein Unternehmen darauf zurückziehen, denn da müssen Steuern, Zinsen und Tilgungen bezahlt und also auch erst einmal verdient werden.
Doch wie miserabel der Bodensee-Airport inzwischen dasteht, zeigte sich 2014, als der Flughafen Wien seine Anteile verkaufen wollte, die er 2007 für 7,7 Millionen Euro erworben hatte. Er bekam nur noch 2,25 Millionen Euro dafür. Käufer waren die Stadt Friedrichshafen und der Landkreis Bodensee, andere Investoren fanden sich erst gar nicht.
Tributzahlungen an die politische Klientele
Alle Kleinstflughäfen werden hoch subventioniert, doch Aussicht auf Besserung gab es bislang so gut wie gar nicht: Kleinstflughäfen belasten die öffentlichen Kassen von Jahr zu Jahr immer stärker. Öffentliche Eigentümer von Regionalflughäfen führen oft einen Subventionswettlauf, um Fluggesellschaften anzulocken. Da fließen dann trotz leerer Kassen reichlich Steuermittel, oft an ausländische Billigfluggesellschaften und an deren Kunden und verzerren den Wettbewerb zu Ungunsten kostendeckender Flughäfen.
Die meisten regionalen Flughäfen generieren nicht genügend Umsatz, um daraus ihre Betriebskosten zu decken. Zu viele Flughäfen im selben Einzugsgebiet produzieren unrentable Geisterflughäfen, die einander gegenseitig im Weg stehen.
Der renommierte Bauplaner Dieter Faulenbach Da Costa, der an vielen Flughäfen in der ganzen Welt mitgearbeitet hat, ist der Ansicht, dass alle Regionalflughäfen in Deutschland überflüssig sind. Seiner Ansicht nach braucht Deutschland sechs Flugplätze: einen im Osten, einen im Norden, einen im Zentrum, einen im Westen, einen im Südwesten, einen im Süden. Alle anderen sollten zum öffentlichen Nutzen eingestellt werden.
Das allerdings verbietet die in entwickelten Demokratien herrschende Unvernunft politischer Willensbildung: Die Politiker müssten eingestehen, dass sie Millionenbeträge ohne Sinn und Verstand und in den Sand gesetzt haben. Und das fällt ihnen wesentlich schwerer, als die Steuerzahler auch in Zukunft noch mehrere Jahrzehnte lang um viele Millionenbeträge zu erleichtern. Demokratischen Entscheidungen ist das kopflose Gewurschtel immanent, weil es leichter fällt, einfach so weiterzumachen wie bisher, als einen klaren Schnitt zu wagen und einzugestehen: Wir haben Murks gebaut. Da könnte man die nächste Wahl verlieren.
All dies sind deutliche Anzeichen dafür, dass das ganze System völlig aus den Fugen geraten ist; denn die Subventionen sind in Wahrheit überhaupt keine Subventionen im volkswirtschaftlichen Sinn. Sie fördern nicht Wirtschaftszweige, die vorübergehend in eine Schieflage geraten sind und deshalb vernünftigerweise eine Zeit lang subventioniert werden sollten, damit sie wieder auf die Beine kommen.
Es sind Tributzahlungen an die politische Klientele. Sie fördern Misswirtschaft und Fehlplanungen in gigantischen Ausmaßen und können aus genau diesem Grunde auch nicht mehr so leicht rückgängig gemacht werden. Die Situation ist festgefahren. Es gibt kein Vor und kein Zurück und auch kein Ausweichen nach links oder rechts.