Deutschland - überrollt, überfremdet, überfordert?!?

Seite 4: Die Periode des Zusammenbruchs des "Ostblocks" und der Kriege in Jugoslawien, Afghanistan und Irak: 1989-2000

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In den ab 1989 folgenden 12 Jahren der Zu- und Abwanderung kam es zu einer Verkettung von Faktoren, die zu einem starken Anstieg der Zuwanderung führten. Geprägt war diese Zeit in hohem Maße durch den ab 1989 einsetzenden Zerfall der vormals sozialistischen Staaten, die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und durch die verschiedenen Jugoslawienkriege von 1991-1999. In der Zeit 1989 - 2000 erfolgte allein aus der Bürgerkriegsregion Ex-Jugoslawien insgesamt ein Zuzug von 1,6 Mio. Menschen, davon rd. 620.000 Asylantragsteller. Und gleichzeitig spielte auch die jeweilige wirtschaftliche Lage Deutschlands - mal Aufschwung mal Wirtschaftsrezession (1993/94) - ein treibendes Moment für den Zu- oder Fortzug von ausländischen Arbeitskräften.

Die Wanderungsbewegungen in dieser Periode waren insgesamt deutlich geprägt von einer stark steigenden Zuzugszahl von Schutzsuchenden; diese sank zwar auch im Zuge der beiden Krisenjahre, blieb aber bis zum Ende dieser Periode immer auf einem relativ hohen Niveau. Parallel zu diesem Zuzug von Schutzsuchenden zogen ab 1991 auch viele (Spät-)Aussiedler aus den osteuropäischen Ländern nach Deutschland. Diese kamen allerdings nicht im Status als Schutzsuchende oder Ausländer, sondern aufgrund ihrer Abstammung im Status als deutsche Staatsbürger. Daher sind sie nicht als zugezogene Ausländer in der Statistik erfasst und daher auch in diesem Abschnitt nicht in die dargestellten Wanderungsbewegungen einbezogen (es handelt sich bei ihnen aber um Personen mit Migrationshintergrund, siehe unten). Insgesamt erreichten von 1991 bis 2000 rd. 1,7 Mio. Aussiedler Deutschland.

Arbeitsmigration aus EG/EU-Staaten: Aus der Region der EG-12 (ab 1995 EU-15: FI, AT, SE) verliefen die bereits in den Vorjahren niedrigen Zuwanderungssalden ab 1989-92 insgesamt noch weiter rückläufig (plus 33.000 i. J. 1989; Abb.3: blau). In den Jahren 1993/94 setzte eine weitere Wirtschaftsrezession ein, die diesmal binnenwirtschaftlich ausgelöst war durch die im Wiedervereinigungsboom (1990ff) aufgetretenen Übersteigerungen und die restriktive Geldpolitik zur Inflationsbekämpfung. Im Zuge dessen sank das bereits niedrige Niveau weiter auf plus 17.000 im Jahr 1993 (Abb. 3: blau). Nach einem kurzfristigen leichten Anstieg in 1995 erreichte die EU-Zuwanderung in den Jahren 1997-1999 im Saldo nur noch Minuswerte zwischen -20.000 und -9.000. Am Ende diese Periode im Jahr 2000 lag der EU-Wanderungssaldo dann bei nur plus 1.400 Personen (siehe Abb. 3, blau).

In der Gesamtperiode von 1989 bis 2000 resultierte aus dem Bereich EG/EU unter dem Strich insgesamt eine saldierte Zuwanderung nach Deutschland lediglich von plus 155.175 Personen. Betrachtet man die hinter den Wanderungssalden stehenden tatsächlichen Wanderungsprozesse, so standen im Verlauf dieser 12 Jahre den insgesamt registrierten 2,15 Mio. Zuzügen aus EG/EU fast ebenso viele Fortzüge von Personen aus diesen EU-Staaten (2,0 Mio.) gegenüber.

Abbildung 1

Arbeitsmigration aus Drittstaaten: Die Zuwanderung von Personen aus Drittstaaten der EG/EU, die keinen Schutz suchten, verlief zunächst ebenfalls mit einem starken Rückgang in den ersten fünf Jahren bis 1993. Während 1989 noch ein Wanderungsplus von rd. 174.000 eintrat, sank der Wanderungssaldo sukzessive auf 133.000 in 1992 und dann im ersten Rezessionsjahr 1993 auf minus 60.000. Das zweite Rezessionsjahr verzeichnete nur ein marginales Plus von 4.000 (siehe Abb. 3: rot). Im weiteren Verlauf setzte sich dieser negative Trend verstärkt fort: nach einem einmaligen Überschuss von plus 65.000 in 1995 fiel der Saldo in den Jahren 1997/98 auf rd. minus 110.000 und stand am Ende dieser Periode in einem kleinen Plus von 6.500.

Die relativ geringen bis negativen Zuwanderungssalden aus Drittstaaten ohne Schutzantrag ab 1993 erklären sich unter anderem damit, dass in den Vorjahren rd. 660.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kriegsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens nach Deutschland eingewandert waren, ohne dass sie aber einen Schutzantrag gestellt hatten; sie sind daher in der Abb. 3 in den roten Säulen miterfasst. Ihr mit dem Abklingen der Konflikte erfolgter Rückzug in ihre Heimat schlägt sich daher in den Zuwanderungssalden der Drittstaaten ohne Schutz nieder. Im Betrachtungsraum 1989 bis 2000 erfolgte eine saldierte Gesamtzuwanderung von Personen ohne Schutzantrag aus Drittstaaten von rd. 0,4 Mio. Personen. Den insgesamt registrierten 5,3 Mio. Zuzügen aus Drittstaaten standen Fortzüge von 4,9 Mio. Personen gegenüber.

Zuwanderung Schutzsuchender: Angesichts der geringen von 1989-2000 angefallenen Gesamtzuwanderungssalden aus der EU (155.000) und aus den Drittstaaten ohne Schutzantrag (440.000) kann der insgesamt in dieser Periode entstandene positive Zuwanderungssaldo von 2,7 Mio. Personen daher nur aus dem Zuzug Schutzsuchender resultieren. Dies verdeutlichen die großen grünen Säulen in Abb. 3. Die Schutzsuchenden kamen aus dem Bereich der ehemaligen sozialistischen Staaten Ost- bzw. Südosteuropas und vor allem aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, in dem fünf Kriege zwischen den aus dessen Zusammenbruch hervorgegangenen neuen Staaten sowie den verschiedenen Ethnien stattfanden. Damit angesprochen sind der 10-Tage-Krieg in Slowenien (1991), der Kroatienkrieg (1991-1995), der Bosnienkrieg (1992-1995), der kroatisch-bosnische Krieg im Rahmen des Bosnienkriegs und der Kosovokrieg (1999).

Schutzsuche 1989-1993

Allein in den ersten vier Jahren von 1989 bis 1993 kamen immerhin 1,3 Mio. Schutzsuchende nach Deutschland. Davon entfielen allein auf das Jahr 1992 rd. 438.000 (Abb.3: grün). Darunter befanden sich in diesem Zeitraum 325.000 schutzsuchende Personen allein aus der Region Ex-Jugoslawien. Aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion/GUS sind auf der Grundlage deutscher Einreisezusicherung von 1989 bis Ende 2000 insgesamt 137.055 Juden zugewandert, die wie Kontingentflüchtlinge behandelt wurden, d.h. mit einem kollektiv zugebilligten Status, der annähernd demjenigen von anerkannten Asylberechtigten entspricht. Rd. 270.000 Personen aus Rumänien stellten von 1989 - 1995 einen Antrag auf Asyl (wobei bereits an den Grenzen zu Deutschland in diesen Jahren ca. 150.000 p. a. direkt abgeschoben wurden).

Aufgrund der bis dahin unbekannten extrem hohen Schutzzuwanderung machte in Medien und Politik das Wort "Asylmissbrauch" die Runde. Sowohl die Asyldebatte als auch die Zahl gewaltsamer Übergriffe auf Asylbewerber und andere Einwanderer erreichten 1991/92 ihren Höhepunkt (Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln).

Am 6. Dezember 1992 endete der erbitterte politische Streit mit dem sog. "Asylkompromiss": Artikel 16 des Grundgesetzes wurde eingeschränkt. Deutschland hält seitdem zwar am Grundrecht auf Asyl fest, aber Artikel 16 (jetzt 16 a) wurde deutlich restriktiv verändert. Antragsteller, die über einen als sicher eingestuften Drittstaat eingereist sind, können kein Asyl mehr erhalten. Zugleich sollte eine Liste von "verfolgungsfreien" Herkunftsstaaten die rasche Abschiebung ermöglichen. Bürgerkriegsflüchtlinge hingegen bekamen einen eigenen Aufenthaltsstatus und fielen damit nicht mehr unter den politisch "kontaminierten" Asylbegriff.

Die Rechtsänderungen wurden am 26.Mai 1993 im Bundestag verabschiedet. Zudem sollte ein finanziell angereichertes Abkommen mit Polen und Tschechien, die damals noch nicht der EG angehörten, garantieren, dass sie diejenigen Flüchtlinge zurücknehmen, die über ihre Grenzen nach Deutschland gelangt waren. Drei Tage nach Verabschiedung des Gesetzespakets zündeten in Solingen Rechtsradikale das Haus einer türkischstämmigen Familie an, wodurch fünf Menschen in den Flammen umkamen.

Schutzsuche 1994-2000

Die seit 1993 veränderte Rechtslage wie auch die Wirtschaftsrezession 1993/94 scheinen allem Anschein nach auch auf den Zuzug Schutzsuchender eingewirkt zu haben. Denn deren Zahl fiel von 322.000 in 1993 unmittelbar bereits im Folgejahr 1994, dem zweiten Rezessionsjahr, um rd. 200.000 auf 127.000 ab. Von 1995 bis 2000 pendelte sich die Zahl der Schutzsuchenden dann auf einen gemessen an 1989-93 niedrigen Wert von durchschnittlich rd. 105.000 ein (Abb.3: grün). Die hohen Zahlen an Schutzsuchenden, die insbesondere 1991-93 den Anlass zur politischen Intervention gegeben hatten (255. bis 440.000), wurden damit nicht mehr erreicht.

Betrachtet man die Gesamtperiode 1989-2000, ergibt die saldierte Wanderung in allen drei untersuchten Kategorien (EU, Drittstaaten, Schutzsuchende) eine Netto-Zuwanderung von rd. 2,7 Mio. Personen. Mit 2,1 Mio. entfiel der Großteil auf Schutzsuchende, hinzu kamen 440.000 Zuwanderer aus Drittstaaten und 155.000 aus der EU. Den 9,6 Mio. Zugewanderten standen 6,9 Mio. Fortgezogene gegenüber. Insgesamt fanden damit in diesen 12 Jahren 16,4 Mio. Wanderungsprozesse statt. Gemessen an den gesamten 9,6 Mio. Zuzugsbewegungen machte der Zuzug von rd. 2,1 Mio. Schutzsuchenden einen Anteil von rd. einem Fünftel (22%) aus.