Die Angst der Medien vor der Wahrheit

Seite 2: Vorsicht: Unterschiede zum russischen Diktator

Die Rheinische Post verspricht uns eine schonungslose, historischen Abrechnung. Sie nennt den Krieg einen "verlogenen Krieg". Man bezeichnet ihn sogar als einen "Angriffskrieg" – was eine absolute Seltenheit ist –, der, so der Leitartikel, nur durch das Attentat auf das World Trade Center erklärt werden könne. Denn "Amerika stand unter Schock".

Politikchef Martin Kessler beabsichtigt jedoch nicht, die USA, wie Russland, wegen des "verlogenen Kriegs" zum Paria der Weltgeschichte zu ernennen. Ein paar Zitate aus Kesslers Artikel müssen reichen, um das zu belegen. So schreibt er u.a.:

  • "Die Beweise für eine Verbindung zum Terrornetzwerk al Kaida" waren "äußerst dürftig".

Tatsächlich waren es Lügen, unkritisch verbreitet von den Massenmedien, um den Krieg damals zu legitimieren.

  • "Das kritiklose Gruppendenken war zu stark ausgeprägt. Das Ganze war ein kollektiver Fehlschluss", wird Markus Kaim von der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik vom RP-Politikchef zitiert. Es habe, so Kaim weiter im Artikel, in den USA keine Gegenmeinung gegeben, daher die Fehleinschätzung.

Natürlich gab es jede Menge Gegenmeinungen, Proteste und Antikriegsstimmen. Es war auch kein Fehlschluss, sondern ein bewusster Aggressionsakt, mit vollem Wissen darüber geplant und ausgeführt, welche Folgen der Krieg bewirken werde.

  • "Die Amerikaner hatten ihr Ziel erreicht, den Diktator gestürzt und konnten sich nun an die Neuordnung des Mittleren Ostens machen – mit dem ölreichen Irak als neuer Basis. Und doch war es ein schaler Sieg. Schon die Voraussetzungen für diesen Krieg waren dazu angetan, die USA in ein schiefes Licht zu rücken."

Der Artikel ist durchzogen von derartiger Copy-And-Paste-Aggressoren-Perspektive, bei der die Opfer Randerscheinung sind, während die USA mit ihren guten Intentionen und Imageverlusten zu Opfern stilisiert werden. Zahlen von Getöteten und Verwundeten usw. liefert Kessler in seiner Abrechnung übrigens nicht.

Auch nicht, was die Iraker:innen über die Invasion dachten. So ergaben Umfragen des Pentagon und des britischen Verteidigungsministeriums: Nur drei Prozent der Iraker glaubten während des US-Kriegs und der Okkupation, dass die USA eine legitime Sicherheitsrolle in der Region spielen.

Nur drei Prozent waren der Meinung, dass die "Koalition der Willigen" gut für ihre Sicherheit sei. 80 Prozent lehnten die Präsenz von Koalitionstruppen in ihrem Land ab. Eine Mehrheit unterstützte sogar Angriffe auf sie.

  • "Die Parallelen zum Ukraine-Krieg des russischen Diktators Wladimir Putin drängen sich geradezu auf. Doch Vorsicht: Es gibt Unterschiede. Die USA sind nach wie vor eine Demokratie. Nachfolgende Regierungen wie unter Barack Obama und Joe Biden haben die verheerenden Folgen zumindest teilweise korrigiert. Und die Ukraine war auf dem Weg zu einer Demokratie, während im Irak ein blutrünstiger Diktator herrschte. Aber der Makel bleibt".

Es ist die perfekte Beschönigungs- und Normalisierungsformel, eine Art Blankoscheck: Wenn westliche Demokratien wie die USA und ihre Nato-Verbündeten verheerende Angriffskriege führen, sind es im äußersten Fall Verirrungen einer Demokratie im Zuge von "Terrorschocks", Fehlschlüssen und wohlmeinenden Absichten, einen Diktator zu stürzen. Diese Formel gilt aber nur für den Westen und seine befreundeten Länder. Andere haben keinen Anspruch darauf.

Was ebenfalls bis heute mehr oder weniger unter den Tisch gekehrt wird: die Verantwortung Deutschlands beim Irak-Krieg.

Deutschland hat für die Durchführung des Angriffskriegs ab 2003 die komplette militärische Infrastruktur der Vereinigten Staaten auf deutschem Boden zur Verfügung gestellt, inklusive der für den Einsatz wichtigen US-Militärbasis in Ramstein/Rheinland-Pfalz (mit dem größten Militärkrankenhaus außerhalb der USA), des Africom-Stützpunkts bei Stuttgart ("Afrikanisches Kommando" der USA seit 2007, wie Ramstein zentral für Spezialeinsätze und den globalen Drohnenkrieg) und des Flughafens Leipzig/Halle.

Über diesen Flughafen wurde im Verlauf des Irak-Kriegs der militärische Nachschub abgewickelt, weil die Iren ihr Land und ihren Luftraum dafür nicht mehr bereitstellen wollten. Die deutsche Regierung sprang ein. Die US-amerikanische Logistik in Deutschland wird u.a. vom deutschen Steuerzahler mit geschätzt rund einer Milliarde Dollar pro Jahr (so die New York Times) finanziert.

Deutschland ist also mitverantwortlich als Sponsor und Mithelfer beim größten Kriegsverbrechen im 21. Jahrhundert, angeführt von den Vereinigten Staaten.