Die Forderungen des IWF: Respekt vor den Regeln der Marktwirtschaft erzwingen!

Fussnoten

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"Die Ukraine hofft auf 5,5 Milliarden USD vom Fonds, verteilt auf 3 Jahre. Ein Kredit über 500 Millionen Euro von der EU hängt daran, dass dieses Programm zustande kommt, ebenso wie ein Kredit über 1 Milliarde USD von der Weltbank. Im Unterschied zu den Ausleihungen des IWF können diese Kredite direkt dafür verwendet werden, das Haushalts-Defizit der Ukraine abzudecken." (hromadske.ua, 18.3.20)
Selenskyj: "Ich bin mit den Führern der Länder fast jeden Tag im Gespräch, mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Aserbaidschan, Kanada, Deutschland... Bei ihnen allen dreht es sich um dieselbe Sache, sie sagen: Wenn [eine fortgesetzte Kooperation der Ukraine mit dem IWF] stattfindet, werden wir euch unterstützen. Das schließt Kredite für humanitäre Zwecke ebenso ein wie Vorzugskredite zur Unterstützung der ukrainischen Ökonomie. Das hängt alles an einem Signal. Das Signal ist eines an deren Adresse - ein Memorandum mit dem IWF. Es geht um Vertrauen in die Ukraine." (UNIAN, 18.4.20)

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"Vergleichen wir die aktuellen Milcherträge pro Milchkuh in der Ukraine mit denen in anderen Ländern mit einer technologisch fortschrittlichen Milchwirtschaft. Die Ukraine produziert im Jahresdurchschnitt ca. 4 900 Kilo Milch pro Kuh, wohingegen die USA ca. 10 000 Kilo, die EU ca. 7 500 Kilo produzieren. Das bedeutet, dass die Produktivität in der Ukraine nach wie vor sehr niedrig ist." (Agriculture in Ukraine - what does the future hold? fao.org, 13.10.16)

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Wiktor Medwedtschuk ist der Vorsitzende der als russlandfreundlich geltenden "Oppositionsplattform - Partei für das Leben", der nach der Partei des Präsidenten immerhin zweitgrößten Partei.

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"Das beschlossene Gesetz ... unterscheidet sich von der liberalen Version, die vom Kabinett des Oleksyj Hontscharuk entwickelt wurde. In der ersten Phase wird es nur ukrainischen Bürgern gestattet sein, Land zu besitzen. Für den Landkauf wurde eine Obergrenze von 100 Hektar pro Käufer festgelegt. Die zweite Phase der Reform beginnt am 1.1.2024. Dann wird es auch Kapitalgesellschaften erlaubt sein, Land zu kaufen, bis zu einer Obergrenze von 10 000 Hektar. Das Gesetz verbietet Verkäufe an Ausländer, an Gesellschaften im Eigentum von russischen Staatsbürgern, an Gesellschaften mit ausländischen Anteilseignern sowie an solche, deren Kapitalgeber nicht identifiziert werden können oder die in Offshore-Zonen registriert sind; schließlich an Personen, die Sanktionen unterliegen. Der Verkauf von Ländereien aus kommunalem bzw. staatlichem Besitz ist ebenso verboten. Das heißt, es ist privates Land, das verkauft werden kann." (UNIAN, 4.4.20)

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Selenskyj im Wahlkampf zu Poroschenko: "Ich bin nicht dein Konkurrent, ich bin dein Urteil!"

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"Der IWF hält seine letzten Tranchen zurück, bis er sich davon überzeugt hat, dass sich die Selenskyj-Regierung offensiv darum bemüht, die geschätzten 15 Milliarden zurückzuholen, die im Laufe des letzten Jahrzehnts aus mehr als 100 Banken, unter ihnen die PrivatBank, gestohlen wurden." (Wall Street Journal, 31.10.19)

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Amerika stellt sich in dieser Frage noch eigens hinter den IWF, bestellt den Chef des ukrainischen Geheimdiensts ein und gibt ihm zu verstehen, dass man gewillt ist, nach Maßgabe seines inzwischen weit ausgedehnten exterritorialen Rechts selbst gegen den Delinquenten aktiv zu werden:
"Der Chef des ukrainischen Geheimdienstes, Iwan Bakanow, befindet sich derzeit in den USA, wo er sich mit Beamten des FBI berät... Eines der Hauptthemen dieses Treffens war die strafrechtliche Verfolgung und mögliche Ausweisung von Ihor Kolomojskyj. ‚Unseren Quellen zufolge hat der FBI alle nötigen Dokumente vorbereitet, und derzeit wird die Möglichkeit einer Überstellung von Ihor Kolomojskyj an die USA zwecks strafrechtlicher Verfolgung erörtert.‘" (112.ua, 19.4.20)

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"Ich sage nur, dass das Land systematisch auf Pump gelebt hat und die Schuldenlast des Landes größer wurde. Und als ein gewisser Höhepunkt erreicht war, kamen natürlich auch noch Krisenumstände obendrauf, der Krieg begann, die Belastung wurde noch höher, und alles ist dann im Zusammenhang mit dem Coronavirus aus den Fugen geraten, und jetzt ist die Wirtschaft krank. Und der IWF ist unsere Beatmungsmaschine, unsere künstliche Beatmung, um das Land zumindest in dem Zustand zu halten, in dem es sich jetzt befindet. Man kann die Beatmung abschalten und zusehen, was dann los sein wird. Beide Lösungen sind übel. Diejenigen Anhänger des Default, mit denen ich stundenlang diskutiert habe, die überblicken nur ein ganz kleines Stück, die sagen, wir werden kein Geld hergeben und die Probleme werden sich von selbst lösen. Aber die lösen sich nicht selbst, denn wir haben eine Rohstoff-Ökonomie, der Export besteht aus Rohstoffen, die Preise fallen usw. Sagen wir einander doch die Wahrheit: Ja, das ist heute die einzig wahre Lösung, deretwegen man sich unterwerfen und für dieses Gesetz stimmen muss." (Schuster live, youtube, 29.3.20)

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Dass die Oligarchen in der Ukraine als Privatgewalten im wörtlichen Sinn agieren, beruht darauf, dass die Poroschenko-Regierung nach dem Umsturz 2014 nicht dazu in der Lage war, den im Zuge des Maidan ausgebrochenen Konflikt mit Hilfe der regulären Armee zu beherrschen. Figuren wie Kolomojskyj haben die Freiwilligenbataillone aufgestellt und finanziert, die die weitere Ausdehnung des Aufstands gegen das neue Regime verhindert haben. Unter diesen Umständen ist der Übergang zum Plündern, Erpressen und Enteignen, sei es im eigenen oder im Interesse des oligarchischen Finanziers, dann einerseits fließend, während die Freiwilligen andererseits aber auch als nationale Helden gelten und sich im politischen Leben der Ukraine als Bastionen des gewaltbereiten ukrainischen Nationalismus fest etabliert haben. In beiden Rollen tragen sie tatkräftig zu dem Phänomen der - in der höflichen Ausdrucksweise der auswärtigen Berater - "geschwächten Rechtsstaatlichkeit" der Ukraine bei.

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Das ökonomische Desaster gibt ja Anlass genug für die entsprechenden Ressentiments, die dann in den zahlreichen vom Westen entsandten Fachleuten für gutes Regieren, die in politischen Gremien ebenso wie in Vorständen und Aufsichtsräten reichlich vertreten sind, ihre Belege finden:
"Sechs Jahre sind seit dem zweiten Maidan vergangen, und bis heute besetzen, von Ukroboronprom [der größte ukrainische Rüstungskonzern] bis Ukrzalisnytzia [die ukrainische Eisenbahngesellschaft], Litauer, Paschtunen, Türken, Georgier, Deutsche, Schweden, Polen und andere Ausländer die Führungspositionen in Staatskonzernen und vielen Ministerien; und Ukrainer wie Petro Poroschenko und Arsenij Jazenjuk wurden zu Fremden... Haben sie dafür auf dem Maidan gekämpft? Jetzt beginnt jeder zu verstehen: Darauf zu warten, dass jemand von außerhalb kommt und uns den richtigen Weg weist, ist das Schlimmste und Gefährlichste, was uns passieren kann." (112.ua, 10.3.20)
Besonders die größte Oppositionspartei, "Oppositionsplattform - Partei für das Leben", propagiert diese Lesart:
"Wenn Herr Selenskyj und sein neues bzw. upgedatetes Team, das heute antritt, nicht radikal den wirtschaftspolitischen Kurs ändern, das Freihandelsabkommen mit der EU kündigen, das unsere Wirtschaft verwüstet und zerstört, wenn sie ihre Zustimmung zu den EU-Sanktionen gegen Russland nicht zurückziehen, wenn sie die Märkte für unsere Exportprodukte nicht wieder zugänglich machen ... dann wird sich absolut nichts ändern... Seit Selenskyj und seine Mannschaft an der Macht sind, hat sich das Land von Armut zum Pauperismus entwickelt." (112.ua, 4.3.20)

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Standardwitz von Selenskyj im Wahlkampf: "Der Frühling kommt - wir buchten ein."

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Eine gewisse Ironie der Sache besteht darin, dass der Staat sich in einer ähnlich schlechten Verfassung befindet wie der russische vor ungefähr zwei Dekaden, der damals Kollege Putin den Auftrag zur "Herstellung der Vertikale der Macht" entnommen hatte, was ihm seitdem als schwerer Verstoß gegen die Demokratie vorgehalten wird. Im Fall der Ukraine vermissen die Schutzmächte einerseits eine solche Vertikale ebenfalls, andererseits verbieten sie aber auch mit ihrem Bestehen auf demokratischen Sitten - bislang - deren Herstellung.

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