Die Kieselalge und der Berg

Seite 2: "Katastrophale Umbrüche ab 2100" - Exodus von den Küsten

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Die neuen Studien deuteten auf "gravierende Probleme" in den Küstenregionen binnen der kommenden Jahrzehnte, erklärte der Klimawissenschaftler Ben Strauss gegenüber der Washington Post, doch drohten vor allem ab 2100 "katastrophale Umbrüche", sollten die Kohlenstoffemissionen nicht bald massiv gesenkt werden. Bei einem Szenario hoher Emissionen würde das 22. Jahrhundert zu einem "Jahrhundert in der Hölle", es wäre ein Jahrhundert "des Exodus von den Küsten".

Beispielsweise würden Bangladesch, Schanghai, Teile Virginias und Washington D.C. verloren gehen. Doch auch im 21. Jahrhundert werden die Landverluste bei hohen CO2-Emissionen bereits einsetzen: Miami Beach und die Florida Keys könnten schon im diesem Jahrhundert von den Fluten verschlungen werden. New Orleans würde in den kommenden Jahrzehnten zu einer deichgeschützten Insel werden.

Dabei läuft die Zeit für sinnvolle, massive Gegenmainahmen unerbittlich ab. Binnen der kommenden Dekade werde die globale Temperatur um 1,5 Grad gegenüber dem vorkapitalistischen Zeitalter ansteigen, warnten jüngst prominente Wissenschaftler.

Auf diesen Grenzwert hat man sich bei der Pariser Klimakonferenz geeinigt, um eine katastrophale Verselbstständigung des Klimawandels zu verhindern. Die kapitalistische One World befindet sich aber derzeit auf dem besten Weg, die globalen Temperaturen um 2,7 Grad zu erhöhen - weitaus höher als im Pliozän.

Die Grenze von 1,5 Grad wird von der Wissenschaft als ein Schwellenwert betrachtet, nach dessen Überschreitung der Klimawandel eine unkontrollierbare Eigendynamik entwickelt. Nach dem Überscheiten bestimmter quantitativer klimatischer Kipppunkte drohen somit irreversible qualitative Veränderungen des Gesamtsystems (Die Dialektik des Klimawandels)

Warnungen vor einem plötzlichen Umschwung

Solche "qualitativen" Umwälzungen des Klimawandels, die durch langfristige, Jahrhundertelande "quantitative" Veränderungen des Klimawandels (Erhöhung der CO2-Konzentration) ausgelöst werden, werden selbst nach menschlichem Ermessen rasch ablaufen. Der plötzliche Umschwung würde in einer kurzen Periode stattfinden, die in Dekaden gemessen werden könnte. Die weitverbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem Klimawandel, die sich in der Parole "Nach mir die Sintflut" wunderbar manifestiert, könnte sich somit am "dialektischen" Prozess des Klimawandels blamieren.

Während insbesondere der rechte und rechtsextreme Stammtisch, der in dem öffentlichen Diskurs des Exportweltmeisters Deutschland wieder Oberwasser gewinnt, den Klimawandel entweder leugnet oder verharmlost, reagieren die kapitalistischen Funktionseliten auf ihre ganz eigenen Weise auf die große Eisschmelze in der Arktis.

Die Anrainerstaaten der Arktis streiten sich um den Zugang zu den Ressourcen und fossilen Energieträgern, die unter dem rapide schwindenden Eispanzer der Arktis liegen. Russland, Kanada, Dänemark und die USA befinden sich in heftigen Auseinandersetzungen um Wirtschaftszonen und Einflusssphären in der arktischen Region, berichtete The Guardian Mitte September. Russland, das beste Aussichten bei diesem neoimperialistischen arktischen Wettrennen hat, will inzwischen sogar über die Eigentumsfrage des Nordpols verhandeln.

Die durch den Klimawandel ausgelöste arktische Eisschmelze motiviert die kapitalistischen Staatsmonster der Region dazu, sich die Ressourcen der Region zu sichern - und noch mehr Treibhausgase in die Luft zu blasen.

Evident ist somit, dass der Kapitalismus mit seinem Uferlosen Wachstumszwang das genaue Gegenteil einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise ist, die notwendig wäre, um den drohenden Klimakollaps noch abzuwenden. Die Überwindung des Kapitalismus stellt somit auch eine ökologische Überlebensnotwendigkeit der menschlichen Zivilisation dar. Reformen greifen hierbei eindeutig zu kurz, wie sich leicht ausführen lässt.