Die Medien rüsten für den möglichen Krieg im Irak auf

Der erste Krieg im Netz?

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Der Golfkrieg 1991 war der Krieg der Zensur, des Fernsehens und von CNN. Die Journalisten, die in Baghdad waren, mußten ihre Texte aus dem irakischen Fernsehsender übermitteln, in dem Zensoren überprüften, was ihnen gefiel. Auch CNN konnte zu Beginn des Krieges Nachrichten zunächst nur über eine spezielle Telefonschaltung übermitteln. Erst als man über eine eigene Satellitenverbindung verfügte, ließen sich die Live-Bilder senden, die wir allen noch kennen und die CNN jede Konkurrenz an die Seite drücken ließ. Ansonsten hatten die Journalisten auch außerhalb von Irak nur Zugriff auf Bilder, die ihnen von den Militärs gegeben wurden, und ihre Meldungen wurden zensiert. Man wollte Vietnam, den ersten Krieg, der über das Fernsehen direkt in die Wohnzimmer der Zuschauer gebracht wurde, nicht wiederholen.

1991 war eine Satellitenverbindung noch etwas Seltenes, heute ist dies für die Fernsehsender Routine. CNN ist auch nicht mehr der einzige Nachrichtenkanal, der 24 Stunden am Tag sendet. Überdies hat der Irak auch mehr Journalisten den Zutritt nach Baghdad gewährt. Saddam Hussein richtet sich auf den Fernsehkrieg ein und will ihn vermutlich für sich ausbeuten, wenn nicht mehr der "saubere" Krieg gezeigt wird, sondern die Toten und Verletzten. Die lebenden Schilde, die Irak vermutlich an den Angriffszielen postiert, schützen nicht vor Angriffen, sie sind Futter für die Medien. Von den etwa 200 zugelassenen Medienleuten in Baghdad kommen die meisten vom Fernsehen, wobei die großen Sender ihre Satellitenschüsseln bereits eingerichtet haben und somit unabhängig vom irakischen Sender sind. 12 Satellitenschüsseln befinden sich bereits in der irakischen Hauptstadt, CNN allein hat 20 Angestellte, darunter natürlich wieder den legendären Peter Arnett, eingeflogen. Die immensen Kosten müssen hereingespielt werden, aber den Kuchen müssen sich jetzt viele teilen. In manchen Zeitungen erschienen bereits Anzeigen von CNN, die für die Berichterstattung des Senders über den drohenden Konflikt mit den Worten warben: "That was then. This is now."

BBC, Sky und ITN haben beispielsweise auf dem englischen Flugzeugträger mit dem beschwörenden Namen HMS Invicible eine Satellitenschüsseln, um zum ersten Mal Live-Bilder zu übertragen. Hier allerdings werden die Bilder auch vom Militär zensuriert werden, allerdings ist das bei Live-Sendungen schon schwerer, und die irakische Zensur kann hier keinerlei Einfluß ausüben. Vermutlich werden aber die Angriffe in der Nacht und noch dazu in Nächten ausgeführt werden, in denen Neumond oder der Himmel bedeckt ist. Viel wird es da nicht zu sehen geben. Auch Baghdad wird kein primäres Ziel darstellen, sondern die weit verstreuten Waffenlager, Militäranlagen und Kommunikationsinfrastrukturen. Live-Bilder werden also reichlich schwarz sein, und die Medien sind wiederum darauf angewiesen, die Bilder von den Angriffen von den Militärs zu erhalten.

Aber es wird diesmal, wenn es denn wirklich so weit kommen sollte, noch etwas anders sein: es wird der erste Krieg sein, der auch im Web stattfindet. Schon jetzt haben alle englischen und amerikanischen Sender auf ihren Web-Sites umfangreiche und permanent aktualisierte Berichte über die neue Krise eingerichtet. Die Menschen sitzen nicht mehr vor dem Fernseher, sondern reichen im Netz Nachrichten und Gerüchte weiter oder diskutieren in Newsgroups. Konservative Gruppen wie die Heritage Foundation fordern einen Angriff, irakische Oppositionsgruppen wie die Iraq Foundation haben auch nichts gegen eine Vernichtung von Hussein. Andere Gruppen fordern ein Ende der UN-Sanktionen oder wollen erreichen, daß der militärische Schlag nicht stattfindet. Die irakische Regierung scheint noch keine eigene Web-Page eingerichtet zu haben, aber die amerikanische Regierung und das Militär sind in das Netz eingedrungen, um ihre Perspektive darzustellen und ihre Informationen aktuell und weltweit zu vermitteln. Selbst die im Persischen Golf stationierten Truppenverbänden sind im Netz präsent. Die Flugzeugträger Independence und George Washington, die Luftwaffe und die Navy, das Camp Doha in Kuweit und das 24. Expeditionskorps haben ihre Homepages. Und manche Soldaten dürfen auch Emails empfangen und senden, auch wenn ihnen verboten wurde, darin über militärische Dinge zu schreiben. Das Pentagon hat den Reportern eingeräumt, frei über das zu berichten, wozu sie Zugang haben, aber daß der Zugang überwacht wird.

Die Menschen jedenfalls werden in dem möglichen Krieg durch das Netz und über die konkurrierenden Medien viel mehr Möglichkeiten haben, sich selbst zu informieren und andere Quellen heranzuziehen. Bald werden auch Satelliten um die Erde kreisen, die von jedem Gebiet der Erde hochaufgelöste Bilder jedem zur Verfügung stellen. Noch sind sie in den Händen der Militärs. Am 24.12.1997 wurde von einer russischen Trägerrakete bereits der erste kommerzielle Satellit, der Bilder von Gegenständen auf der Erde bis zu drei Metern liefern soll, in seine Umlaufbahn gebracht. Die Firma mit dem bezeichnenden Namen Earthwatch wollte mit Early Bird 1 die Möglichkeit für jedermann bieten, s-w oder farbige Bilder von der Erdoberfläche gegen eine Gebühr - auch über das Internet - zu bestellen. Die Mindestsumme beträgt 300 US-Dollar. Doch nach dem erfolgreichen Start ist Early Bird verstummt. Nachdem er seine Umlaufbahn eingenommen hat, lassen sich keine Signale mehr empfangen. Das "Recht auf Wissen", das die Öffentlichkeit und vor allem die Journalisten gerne für sich Anspruch nehmen, ist noch vertagt. Angekündigt sind ähnlich hochauflösende Spionagesatelliten aber von amerikanischen, französischen, israelischen, indischen und russischen Firmen. Für 1999 ist bereits ein Satellit mit dem Namen QuickBird geplant, der Bilder mit einer Auflösung von weniger als einem Meter liefern soll. Gegenwärtig bieten die schärfsten Satellitenbilder der Erde eine Auflösung von etwa 10 Metern.

Medien, aber auch Regierungen oder Terroristen könnten also bald auch Bilder von geheimen Anlagen oder von Krisengebieten erhalten. Noch hat sich die US-Regierung das Recht einbehalten, die kommerziellen Satellitenbilder von amerikanischen Anbietern in Krisenzeiten zu verbieten oder sie etwa an die Regierungen von Kuba, Nord-Korea, Iran oder Irak zu verkaufen. Aber das kann sich ja bald ändern - und dann können wir künftige Kriege, anders als beim Irak-Krieg 1991 vielleicht unzensiert verfolgen. Und die Militärs müssen tatsächlich mit dem Star War beginnen.