Die Menschheit sagt, ob Geld glücklich macht

Nach einer angeblich repräsentativen weltweiten Umfrage hängt zwar die Zufriedenheit vom Einkommen ab, nicht aber auch automatisch die Lebensfreude

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Glauben wir Meinungsumfrageinstituten und Wissenschaftlern, so nähern wir uns der Möglichkeit, Ergebnisse von repräsentativen Umfragen für die ganze Menschheit zu erhalten und das globale Gehirn zu testen. Das US-Meinungsforschungsinstitut Gallup hat erstmals 2005 und 2006 eine weltweite Umfrage in 132 Ländern durchgeführt und dabei mehr als 136.000 Menschen im Alter ab 15 Jahren befragt. Die Menschen in diesen Ländern repräsentieren 96 Prozent der Weltbevölkerung, durchschnittlich wurden pro Land mehr 1.000 Menschen befragt. Kleine Länder wie pazifische Inselstaaten wurden nicht aufgenommen, in Nordkorea blieben den Befragern die Türen bzw. Telefone verschlossen.

Psychologen der University of Illinois haben unter der Leitung von Ed Diener die "erste repräsentative Umfrage des Planeten Erde" im Hinblick darauf ausgewertet, ob und wie Lebenszufriedenheit oder Glück mit dem Einkommen zusammenhängen. Auch aus anderen Studien ist bekannt, dass Wohlstand die Lebenszufriedenheit erhöht und dass die Menschen in reichen Ländern gemeinhin glücklicher als Menschen in sehr armen Ländern sind. Die Unterschiede innerhalb der Länder sind allerdings geringer.

Mehr Geld, so die neue, in der Zeitschrift Journal of Personality and Social Psychology erschienene Studie Wealth and Happiness Across the World, senkt die Stimmung – unabhängig von den Kulturen - ganz offensichtlich nicht, sondern lässt die Zufriedenheit wachsen. Allerdings, so ein kleiner Trost für die Geringverdiener und Armen, werden die reicheren Menschen offenbar mit der Zunahme ihres Einkommens nicht notwendigerweise auch glücklicher (Sind die Reichen die geistig und genussfähig Armen). Richtiger müsste es heißen: damit nehmen nicht ihre positiven, aber auch nicht ihre negativen Gefühle zu, sagen die Psychologen. Dieser Zusammenhang ist allerdings weniger ausgeprägt als der zwischen Zufriedenheit und Einkommen.

Natürlich hängt die Antwort auf die Frage, ob mehr Geld glücklicher macht, davon ab, wie man Glück definiert (einmal ganz abgesehen davon, ob sich über eine Selbstauskunft überhaupt ein aussagekräftiges Ergebnis erzielen lässt). Die Psychologen haben für ihre Analyse vor allem zwischen materiellem (Einkommen, Lebensstandard, Besitz von Luxus- oder Statussymbolen, ausreichende Nahrung, Behausung) und sozialen bzw. psychischen Faktoren unterschieden. So wurde etwa gefragt, ob sich die Menschen anerkannt fühlen, ob sie sich auf Familie und Freunde verlassen können, ob sie sich frei entfalten und Neues lernen können, wie viele Stunden sie am Tag arbeiten bzw. Freizeit haben etc. Allerdings lassen sich beide Ebenen nicht wirklich trennen, vermutlich wird relativer Reichtum auch das Ansehen und den Status einer Person erhöhen und daher größere Zufriedenheit mit sich bringen, während relative Armut "objektiviert", dass man ein Underdog ist. Die Lebenszufriedenheit schätzten die Menschen subjektiv auf einer Zehner-Skala von dem schlechtesten möglichen Leben bis zum bestmöglichen ein.

Schwierig ist freilich schon die Festlegung, wie sich das zugrunde gelegte jährliche Haushaltseinkommen messen lässt, da oft die Größe eines Haushalts gar nicht bekannt ist und das Einkommen relativ zum nationalen Durchschnittseinkommen bewertet werden muss, wobei Unterschiede in den Ländern – etwa Stadt-Land – wegfallen. In armen Ländern ist die Frage, ob man im Besitz der drei "Luxusgüter" Fernseher, Computer oder Internetzugang, sinnvoll, in reichen Ländern sind Luxusgüter anders definiert. Und beispielsweise bedeuten ein paar Dollar mehr für einen Armen ganz etwas anderes wie für einen Reichen, was die Psychologen versucht haben zu berücksichtigen, in dem sie beim Haushaltseinkommen eine Log-Normalverteilung zugrunde legten.

Bei einem Viertel der Befragten werden nach der Umfrage die grundlegenden Lebensbedürfnisse nach Nahrung und Unterkunft nicht erfüllt. Kein Wunder, dass bei diesen die subjektive Lebenszufriedenheit am geringsten ist. Ansonsten scheinen Lebensstandard, Besitz der "Luxusgüter" und Einkommen direkt mit der Zufriedenheit korreliert zu sein, aber diese haben kaum eine Auswirkung auf die "positiven" Gefühle, die eher mit der Erfüllung der sozialen/psychischen Bedürfnisse verbunden sind. Für Arbeitszeit bzw. Freizeit ließen sich keine Unterschiede hinsichtlich Glück oder Lebenszufriedenheit ermitteln. Mehr "Freizeit" erhöht bekanntlich nicht an sich die Zufriedenheit, mehr Arbeit kann auch glücklicher machen. Unterschiede zwischen Frauen und Männern wurden auch nicht festgestellt.

Für die Psychologen ist ihre Studie die weltweit erste, die zwischen der Lebenszufriedenheit und den alltäglichen positiven und negativen Gefühlen unterscheidet. Man habe bislang nur auf das Verhältnis zwischen Lebenszufriedenheit und Einkommen geschaut. Hier konnte die Studie also bestätigen, dass wachsender Reichtum für steigende Zufriedenheit sorgt, aber sie zeigt nach Ansicht der Psychologen eben auch, dass der Einfluss des Einkommens auf das empfundene Lebensglück nicht so hoch ist.

So stehen zwar die reichen europäischen und angloamerikanischen Länder bei der mit dem Einkommen verbundenen Lebenszufriedenheit an erster Stelle, nicht aber notwendigerweise, wenn es um die emotionale Komponente der sozialen oder psychischen Lebenszufriedenheit geht, hier punkten beispielsweise die lateinamerikanischen und manche afrikanischen Länder. Die USA haben beispielsweise zwar das höchste BIP pro Kopf, zufriedener sind jedoch die Dänen oder die Holländer, die größte "Lebensfreude", wie man die "guten", mit sozialen und psychischen Komponenten verbundenen Gefühle auch nennen könnte, findet man jedoch in Neuseeland oder in Costa Rica. Geld, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, trägt schon deswegen zur Lebenszufriedenheit bei, weil sich alles in den modernen Gesellschaften um Geld dreht. Aber es sei eben doch nicht alles. Zwar sind nicht einfach die Armen auch glücklich, aber die Lebensqualität hängt nicht einfach vom Reichtum oder vom BIP ab, weswegen die Gesellschaften nicht nur ökonomische Faktoren berücksichtigen sollten, sondern auch (sozial)psychologische Variablen.