Die Mossadegh-Legende

Seite 7: Schlussfolgerung

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Mossadeghs Pech waren die denkbar ungünstigen innenpolitischen und internationalen Rahmenbedingungen. Wie gezeigt wurde, musste Mossadegh besonders im Putschjahr 1953 an etlichen innenpolitischen Fronten kämpfen: gegen Royalisten, Abtrünnige, die zuvor wichtige Verbündete waren, und gegen den relativ mächtigen, politisch aktiven schiitischen Klerus. Zeitweise, bis Sommer 1952, hatte er auch die erstarkende, offiziell verbotene Tudeh-Partei gegen sich.

Zu jenem Zeitpunkt im Kalten Krieg durfte aus Sicht des Westblocks der Iran mit seiner wichtigen, geostrategischen Lage unter keinen Umständen dem Sowjetblock angegliedert werden. Während es für Großbritannien eher um den ökonomischen Aspekt ging, lag Washingtons Augenmerk auf dem kommunistischen "Sowjet-Handlanger", der Tudeh-Partei.

Obwohl die USA am Ende nach dem Putsch ökonomisch auch relativ stark vom neuen Vertrag bzw. Konzessionsvertrag (1954) profitierten und insgesamt 40% des Anteiles - gleich verteilt auf fünf US-Companies - erhielten, wollten die beiden US-Administrationen eher die Gefahr eines sowjetischen Übergriffes auf Iran abwenden. Große amerikanische Ölkonzerne verfolgten mit großem Interesse den Verlauf des Öldisputes zwischen Großbritannien und dem Iran.

Mohammad Mossadegh regierte exakt zwei Jahre, drei Monate und 15 Tage. Bevor er Premierminister wurde, kritisierte er oft die unsauberen Parlamentswahlen. Als Premierminister mit Sondervollmachten versuchte er, möglichst einwandfreie Wahlen abzuhalten. Er scheiterte.

Bei den Wahlen zum 17. Parlament brach er den Wahlprozess ab, nachdem nur 79 Sitze von insgesamt 136 bestimmt worden waren. Mossadegh begründete das mit der Einmischung des Militärs und des königlichen Hofes. Das Referendum - sein letzter Akt als Premier - verlief nicht ohne eklatante Ungereimtheiten.

Internationale Beziehungen bzw. internationale Politik sind auch Machtpolitik. Mossadegh als Regierungschef eines schwachen Landes, das gerade von sowjetischer und britischer Teilbesetzung nach dem Zweiten Weltkrieg befreit worden war, legte sich mit zwei mächtigen Akteuren an: Großbritannien und den USA.

Er war zu keinem Kompromiss bereit. Wenn der Premier den letzten britisch-amerikanischen Vorschlag akzeptiert hätte, hätte der Iran später aus einer viel stärkeren Machtposition heraus einen besseren Deal verhandeln können.

Die darauffolgende Geschichte Irans bezeugt, dass in Folge der Iranische Revolution von 1979 der Konsortialvertrag seitens des neuen revolutionären Regimes annulliert wurde und die Klage des Konsortiums vom Internationalen Gerichtshof 1990 abgewiesen wurde. Mossadegh hätte die Nationalisierung der Erdölindustrie, das heißt die volle Kontrolle des Iran über sein Eigentum, erreichen können.

Ein verbleibendes Problem wäre die Entschädigung gewesen, die in der Tat - und hier hatte Mossadegh Recht - eine große Schuldenlast für den Iran gewesen wäre. Andere Staaten wie Saudi-Arabien (1950, Arabian-American Oil Company/Aramco) und Venezuela (1949) hatten ein 50/50-Agreement erreicht, während Iran 1953 eine volle Verstaatlichung hätte erzielen können, wenngleich mit dem Problem der Schadenskompensation.

Auf dem Hohepunkt seiner Macht wollte der Schah auch den Vertrag kündigen. Der Schah mahnte 1973 an, dass der Öl-Vertrag "auf keinen Fall" verlängert werden dürfte, nachdem die laufende Periode 1979 zu Ende ginge, d. h. kein Vertrag bis 1993. Als Grund gab er an, dass der Vertrag nationalen Interessen des Iran zuwiderlaufe. Dazu sollte es nicht kommen. 1979 brachte die Revolution die iranische Monarchie zu Fall.

Aber der Monarch sprach zum obigen Zeitpunkt selbstbewusst aus der Machtposition einer Regionalmacht, welche kaum zu vergleichen mit Irans Situation 1953 ist. Iran war der fortschrittlichste und ökonomisch stärkste Staat in Westasien und hatte eine der stärksten Wirtschaftswachstumsraten der Welt. Ervand Abrahamian schreibt: "Im Jahr 1975 hatte der Schah die größte Marine im Persischen Golf, die größte und modernste Luftwaffe in Westasien und die fünftgrößte Armee der Welt."

Heute ist das Tabuthema Mossadegh für iranische Historiker und Forscher gebrochen. Für die meisten der jüngeren Generation im Iran sind solche Diskussionen über Mossadegh gänzlich jedweder Attraktivität. Für die Iraner mittleren Alters und aufwärts muss klar sein, dass diese Geschichte lange her ist, 66 Jahre - bevor mehr als 90% der heute lebenden Bevölkerung des Iran geboren wurden.

Gasiorowski rät den Iraner, die Geschichte der Vergangenheit zuzuschreiben und den Blick nach vorne zu richten. Es gibt auch andere Nationen, die sogar mehr unter fremder Intervention gelitten haben als der Iran. Man rufe sich nur einmal den Fall (Nord-)Vietnams ins Gedächtnis.

Nur 20 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges, im Jahre 1995 unter William Jefferson (Bill) Clinton wurden zwischen Washington und Hanoi Botschafter ausgetauscht und im November 2000 wurde Clinton überschwänglich in Hanoi empfangen. Heute sind die USA wichtigster Handelspartner des nach wie vor kommunistischen Vietnams.

Die Verwicklung der CIA in Putsche in Guatemala (1954, ein Jahr nach Mossadegh) und Chile (1973) liegen ebenfalls einige Jahrzehnte zurück und beide Länder sind mittlerweile Demokratien und unterhalten gute Beziehungen zu Amerika.

Die Feindschaft der Mullahs zu den USA ist ideologisch-religiöser Natur, das gilt nicht für die iranische Bevölkerung. Doch 66 Jahre nach dem Putsch ist dieser immer noch ein Thema zumindest für die Iraner der älteren Generationen. Für sie gleicht Mohammad Mossadegh einem Mythos, einer Legende, der Mossadegh-Legende.

Verwendete Hauptquellen in Kurzform:

  • Roosevelt, Kermit: Countercoup, 1979
  • Bayandor, Darioush: Iran and the CIA, The Fall of Mosaddeq, 2010
  • Gasiorowski, Mark J. and Byrne, Malcolm (eds.): Mohammad Mosaddeq and the 1953 Coup in Iran, 2004
  • Mohaddesa, Kamiar and Pesaran, M. Hashem: One Hundred Years of Oil Income and the Iranian Economy
  • Abrahamian, Ervand: The Coup 1953
  • Abrahamian, Ervand: A History of Modern Iran, 2013
  • Jalal Matini: Negahi beh Karnameh Siyasi Dr. Mossadegh (Ein Blick auf die politische Karriere von Dr. Mohammad Mossadegh)
  • Stephan Kinzer: All the Shah’s Men: An American Coup and the Roots of Middle East Terror, 2003
  • Mirfetrus, Ali: Asib Shenasi yek Shekadt, az Enghelabe Mashruteh ta Enghelabe Eslami (Die Pathologie einer Niederlage, von der Konstitutionellen Revolution bis zur Islamischen Revolution), 2008
  • Balke, Kristen: The U.S.-Soviet Confrontation in Iran, 2009