Die Mossadegh-Legende
Seite 5: Hätte Mossadegh auf den Deal eingehen müssen?
- Die Mossadegh-Legende
- Internationale Rahmenbedingungen am Vorabend des Coups
- Der Coup
- Warum scheiterte Mossadegh?
- Hätte Mossadegh auf den Deal eingehen müssen?
- War es ein Coup d'État?
- Schlussfolgerung
- Auf einer Seite lesen
Es gab insgesamt fünf Angebote von Großbritannien, den USA und der Weltbank, die allesamt von Mossadegh abgelehnt wurden. Bedeutend waren die beiden letzten.
Die Initiative kam eher seitens des US-Außenministers Dean Acheson, der bemüht darum war, den Streit friedlich und durch Verhandlungen lösen zu wollen. Der erste "Churchill-Truman Vorschlag" am 27. August 1952 hat Mossadegh ebenfalls abgelehnt. Der zweite amerikanisch-britische Vorschlag - das Beste und das Letzte - legte Botschafter Henderson am 20. Februar 1953 dem iranischen Premierminister vor.
Von großer Bedeutung für beide Parteien war, wer der Schiedsrichter ist (Denn Haag oder iranische Gerichte) und noch wichtiger war die Frage der Entschädigung. Beim letzten Angebot hatte Großbritannien bzw. AIOC die Verstaatlichung prinzipiell anerkannt, verlangte aber nicht nur Entschädigung für alle Anlagen und Liegenschaften, sondern auch eine Entschädigung für alle künftigen Einnahmen, die das Unternehmen bis zum Datum des Vertrags (das gültige Abkommen, dass nach der Verstaatlichung vom Iran außer Kraft gesetzt wurde) erhalten hätte.
Das bedeutete bis zum Jahr 1993 und gemäß des aktuellen Marktpreises. Das wäre in der Tat eine teure und lange Schuldenlast. Mossadegh lehnte in einer Radioansprache an die Nation am 20. März 1953 den zweiten amerikanisch-britischen Vorschlag ab. Sein Haupteinwand betraf die Frage der Entschädigung. Er war der Ansicht, dass der Wortlaut des Vorschlags darauf hindeutet, dass die Briten eine Entschädigung für Geschäftsausfälle und zukünftige Einnahmen fordern.
Viele glauben, dass Mossadegh einen großen Fehler gemacht hat, als er diesen letzten Vorschlag ablehnte, denn als Konsequenz kamen die Amerikaner und Briten zu dem Schluss, dass sie den Öl-Disput nicht durch Verhandlungen mit Mossadegh lösen konnten. John Jernigan, Vize-Direktor der Abteilung für den Nahen Osten und Südasien des US-Außenministerium sprach zwei Wochen vor dem Coup mit Alahyar Saleh, Irans Botschafter in Washington, und sagte:
Wir haben zwei Jahre lang versucht, eine Lösung zu finden, aber unsere Bemühungen scheiterten. Wenn die iranische Regierung das Angebot angenommen hätte, würde Iran alle Erkundungs-, Erforschungsarbeiten, Gewinnung sowie Förderung und Profit übernehmen und könnte Öl-Experten aus jedem Land einstellen. Durch die Annahme dieses Angebots würde sich durchaus ein Markt für den Verkauf von iranischem Öl finden, und drittens würde sich ein internationales, unparteiisches Tribunal mit der Entschädigung befassen, und der Iran könnte die Schuldenlast bzw. die Entschädigung innerhalb einer begrenzten Zeit durch die Öllieferung begleichen. Wir könnten auch die Last und den Druck des großen Verbündeten - England - , dem wir verpflichtet sind, loswerden und dem Iran mit verschiedenen Mitteln helfen. Die Forderung der iranischen Regierung, die Entschädigung auf den Wert der Anlagen, Einrichtungen und Liegenschaften zu beschränken, ist für uns nicht akzeptabel.
John Jernigan
Mossadegh hatte auch iranische Kritiker, sogar aus eigenen Reihen bzw. hohe Berater in Ölangelegenheit. Jalal Matini, Autor des persischsprachigen Buches "Ein Blick auf die politische Karriere von Dr. Mohammad Mossadegh" sagt: "Alle Experten, die mit Mossadegh zusammenarbeiteten, haben erklärt, dass das gemeinsame Angebot von USA und Großbritannien [zweites Angebot] im Einklang mit der Verstaatlichung des Erdöls steht. Sogar als Mossadegh selbst das Angebot erhielt, rief er einen oder zwei seiner Freunde an und sagte, kommt, die Angelegenheit ist im Begriff, gelöst zu werden."
Eine Gruppe von prominenten Involvierten sagte, Mossadegh sei zu dieser Zeit von seinen Hardlinern beeinflusst worden, und deren Einfluss habe seine Entscheidungen geprägt. Ehsan Naraghi, ein Soziologe und Berater von Farah Pahlavi, der während des Öldisputes Vertrauter Ayatollah Kashanis war, erklärte gegenüber einem Radiosender:
Mossadegh war eine sehr eigensinnige sture Person. Weil er meinte, er sei ein Patriot, waren die anderen nicht mehr existent und wichtig für ihn. Alle von Mossadegh selbst ernannten Ölmanager stimmten dem zweiten britisch-amerikanischen Angebot zu, aber auch hier sagten [Mossadeghs enge radikale Freunde] Ingenieur Kazem Hasibi [Vorsitzender der "Partei Iran" in der Nationalen Front] und Dr. Shayegan [Generalsekretär der Nationalen Front] nein. Es war leichter für sie, nicht zuzustimmen als zuzustimmen. Er [Mossadegh] sagte, ich würde meine Unterschrift auf keinen Fall unter jenes Abkommen setzen. Denn er befürchtete, das Volk würden dann sagen, dass er ein Dokument unterzeichnet habe, welches den nationalen Interessen zuwiderläuft.
Ehsan Naraghi
Iraj Amini, ein Forscher, dessen Vater Ali Amini nach dem Sturz Mossadeghs als iranischer Verhandlungsführer für die Ölverhandlungen verantwortlich war, sagte ebenfalls:
Ich hörte von Fuad Rouhani [Leiter der Rechtsabteilung der Oil Company unter Mossadegh und später erster Generalsekretär der OPEC] selbst, dass er sagte, er sei mit einer anderen Person zum Zeitpunkt des Vorschlags zu Dr. Mossadegh gegangen. Ihm zufolge hatte Mossadegh das Angebot zuvor angenommen. Ich hörte von Herrn Rouhani, dass sich zwei Tage später - nach dem Treffen von Dr. Mossadegh mit Dr. Shaygan und Ingenieur Hassibi - die Meinung von Mossadegh änderte. Und es stellt sich für Mossadegh wieder die Frage der Entschädigung, dass der Iran nach diesem Vorschlag eine Entschädigung für viele Jahre zahlen sollte.
Iraj Amini
Ervand Abrahamian, einer der führenden Wissenschaftler der Modernen Geschichte Irans, verteidigt die Ablehnungsposition:
Mossadegh wollte die britische Company mit Sicherheit entschädigen. Er war bereit, Schadensersatz auf der Grundlage des Vermögens des Unternehmens im Iran zu leisten. Die Amerikaner und Briten sagten nein! Die Kompensation sollten nicht auf der Grundlage des Vermögens im Jahr 1953, sondern auf der Grundlage der Gewinne ermittelt werden, die das britische Unternehmen bis in den neunziger Jahren hätte erzielen können. Der Iran sollte haftbar sein. Das heißt, basierend auf zukünftigen Gewinnen. Gleichzeitig schrieb eine amerikanische Zeitung, dass das Geld, das der Iran zahlen müsse, eine astronomische Summe sein werde. Wenn Mossadegh zugestimmt hätte, wäre der Iran bis in den 1990er Jahren Großbritannien gegenüber verschuldet gewesen. Der Iran konnte sich eine solche Entschädigungssumme nicht leisten, um das Öl zu verstaatlichen.
Ervand Abrahamian
Iraj Amini - der Sohn des ehemaligen Premierministers (1961-1962) Ali Amini - der heute ein Gelehrter der iranischen Zeitgeschichte ist, widerspricht Ervand Abrahamian. Der Vertrag, den sein Vater 1954 ausgehandelt und unterschrieben hatte, stünde nicht im Widerspruch zum Gesetz zur Nationalisierung der Erdölindustrie von 1951. "Es gab keinen anderen Weg", verteidigt er den Deal.
Die Einnahmen des Iran stiegen und waren definitiv besser. Aber wenn Dr. Mossadegh das Ölproblem selber gelöst hätte, wäre der Iran nicht mehr in der schwachen Position der Regierung von Premier Zahedi gewesen und hätte wahrscheinlich ein viel besseres Abkommen unterzeichnen können. Aber leider hatten wir zu dem Zeitpunkt alle Angebote abgelehnt und mit dem Ereignis vom 19. August befanden wir uns in einer sehr schwachen Position.
Ervand Abrahamian
Auch der promovierte Jurist und Buchautor zur Ölgeschichte Irans, Mohammed Ali Movahed, schreibt: "Gemäß des neuen Vorschlages würde Großbritannien auf die Verwaltung der Ölindustrieaktivitäten und das Verkaufsmonopol an das Ausland verzichten bzw. sie verlieren. […] Dr. Mossadegh hätte dieses Angebot wenigstens als Basisverhandlung akzeptieren können. Das Ergebnis war - außer dass die nationale Regierung Mossadeghs gestürzt wurde - dass wir nach drei Jahren internationalem Boykott und der Zahlung horrender Entschädigung zu der Formel 50/50 gelangt sind, die in den anderen Ländern auch der Fall war."
Movahed fügt hinzu, dass bei der Annahme des Angebotes viel eher das finale Ziel der Nationalisierung der Erdölindustrie hätte erreicht werden können. Er bestätigt auch, dass drei Personen Mossadegh stark beeinflussten: Mehdi Bazargan (späterer Premierminister der provisorischen Regierung nach der Revolution), Dr. Shaygan und Kazem Hasibi, und diese drei hätten keine Ahnung von der Lage des Erdöls im Ausland.