Die Obergrenze für (tödlichen) Frauenhass ist erreicht

Seite 2: Alles Nazis?

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Nun gibt es viele berechtigte Gründe, gegen die AfD zu protestieren. Und es gibt auch berechtigte Gründe, der AfD Rassismus vorzuwerfen. Und es gibt auch berechtigte Gründe, den "Marsch der Frauen" zu meiden. Einer der Gründe ist die Pegida-Rhein-Main-Organisatorin Heidi Mund, die den Marsch bewirbt und vermutlich dort als Rednerin auftreten wird. Damit ist die Richtung, in die diese Frauen marschieren, klar.

Die fundamentale Christin Mund organisierte 2014 in Frankfurt einen "Jesusmarsch" gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Mit einer fundamentalen Christin gegen den fundamentalen Islam. Willkommen in Deutschland im Jahr 2018!

Das sollten Frauen, die sich für Feministinnen halten, sich auf der Zunge zergehen lassen, bevor sie sich für oder gegen die Teilnahme an dem Marsch entscheiden.

Aber es gibt auch berechtigte Gründe, sich die Anhängerinnen und Wähler der AfD, vor allem deren Beweggründe, einmal genauer anzuschauen. Selbst wenn wir die Partei und den Parteiapparat anschauen, dann wird das Bild der ewiggestrigen rassistisch motivierter Nationalistinnen und Nationalisten eben nicht bestätigt. Zumindest nicht durchgängig.

Alice Weidel z. B. ist bekennende Homosexuelle und lebt in der Schweiz mit einer Migrantin zusammen. Das ändert nichts daran, dass sie Frontfrau einer Partei ist, die Homosexualität, insbesondere die "Ehe für alle", ablehnt. Und die Zuwanderung nur von Migrantinnen und Migranten fordert, die der Wirtschaft nützlich sind. Aber eine Alice Weidel macht diese Partei für Frauen und Homosexuelle attraktiv.

Sie steht für eine gewisse Offenheit, einen gewissen gesellschaftlichen Pluralismus, dem aber Grenzen gesetzt werden. Und genau diese Grenzen, im eigentlichen wie im übertragenen Sinn, vermissen viele Menschen, vor allem Frauen.

Der Eindruck ist entstanden, es kämen immer mehr Geflüchtete, vor allem alleinstehende Männer, aber niemand sei mit der Lösung der daraus entstehenden Probleme befasst. Und dann kommt eine wie Alice Weidel und sagt: "Zuwanderung muss nach unseren Regeln stattfinden. Die Grenzen müssen umgehend geschlossen werden."

Zumindest steht das so im Wahlprogramm, und Alice Weidel steht für die Bundestagsfraktion. Das kommt an. Und macht jene, die sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen fühlen und deshalb auf die AfD setzen nicht per se zu Rassistinnen oder gar Nazis. Wobei selbstverständlich auch von den Anhängerinnen und Wählern der AfD erwartet werden kann, dass sie das Wahlprogramm in Gänze lesen.

Und eine Entscheidung für die AfD ist eine Entscheidung gegen eine pluralistische Gesellschaft, gegen Frauenrechte und für ein bestenfalls streng konservatives Familien- und ein sehr geschlossenes Weltbild. Es ist eine Entscheidung für eine Partei, deren Spitzenfrau Beatrix von Storch an der Grenze auf Flüchtlinge schießen lassen wollte.

Trotzdem hat ein Teil der Wählerinnen und Wähler der AfD eigenen oder familiären Migrationshintergrund. Auch Leyla Bilge, die Organisatorin der "Marsches der Frauen" und Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Öhme hat kurdische Wurzeln, ist vom Islam zum Christentum konvertiert und unterhält den Verein Leyla e.V., der Frauen in Krisengebieten unterstützt.

Leyla Bilge sorgte für Schlagzeilen, weil sie für ein Verschleierungsverbot protestierte - in einen Niqab gehüllt, dessen sie sich entledigte und darunter ein "Deutschland"-Kleid zum Vorschein brachte. Über diese Aktionsform ließe sich lange lamentieren, in linken und Antifa-Kreisen gilt Leyla Bilge als "Islamhasserin".

Allerdings ist sie auch alles andere als unproblematisch. Bekannt ist, dass Leyla Bilge 2017 die Compact-Konferenz von Jürgen Elsässer moderierte. Das führt ihr Engagement vom kommenden Wochenende völlig ad absurdum. Elsässer ist bekanntlich Fan des ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

"Nun ist der ehemalige iranische Regierungschef nicht nur ein glühender Antisemit, er stand auch einem der frauenverachtendsten Regime der Welt vor", begründet die Initiative "Frauen für Freiheit" ihre Nicht-Teilnahme an Leyla Bilges Frauenmarsch .

Wer allerdings mit Jürgen Elsässer eine Bühne teilt, dessen Freund Ahmadinedschad Regierungschef des frauenverachtenden iranischen Regimes war, in dem gerade wieder tausende Frauen unter höchster Gefahr gegen die Kopftuchpflicht kämpfen, der tritt nicht für Frauenrechte ein, sondern benutzt Frauenrechte als Vorwand für seine eigenen politischen Zwecke. Denn das Sammelbecken Bilges aus Verschwörungstheoretikern, Antisemiten und Diktatorenfreunden ist so weit entfernt von einer demokratischen Partei wie die von Bilge inbrünstig verunglimpften Altparteien von einer vernünftigen Flüchtlingspolitik.

"Frauen für Freiheit"

Dem ist an sich nichts mehr hinzuzufügen.