Die Piraten als mediales Drama
- Die Piraten als mediales Drama
- Die einseitige Darstellung der Piraten als Avantgarde
- Die Kritik an den Piraten als Fortsetzung des Dramas
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Ob die Medien die Piraten als Rebellen feierten oder gegenwärtig als Dilettanten verdammen - immer ging es ihnen vorrangig darum, die junge Partei als spannende Story zu verkaufen
Noch vor Jahresfrist hatten die Piraten ein durchaus positives Medienecho. Die Journalisten interessierten sich für die junge Partei und gaben ihren Vertretern viel Raum, sich öffentlich zu äußern. Die journalistische Resonanz war so stark, dass Frank Schirrmacher twitterte, die über die Partei berichtenden Journalisten würden über kurz oder lang selber zu Piraten.
Glaubt man der aktuellen Berichterstattung, sieht es für die Piraten nicht gut aus. Ihre Umfragewerte sinken. Wichtige Parteivertreter streiten sich öffentlich. Ein ausgegorenes Parteiprogramm ist nach wie vor nicht zu erkennen. Andere, wie Weisband und Schramm, untergraben scheinbar die Glaubwürdigkeit der Partei in zentralen Fragen, weil sie ihre Bücher nicht kostenlos ins Internet stellen wollten, Schramm ist deswegen aus dem Parteivorstand zurückgetreten. Kurz nach den spektakulären Wahlerfolgen auf Landesebene scheint sich das Projekt Piratenpartei selbst zu demontieren.
Folgerichtig fragte Bild.de kürzlich: "Saufen die Piraten ab?". Manche Kommentatoren nutzen die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Partei für eine Generalabrechnung:
Bei den Piraten klaffen Anspruch und Wirklichkeit auf groteske Weise auseinander. Sie lehnen alles ab, was Politik ausmacht. Die Prophezeiungen der Kritiker erfüllen sich in Rekordzeit.
Welt
Solchen Darstellungen zufolge hat sich die Partei längst als ein chaotischer Haufe von Schwätzern enttarnt.
Die Überzeichnung der Piraten durch die Medien
Es stellt sich die Frage, ob dieses Medienbild zutrifft. Fakt ist, dass die Partei viele Fehler gemacht hat. Die Medien haben die Piraten aber auch hochstilisiert als neue politische Kraft, die Hoffnung machte auf einen politischen Aufbruch. Der Grund für diese Stilisierung ist der gleiche, der aktuell auch für die Häme und Kritik verantwortlich ist: Für die Medien waren und sind die Piraten vor allem ein Thema, mit dem sie die Aufmerksamkeit ihres Publikums zu wecken versuchen.
Journalisten haben die Piraten seit ihrem Aufschwung in den Umfragen im letzten Jahr vor allem als spannende Story gesehen und beschrieben. Dazu gehörte eine unreflektierte Übernahme der Avantgardepose der Partei. Ob die Partei angesichts der Schwierigkeiten der Parteineugründung wirklich halten konnte, was sie versprach, wurde zu selten realistisch reflektiert. Die Neugründung einer Partei ist harte Arbeit. Eine solche Organisation wird nicht in wenigen Monaten beschluss- und kampagnenfähig. Aber weil eine derartige Reflektion und Differenzierung der Story vom politischen Aufbruch entschärft hätte, verzichteten die Medien meistens darauf.
Im Folgenden will ich zeigen, wie und warum die politischen Newcomer zu einer unterhaltsamen Medienstory werden konnten. Wesentlich dafür war das Bild von den Piraten als einer völlig neuen, unbelasteten und authentischen Bewegung, die gegen festgefahrene Verhältnisse kämpft. Anschließend gehe ich auf den Umstand ein, dass die Probleme von Parteigründungen und des politischen Engagements junger Leute selten ernsthaft zum Medienthema geworden sind. Die Abwesenheit dieser Betrachtung führte zu rigorosen Erwartungen und gegenwärtig überzogenen Aburteilungen der Piratenpartei.
Die Suche der Medien nach unterhaltsamen Stories
Um Geld zu verdienen, müssen die Medien die Aufmerksamkeit ihres Publikums möglichst dauerhaft binden. Also bemühen sie sich um attraktive Inhalte. Medien bieten ihrem Publikum Neuigkeiten, also Abweichungen vom Gewohnten und bisher Bekannten. Neuigkeiten überraschen und versprechen Abwechslung von einem eintönigen Alltag. Besonderen Neuigkeitswert bieten Kämpfe und Konflikte. Kämpfe schaffen Geschichten von Sieg und Niederlage.
Die Kämpfenden werden von den Medien als interessante Figuren zu gestaltet. Als Helden oder Schurken, als Aufrechte oder Bösewichter wecken sie die Sympathien und Antipathien des Publikums. Zugleich weisen Kämpfe in die nähere Zukunft. Niemand weiß, wie der Kampf ausgehen wird. Sie durchbrechen die übliche Vorhersehbarkeit alltäglicher Abläufe. Diese Ungewissheit erzeugt, wie etwa bei Fußballspielen, Spannung und den Wunsch, das Ende dieser Geschichte zu erfahren. Kämpfe versprechen Fortsetzungsgeschichten, die über einen längeren Zeitraum die Neugierde des Medienpublikums auf sich ziehen können.
Das Erstarken der Piraten bot den Medien geeigneten Rohstoff für solche Dramen mit Unterhaltungswert. Sie ließen einen Kampf erwarten, denn die Partei wollte massive gesellschaftliche Veränderungen. Jede Forderung der Piraten war auch ein Angriff auf die Interessen anderer Gruppen. Wer damit sympathisierte, konnte nun hoffen, dass die Piraten sich längerfristig durchsetzen würden. Wer in den Piraten eine Gefahr sah, musste um den Status Quo bangen. Die Aufmerksamkeit der Piraten-Sympathisanten und ihrer Gegner war den Medien sicher. Beide Gruppen wollten wissen, ob die Partei erfolgreich sein würde oder nicht.
Das mediale Drama um die Piraten konnte aber nur durch Zuspitzung verfangen. Journalisten mussten die Avantgardepose der Partei überbetonen, damit das Publikum die Aussicht auf Kämpfe und Veränderungen plausibel finden konnte. Jegliche Differenzierung der tatsächlichen praktischen Möglichkeiten der Piraten hätte das Drama entschärft. Die Partei als Story wäre dadurch nur langweilig geworden. Dies geschah unter anderem dadurch, dass sie der Selbststilisierung der Piraten viel Raum gaben, ohne diese kritisch zu hinterfragen.