Die Riesenaufgabe
Seite 2: Zu viel CO2. Problem: Roheisen- und Stahlerzeugung, Zementindustrie
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- Zu viel CO2. Problem: Roheisen- und Stahlerzeugung, Zementindustrie
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Ein großes Problem ist, dass es in der Industrie auch außerhalb der Energiewirtschaft einige wichtige Prozesse gibt, bei denen sehr viel CO2 freigesetzt wird. Das betrifft z.B. die Roheisen- und Stahlerzeugung und die Zementproduktion. Die deutsche Zementindustrie verursacht etwa 20 Millionen Tonnen CO2 jährlich, die Stahlerzeugung 67 Millionen Tonnen.
Hier muss man fragen, ob es sinnvoll ist, den Hochofenprozess auf Wasserstoff als Reduktionsmittel umzustellen? Wir haben in Deutschland keine Eisenerzförderung, d.h. wir müssen das Eisenerz sowieso importieren. Außerdem wissen wir nicht, wie sich der Stahlverbrauch in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren entwickeln wird.
Wenn wir also die Technologie der Stahlerzeugung umstellen, sollten wir vielleicht überlegen, als Rohstoffbasis Schrott zu verwenden und diesen im Lichtbogen einzuschmelzen. Das Verfahren ist bekannt. Es funktioniert hervorragend und benötigt nur einen Bruchteil der Elektroenergie, die für wasserstoffbasierte Verfahren benötigt würde.
Ganz unschön ist die Situation bei der Zementproduktion. Beim Kalkbrennen wird der Kalkstein (Calziumcarbonat) thermisch in Calziumoxid und Kohlendioxid gespalten, d.h. der größte Teil des anfallenden CO2 stammt hier nicht aus fossilen Brennstoffen, sondern dem eingesetzten Rohstoff und lässt sich deshalb nicht vermeiden.
Wir können aber die Zementproduktion deshalb auch nicht drosseln oder einstellen, denn die Baustoffe werden ja gebraucht. Und importieren ist auch keine Lösung, dann wird das CO2 nur irgendwo anders freigesetzt. Man muss allerdings beim CO2-Sparen auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Damit, dass bei der Zementproduktion CO2 erzeugt wird, müssen wir leben. Und wenn wir die CO2-Erzeugung hier schon nicht vermeiden können, könnten wir versuchen, das CO2 zumindest sinnvoll nutzen.
In Zukunft darf unsere chemische Industrie nicht mehr auf fossilen Brennstoffen als Rohstoffen zur Erzeugung von großtonnagigen Massenprodukten basieren. Aber man wird auch in Zukunft kleintonnagige, höherveredelte Produkte der organischen chemischen Industrie benötigen. Und als Kohlenstoffquelle für diese Chemie kann man dann CO2 nutzen.
Die Idee, dafür CO2 aus der Luft zu filtern, ist viel zu kompliziert. Das können die Pflanzen besser. Aber wenn wir beim Kalkbrennen große Mengen CO2 in hoher Konzentration erzeugen, sollten wir überlegen, ob wir diese nicht als Rohstoff nutzen können, anstatt sie in die Luft zu blasen.
Derzeit werden beispielsweise an der RWTh Aachen Verfahren entwickelt, CO2 reduktiv mit Wasserstoff und Methanol zu Methylformiat umzusetzen. Das kann dann als C1-Baustein in die verschiedensten Richtungen weiterverwendet werden. Beispielsweise kann man es zu Ameisensäure und Methanol verseifen oder mit 2H2 zu Methanol hydrieren. Das so erzeugte Methanol ist ein wichtiges Lösungsmittel und ebenfalls ein möglicher Rohstoff für Synthesen. Außerdem kann man es leicht speichern und als Treibstoff in Ottomotoren und Turbinen einsetzen.
Und wenn man es geschickt anstellt, kann man das anfallende CO2 zunächst als Methylformiat zwischenspeichern und erst dann zu Methanol weiterhydrieren, wenn für die Wasserstoffproduktion überschüssiger Strom zur Verfügung steht. Im Prinzip eine saisonale Langzeitspeicherung. Aber das wird frühestens in 10 Jahren aktuell, denn bis dahin haben wir keinen überschüssigen Strom für die Wasserstofferzeugung, weil wir mit dem erzeugten grünen Strom an anderen Stellen mehr CO2 einsparen können.
Sackgasse Wasserstoff
Für die Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser durch Elektrolyse benötigt man etwa 50 kWh/kg. Um die 20 Millionen Tonnen CO2, die in der Zementindustrie jährlich anfallen, zu Methanol zu hydrieren, würde man 2,7 Millionen Wasserstoff benötigen, zu dessen Erzeugung 136 TWh Elektroenergie gebraucht würden.
Man sieht an diesem Beispiel sehr gut, dass eine große Wasserstoffindustrie eine Sackgasse ist, weil die benötigten Strommengen einfach zu groß sind.
Derzeit plant die Bundesregierung, dass 2030 mit einem Stromeinsatz von 20 TWh Wasserstoff erzeugt werden soll, das wären 400 000 t/a. Und bis 2040 soll dann die Menge verdoppelt werden. Einerseits ein Tropfen auf einen heißen Stein, andererseits ein Wahnsinnsaufwand ("Die Berge kreißten und gebaren ein Mäuschen").
Zum Vergleich: 2020 wurden in Deutschland etwa 1,7 Millionen Wasserstoff (57 TWh Energieinhalt) erzeugt, allerdings nicht durch Wasserelektrolyse (siehe auch: Prognosen zum Strombedarf zur Wasserstoffherstellung).
Zurzeit wird versucht, eine Wasserstoffs-Auktionsbörse mit dem Namen "H2 Global" zu installieren, die Zertifikate und Lieferverträge für zukünftigen grünen Wasserstoff aus dem Ausland handeln soll. Dabei gibt es noch gar keine größere Produktion von grünem Wasserstoff weltweit. Und selbst wenn in Zukunft eine Wasserstoffproduktion mit Photostrom in der Sahara oder am persischen Golf aufgebaut wird, ist der Transport zu uns völlig ungelöst und jedenfalls sehr teuer.
Aus "beihilferechtlichen Gründen" ist das Ganze als Industriestiftung geplant, mit der Firma HINT als operativem Arm. Finanziert werden soll es über die KfW, also von der Bundesrepublik. Und es soll schnell noch vor der Bundestagswahl die ersten Auktionen geben, weil das für künftige Koalitionsverhandlungen wichtig ist.
Im Klartext: Man plant, durch den Handel mit nicht vorhandenem Wasserstoff schnell noch vor der Bundestagswahl vollendete Tatsachen zu schaffen und eine von Anfang an unrentable Industrie mit staatlichen Mitteln zu subventionieren, weil eine große Lobby der deutschen Industrie an Bau und Lieferung der Anlagen sowie Spekulationsgeschäften interessiert ist. Natürlich nicht mit eigenem Geld, versteht sich.
Statt irgendwelche Luftbuchungen zu finanzieren, sollte man das Geld der KfW lieber in den Ausbau von Solar- und Windstrom in Deutschland investieren. Da wird unterm Strich mit dem gleichen Geld mehr CO2 eingespart. Außerdem sollten wir zusehen, dass wir langfristig unabhängig von allen Energieimporten werden. Wie schon oben gesagt: "Erneuerbare Energie ist genug vorhanden, man muss sie nur nutzen."
Und die dazu notwendigen Anlagen sollte man bei uns errichten, nicht irgendwo in der Sahara. Ist sicherer.
Leider bringen sich zurzeit alle Lobbyisten der fossilen Energie in Stellung, um zu retten, was noch zu retten ist. Dabei wird hauptsächlich auf Wasserstoff gesetzt, denn mit dieser Technologie lässt sich der Overall-Wirkungsgrad der Energiespeicher auf unter 25 Prozent drücken, was dann im Umkehrschluss einen vierfachen Energiebedarf bedeutet (einige Quellen gehen sogar vom sechsfachen Energiebedarf aus).
Dass es natürlich sehr viel aufwändiger ist und länger dauert, die vierfache Stromerzeugung aufzubauen, ist jedem klar. Aber so lange wir nicht genügend grünen Strom erzeugen, müssen wir fossile Energieträger nutzen.