Die Schlacht um Falludscha als Hollywoodfilm

Noch immer gehen die Kämpfe in der Stadt weiter, die weiterhin abgeriegelt ist

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Möglicherweise plant man in Hollywood ein wenig voreilig einen ersten Film über den Irak-Krieg, der ausgerechnet die Kämpfe um Falludscha zum Inhalt haben soll. Angeblich wird Harrison Ford die Hauptrolle des US-Generals Jim Mattis spielen, der nach der Ermordung von vier amerikanischen Söldnern im März (Triumph der Grausamkeit) begonnen hatte, die Stadt zu stürmen, dann aber wieder vom Weißen Haus zurück gepfiffen wurde (Die Erfolgsstory verwandelt sich in einen Albtraum).

Marine tritt in Falludscha eine Türe ein, um das Haus zu durchsuchen. Foto: Marine Corps

Das Drehbuch wird auf dem Buch von Bing West basieren, das allerdings noch nicht fertig ist. Von West, einem ehemaligen Marine, der sich nun als Kriegskorrespondent betätigt, dürfte Kritisches nicht wirklich zu erwarten sein. Schon am 27. Juli 2003 hatte West erklärt, dass die USA den Krieg im Irak gewonnen hätten, als die beiden Hussein-Söhne getötet worden waren und die Marines noch auf wenig Widerstand trafen. Wie es heißt, soll der Film über die "Schlacht von Falludscha" - wenig erstaunlich - aus der Sicht der amerikanischen Soldaten und Politiker gedreht werden.

Eine zentrale - und wohl auch legitimierende - Rolle sollen die vier getöteten und im Triumph durch die Stadt geschleiften Söldner spielen. Dahinter werden die schon im Angriff im April getöteten Iraker, darunter viele Zivilisten, eher im Dunkeln bleiben. Und die zahlreichen jetzt getöteten Iraker, darunter Kinder, Frauen und Alte, die teilweise in ihren Betten erschossen wurden oder deren in den Straßen liegende Leichen von Hunden gefressen werden, dürften dem Kinopublikum auch vorenthalten werden, um einen sauberen und gerechten Krieg zu zeigen. Ein irakischer Blogger hat Fotografien veröffentlicht, die in Falludscha gemacht wurden und nun in den Dörfern um die Stadt herum zirkulieren, damit die Menschen ihre Toten identifizieren können. Ebenso wenig werden natürlich auch Bilder der vielen schwer verwundeten und verstümmelten US-Soldaten veröffentlicht. Damit wird die Wirklichkeit des Krieges systematisch aus den Medien ausgeblendet, die solche grausamen Bilder teilweise auch deswegen nicht veröffentlichen, weil dies sensationslüstern oder gar eine Verherrlichung von Gewalt sein könne (zu Beginn des Irak-Krieges hatte deswegen die "Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter" Telepolis kritisiert: Bilder von Kriegsopfern unerwünscht). Gefördert werden derart Hollywood- oder Computerspielversionen von Kriegen.

Auch jetzt schreibt West, der die Marines als die "tödlichste Killermaschine der Welt" charakterisiert, natürlich vom Sieg in Falludscha. In einem Artikel vom 4.12. berichtet er von der Einnahme der Stadt durch die Marines, was vermutlich Schlüsse auf das Buch erlauben dürfte:

Deciding otherwise, the residents fled the city, leaving a few thousand jihadists to their fate. In a swift offensive, American soldiers and Marines swept in and hunted them down, destroying every house and mosque where Zarqawi's soldiers stood and fought. Seventeen-thousand buildings were searched, uncovering cache after cache of weapons. The numbers were staggering: Over 100,000 explosives found in just one section of the city.

Bulldozers and backhoes are now shoveling the debris from the streets. The few remaining insurgents emerging from the ruins have been quickly cut down. The other day, four of them fired from a cluttered alley at two passing Humvees. Half a minute later, they were dead. A Marine battalion commander, Lt. Col. Pat Malay, shot the last of the four. "It's a good day when you get into it," Cpl. Michael Yerena, the vehicle commander in the second Humvee, said to me. "You feel you've earned your pay."

Hausdurchsuchung am 10.12. in der zerstörten Stadt. Foto: Marine Corps

Am 19. November meldete der Kommandant der Marines, dass Falludscha befreit sei. Man habe über 1.000 Aufständische getötet und ebenso viele Männer im kampffähigen Alter festgenommen (Die Niederlage von Falludscha). Von den getöteten und verletzten Zivilisten hört man weder von amerikanischer Seite noch von der der irakischen Übergangsregierung (25. Jahrestag NATO-Doppelbeschluss). Seitdem war immer einmal wieder von einigen wenigen "Widerstandsnestern" und von dem schnell beginnenden Wiederaufbau die Rede. Einen Monat später durften die Bürger von Falludscha, die vor den Kämpfen geflohen sind, noch immer nicht die Stadt betreten.

Angeblich will man in den nächsten Tagen - und ausgerechnet am wenig muslimisch, dafür aber amerikanisch bedeutsamen 24.12. - mit der Rückkehr in die großflächig zerstörte Stadt beginnen - unter gleichfalls extremen Sicherheitsbedingungen (Mr. und Mrs. Iraqi). Die Stadt würde wohl eher mit einem Hochsicherheitsgefängnis vergleichbar sein. Es sollen nur fünf Straßen aus dem Norden in sie hinein geöffnet werden, um die Stadt von Norden nach Süden, wo sich die Widerstandsnester befinden, wieder zu bevölkern - sofern die vertriebenen Einwohner in einer zerstörten und überwachten Stadt für sich eine Zukunft sehen. Zunächst sollen nur die Haushaltsvorstände eingelassen werden, Frauen und Kinder müssen noch draußen bleiben. Alle kampffähigen Männer werden an Kontrollstationen fotografiert, die Fingerabdrücke abgenommen und die Iris gescannt. Jeder muss seinen Ausweis klar sichtbar bei sich führen. Private Autos sind vorerst aus Angst vor Autobomben verboten. Die Kontrolle kann auch dadurch gewahrt werden, dass die Amerikaner mit dem Wiederaufbau die einzigen Arbeitsstellen in der leeren und zerstörten Stadt anbieten können. Wer arbeiten darf, wird natürlich zuvor überprüft. So schnell dürfte unter solchen Sicherheitsbedingungen Falludscha kein Versprechen, sondern eher eine Drohung sein. Und es dürfte auch keine Stadt sein, in der die Wahlen schon Ende Januar stattfinden können.

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Rast in Falludscha. Foto: Marine Corps

Viele der Aufständischen dürften schon vor dem Beginn der Kämpfe die Stadt verlassen haben. Sie haben dazu beigetragen, dass sich "Falludscha, die Hochburg der Aufständischen", wieder vervielfältigt hat - die "Morgendämmerung", wie die US-Militärs die "Befreiung" von Falludscha nannten, ließe sich daher auch anders als ursprünglich intendiert interpretieren. Kämpfe scheint es aber auch jetzt noch zu geben. Auch mit Flugzeugen werden vermutete Stellungen von Aufständischen weiterhin bombardiert.

Das US-Militär sagt allerdings, dass auch der erneute heftige Widerstand in der Stadt keinen Rückschlag der Bemühungen darstelle, die Ordnung herzustellen. Truppen durchsuchen weiterhin die Stadt, Haus für Haus. Während die irakische Übergangsregierung verkündet, die Menschen könnten nächste Woche zurück kehren, warnt der Stratege Daniel Wilson von den Marines, dies erst zu machen, wenn es wirklich sicher sei. Insgesamt aber sei in der gesamten von den Marines kontrollierten Region die Aktivität der Aufständischen geringer geworden. Auch Army-General George W. Casey, der Kommandeur der multinationalen Streitkräfte, versucht zu überzeugen, dass der Widerstand viel stärker wirke, als er tatsächlich ist, indem täglich eine Autobombe in Bagdad hochgeht. In und um Falludscha seien die Angriffe drastisch zurück gegangen. Die Aufständischen würden zudem nicht sehr effektiv vorgehen, was man auch an der geringen Zahl der Opfer sehen könne: "With the liberation of Fallujah, there are no longer any terrorist or insurgent safe havens anywhere in Iraq."

Gelegentlich erinnern die Berichte der US-Militärs ein wenig an die Erzählungen des ehemaligen Informationsministers von Saddam Hussein (Irakische Medienwirklichkeiten). Wenn so General Casey erklärt, dass der Widerstand stärker erscheine, als er ist, wenn nur täglich eine Bombe in Bagdad oder auf der Straße zum Flughafen explodiert, und dann fortfährt: "We will get to a point where the airport road is secure and our people and the people in the embassy are protected against car bombs", dann lässt sich schon erahnen, wie es um die Sicherjeit bestellt. Erst Anfang Dezember war den Angehörigen der US-Botschaft die Benutzung der für die Amerikaner wichtigsten Straße zwischen dem Flugplatz und der Green Zone in Bagdad wegen der zahlreichen Anschläge verboten worden. Weil dies zu gefährlich ist, werden sie seitdem mit Hubschraubern vom und zum Flugplatz gebracht. Zudem hat die Luftwaffe kürzlich die Frachtflüge im Irak wesentlich erhöht, um Transporte auf den Straßen zu vermeiden.

Die noch in Falludscha kämpfenden Aufständischen werden hingegen als wesentlich ungefährlicher bezeichnet, zumindest seien es keine Märtyrer mehr. Die jetzt noch Kämpfenden würden Tunnelsysteme benutzen oder Löcher in die Wände schlagen, um sich unbemerkt bewegen zu können. Daniel Wilson erklärt das so:

Die Meisten, die direkt Märtyrer sein wollten, sind getötet worden. Übrig geblieben sind die Schlaueren oder diejenigen, die den die Stadt durchkämmenden Truppen entkommen sind. Also werden wir weiterhin durchsuchen, das Durchsuchen sichern und erneut durchsuchen.

"U.S. Army soldiers with Tactical Psyop Team 943, 9th Psyop Battalion attached to Regimental Combat Team 1, teamed up recently with Company K, 3rd Battalion, 5th Marine Regiment to help bring down the insurgencies in Fallujah, Iraq, during Operation Al Fajr. While inside the city, the team broadcasted over 60 hours of civilian noninterference, 110 hours of harassment, 40 hours of surrender appeals, which helped with over 100 enemies surrendering in Company K's sector." Text und Foto vom 4.12.: Marine Corps

Ganz in der Tradition des ehemaligen irakischen Informationsministers sind die Berichte von der Seite der Aufständischen, wie sie etwa von Jihad Unspun veröffentlicht werden. Hier gibt es viele Erfolgsmeldungen der umgekehrten Art. Zuletzt erschien eine angebliche Mitteilung des Rates der Mudschaheddin von Falludscha, nach der die US-Truppen sich nach dem am Donnerstag begonnenen Angriff auf einen südlichen Stadtteil wieder zurück gezogen hätten. Dabei seien sechs Aufständische getötet worden, dafür aber gibt es eine lange Liste von Erfolgen. So seien 32 Abrams-Panzer, 12 gepanzerte Bradleys und 43 andere US-Fahrzeuge zerstört worden. Einen Panzer habe man in die Gewalt bekommen sowie 90 Maschinengewehre und andere Ausrüstung wie Nachtsichtgeräte, Granaten u.a. von getöteten Soldaten. Ein Korrespondent von Mafkarat al-Islam will gesehen haben, wie die Mudschaheddin die Amerikaner in die Flucht geschlagen und wieder alte Stellungen eingenommen haben.