Die Stadt, diese schöne neue Welt

Seite 2: Stadtentwicklung: Die Flächennachfrage wird zunehmen

Wer häufiger einmal umgezogen ist – etwa in Wohnungen, für deren ungünstige Grundrisse kein Student ein Diplom bekommen würde – lernte sich zu arrangieren mit dunklen Zimmern, langen Fluren und Dachschrägen.

Man brauchte Fantasie, um es sich wohnlich zu machen. Und eben deswegen waren alle Behausungen gelebte Erfahrungen, die man im Nachgang nicht missen möchte. Man durfte nur nicht mit festen Vorstellungen ankommen; erforderlich war eher ein Akt der Aneignung.

Zudem gibt es einen bedeutsamen biopsychologischen Mechanismus: Aus der sogenannten Diffusionsforschung ist bekannt, dass Innovationen, die mit hoher Komplexität, einem zu großen Grad an Neuheit und einer gewissen Unsicherheit einhergehen, gerade im engeren Lebensumfeld wenig akzeptiert werden.

Daraus folgt: Das Wohnen und der Wohnungsbau werden nicht neu erfunden. Die Digitalisierung bietet ein Surplus, ohne dass deswegen tradierte Wohnmuster selbst infrage gestellt werden. Die grundsätzlichen Ansprüche an das Habitat bleiben, sie werden nicht dematerialisiert, doch sie verfeinern sich gegebenenfalls.

Ganz anders sieht es beim Wirtschaften aus. Es ist zu erwarten, dass die Digitalisierung im produzierende Gewerbe einen Beschäftigungsabbau bewirkt. Zugleich aber sind flexible Workspaces die umsatzstärksten Branchen am deutschen Büromarkt.

Der Trend wird sich fortsetzen und die Flächennachfrage in zentralen, hochfrequentierten Lagen weiter steigen. Neue Arbeitsformen verändern das Gesicht der Stadt vorwiegend in sozialer Hinsicht (Fachkräftemangel, Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt, Verdrängungseffekte auf dem Wohnungsmarkt usw.), doch auch in städtebaulicher Form (FabLabs, Campus-Anlagen großer Firmen, smarte Fabriken).

Doch eine identifizierbare Zielrichtung hat das noch nicht. Vielfach wird so getan, als sei klar, was etwa die Büroarbeit der Zukunft architektonisch ausmacht: Glasflächen, viel Tageslicht, wenige Wände, eine offene Treppenskulptur, trendige Möbel. Die offenen Geschossflächen werden zu großen Teilen mit Mobiliar gegliedert oder mit Glaswänden abgetrennt.

Um trotz heterogener Mieterschaft jedem Nutzer den bestmöglichen Komfort zu bieten, unabhängig davon, an welchem Platz er gerade arbeitet, werden intelligente Decken eingebracht. Kühlung, Heizung und Beleuchtung sind hier integriert und mit mehreren tausend Sensoren versehen. Alles kann mit einer App über das Smartphone bedient werden.

Vermutlich ist das nicht die abschließende Antwort. Wie überhaupt vieles am Schlagwort von der "produktiven Stadt" denkbar und wünschenswert ist – etwa die Rückkehr von Kleinindustrien, die emissions- und lärmarm sind. Im großen Maßstab realistisch ist das jedoch kaum.

Hinzu kommen potenzielle Probleme: So kann etwa rentables Wirtschaften auf kleinen urbanen Flächen und auf der Basis von 3-D-Druckern Verdrängung und Gentrifizierung bewirken – wie ja heute schon Co-Working-Spaces ganz andere Mietpreise aufzurufen in der Lage sind als traditionelle Gewerbe und Büros.

Auf der städtischen Ebene vermischen sich die unterschiedlichen Trends und Bedingungen auf das Unübersichtlichste. Folgt man dem Soziologen Armin Nassehi, dann kann eine Technologie sich nur durchsetzen, wenn sie den Nerv der Gesellschaft trifft. In seinen Augen sei die Gesellschaft schon im 19. Jahrhundert eine moderne digitale gewesen.

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