Die Supermacht USA versteht zu wenig

Nach dem Kalten Krieg ist die Welt auch sprachlich komplizierter geworden, doch Diplomaten und Geheimdiensten können mit den dafür erforderlichen Fremdsprachenkenntnissen nicht mithalten

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Die Welt nach dem Kalten Krieg ist komplizierter geworden. Das drückt sich auch sprachlich aus. So sind beispielsweise mit dem Zerfall der Sowjetunion eine Reihe neuer Staaten entstanden, deren Amtssprache nicht mehr russisch ist. Und die Bedrohung geht nicht mehr nur von Militärs oder Geheimdiensten aus, sondern auch von terroristischen Gruppen, die im Prinzip über relativ einfach herzustellende Massenvernichtungsmittel verfügen können.

Bis auf China sind die USA gegenwärtig die globale Supermacht - nicht nur militärisch, technisch, wirtschaftlich oder kulturell, sondern auch sprachlich. Englisch ist unangefochten die Weltsprache, wie immer entstellt und verwandelt sie auch werden mag (Barbies Fleisch). Das lässt natürlich die Notwendigkeit für die Amerikaner sinken, überhaupt noch eine Fremdsprache zu erlernen, da sie schließlich überall durchkommen und eine gewisse Kompetenz ihrer eigenen Sprache voraussetzen können. Nur 8,2 Prozent der Studenten an Colleges und Universitäten nehmen überhaupt an Fremdsprachenkursen teil, so die New York Times, und sie lernen überwiegend Spanisch, Französisch oder sogar Deutsch, aber nicht die heute erforderlichen Sprachen wie Chinesisch oder Arabisch. Im letzten Jahr machten in den USA nur neun Studenten einen Abschluss in Arabisch, etwa 140 in Chinesisch.

Doch mit den vielen neuen Akteuren aus neuen Krisenzonen entsteht für die Regierung, aber auch für die Geheimdienste die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Sprachen verstehen zu müssen, die bislang ohne große Bedeutung waren. Das betrifft auch die wachsenden Möglichkeiten der technischen Überwachung, die aber vergeblich sind, wenn keine Übersetzungen vorgenommen werden können. Da fehlen also nicht nur die Kapazitäten, um den wachsenden Strom an Informationen abhören und verarbeiten zu können, oder Experten, die neue Soft- und Hardware entwickeln, sondern einfach Übersetzer, die das, was eigentlich schon da ist, verständlich machen.

Ein Problem war etwa 1993, als das FBI zwar Videos und Aufzeichnungen über das Herstellen von Bomben eines Palästinensers hatte, der wegen der Fälschung eines Reisepasses im Gefängnis saß, und dann auch noch aus dem Gefängnis überwacht mit einem Terroristen telefonierte, dem er erklärte, wie er eine Bombe bauen konnte. Aber das FBI hatte niemanden, der arabisch konnte, weswegen die Dokumente und das Telefongespräch erst nach dem Bombenanschlag auf das World Trade Center entziffert wurde. Auch 1998 wurden die US-Geheimdienste von den Atombombentests in Indien und Pakistan überrascht, weil, wie die New York Times berichtet, entsprechende geheime Dokumente noch nicht ins Englische übersetzt werden konnten. Besonders in Krisenzeiten würden Übersetzer fehlen, die beispielsweise Arabisch oder in letzter Mazedonisch können. Auch viele wissenschaftliche und technische Dokumente blieben unübersetzt, so dass, wie ein Kongressausschuss im letzten Jahr feststellte, "Analysten und politische Entscheidungsträgern entscheidende Informationen über den Stand der ausländischen Forschung in ganzen Bereichen fehlen.

Automatische Übersetzungen alleine können das Problem nicht lösen. Das Verteidigungsministerium, dem die meisten Geheimdienste angehören, und das Außenministerium, dessen Diplomaten oft auch nicht über die notwendigen Sprachkompetenzen verfügen, schulen künftige Beamte daher verstärkt in Fremdsprachen, zumal in jenen Sprachen, die an den Universitäten wie Arabisch, Chinesisch oder Russisch zu kurz kommen.