"Die Welt muss die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzen"

Ein Appell von zahlreichen Zeitungen könnte eher nach hinten ausschlagen

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54 Zeitungen aus 45 Ländern, darunter die SZ, der Standard, Le Monde, El Pais, La Repubblica, The Mimami Herald oder The Guardian, haben heute gemeinsam ein Editorial veröffentlicht, das mit Katastrophen droht, wenn die Regierungen der Welt kein verbindliches und wirksames Klimaabkommen in Kopenhagen erreichen werden. Man appelliert an die Verantwortung der Politiker, im Angesicht einer geschichtlichen Entscheidung zu handeln, um möglichst schnell eine "kohlenstoffarme Welt" herbeizuführen.

Die Wissenschaft ist komplex, aber klar. Die Welt muss die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzen - was bedeutet, dass der Ausstoß an CO2, der in fünf bis zehn Jahren seinen Höhepunkt erreicht haben wird, danach sinken muss. Schon bei einem Temperaturplus von drei bis vier Grad - mindestens so viel wärmer wird es, wenn nichts passiert - würden Kontinente ausdörren und fruchtbares Land in Wüsten verwandeln. Jede zweite Spezies würde aussterben, Millionen von Menschen würden heimatlos, ganze Nationen versänken im Meer.

Aus dem Editorial

Ausgegangen ist die Initiative für einen "Weckruf" vom britischen Guardian. Der hat damit eine Aktion geschafft, die sicherlich bislang einmalig ist, allerdings dürften, wie die Zeitschrift selbst einräumt, Konkurrenz auch eine Rolle gespielt haben, warum in vielen Ländern nur eine Zeitung an dem Aufruf teilgenommen hat. Angeblich aber habe nur "eine Handvoll" die Mitwirkung abgelehnt.

Schwierig sei gewesen, einen Text zu finden, hinter dem alle stehen konnten, ohne ihre Leser zu verärgern. So wurde etwa gefordert, dass die reicheren westlichen EU-Länder einen größeren Beitrag leisten müssten, als die neuen EU-Mitglieder, oder dass die Industrieländer als die bisherigen Hauptprofiteure der drohenden Klimaerwärmung zu höheren Zielen und mehr Unterstützung verpflichtet seien. Diese Inhalte flossen ein, mit einem beträchtlichem Schuss an den üblichen Katastrophenmeldungen, erstaunlich aber ist, wie unkonkret das Editorial dennoch geblieben ist: schlechtes Vorbild für das, was uns vermutlich als Ergebnis der UN-Klimakonferenz erwarten wird.

Es ist nicht einmal die Rede von der Mindesthöhe von Emissionsreduzierungen oder von der Menge der Gelder, mit denen die Menschen in den Industrienationen rechnen müssten, wenn der Klimaerwärmung tatsächlich beherzt entgegen getreten werden sollte. Man setzt auf Optimismus, die Vision sieht so aus:

Die Transformation wird viel Geld kosten, aber viel weniger als die Rettungsaktionen für die Banken - und sie wird weitaus billiger sein als wenn nichts geschieht. Viele von uns, vor allem in der entwickelten Welt, werden ihren Lebensstil ändern müssen. Die Zeit, in denen ein Flug billiger ist als die Taxifahrt zum Flughafen, muss bald vorbei sein. Wir werden intelligenter einkaufen, essen und reisen müssen. Wir werden mehr für Energie zahlen müssen und weniger davon verbrauchen.

Aus dem Editorial

Einen Verweis auf "Climategate", wie die Leugner der von Menschen verursachten Klimaerwärmung und damit die Kritiker der "Klimalüge" sagen, vermisst man im Text der SZ, im Standard oder im Guardian ist er jedoch vorhanden (was darauf hindeutet, dass es unterschiedliche Versionen des "gemeinsamen" Editorials gibt). Die Gegner haben wieder Aufwind erhalten, nachdem ein Server der britischen Klimaforscher von der CRU gehackt und zahlreiche Emails veröffentlicht wurden, die zeigen, wie manche Vertreter der anthropogenen Klimaerwärmung im UN-Weltklimarat IPCC, ganz konform dem Wissenschaftsbetrieb, Daten aufhübschen und gegen Konkurrenz vorgehen. Diese Auslassung wird dem Appell zweifellos ebenfalls schaden, weil die Klimaerwärmungsleugner sich in ihrer Verschwörungstheorie bestätigt sehen werden (Zweifel an der von den Menschen verursachten Klimaerwärmung) und viele Menschen inmitten der Wirtschaftskrise der angedrohten Katastrophenszenarien müde werden oder vom Mainstream abfallen (Von Climategate, Klimalüge und dem Wissenschaftsbetrieb).

Der "Weckruf" dürfte nichts daran ändern, dass die Unterstützung für einschneidende Maßnahmen zur Verhinderung einer potenziell gefährlichen Klimaerwärmung abkühlt. Das nachlassende Interesse wurde nun auch von einer internationalen Online-Umfrage von Nielsen und Oxford University Institute of Climate Change wieder bestätigt. 37 Prozent der über 27.000 befragten Menschen, die in 54 Ländern an der Umfrage teilgenommen haben, sagen, dass sie "sehr besorgt" über die Klimaerwärmung sind. 2007, vor der Finanz- und Wirtschaftskrise und mit den Live-Earth-Konzerten und Al Gores Film, waren es noch 41 Prozent.

Am meisten besorgt sind die Menschen aus Lateinamerika (57%) und Asien (42%), in Nordamerika sind es nur 25 Prozent. Das weist schon darauf hin, dass US-Präsident Obama zwar nun doch Präsenz am Klimagipfel zeigen wird, dem aber kaum wirklich Taten folgen werden. In China, ein wenig auch in Indien, steigt die Sorge über die Klimaerwärmung.