Die gefährliche Wandlung des Ukraine-Krieges

Themen des Tages: Wie sich der Konflikt zwischen Moskau und Kiew verändert – und was das für Europa bedeutet. Was in Ravensburg und Radebeul falsch läuft. Und wie kalt der kommende Winter wird.

Liebe Leserinnen und Leser,

drei Themen stehen heute, zur Wochenmitte, im Fokus: die Wandlungen des russischen Krieges gegen die Ukraine, der Skandal um Indianer-, Pardon, Indigenenbücher beim Ravensburger Verlag sowie die Energiekrise.

Aber der Reihe nach:

Russland und die Ukraine: von Angriffs- und Terrorkriegen

Der Illusion, der zufolge der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ein baldiges Ende finden wird, hängt kaum mehr jemand an: Die russischen Truppen sichern offensichtlich ihre Kontrolle über die ostukrainischen Regionen im Donbass sowie die Halbinsel Krim ab. Die aber möchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jüngsten Aussagen zufolge zurückerobern.

Wie man es also dreht und wendet: Dieser Krieg wird uns in seinen unüberschaubaren Dynamiken noch lange verfolgen. Darauf weist nicht nur die festgefahrene Lage an den Frontlinien hin, sondern auch der veränderte Charakter des Konfliktes.

Die ukrainische Seite geht in zunehmendem Maße zu einem Partisanenkrieg gegen die Invasoren über, bei dem kleine und oft verdeckte Einheiten hinter der Front operieren und, glaubt man dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB, auch Anschläge in Russland verüben. So lautet zumindest die Darstellung des Dienstes, nachdem eine Autobombe am Samstagabend die rechtsgerichtete Aktivistin Daria Dugina in den Tod gerissen hat. Die 29-Jährige hatte zuletzt als Pressesprecherin für ihren Vater, den rechtsextremen Philosophen Alexander Dugin gewirkt, der Präsident Wladimir Putin nahestehen soll.

Die Meldung über den Tod der Dugin-Tochter wurde zunächst in einigen der inzwischen üblichen Ukraine-Krieg-Newsticker von einer weiteren Nachricht flankiert: In der Ukraine wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft fast zeitgleich ein führender Geheimdienstmitarbeiter, Oleksandr Nakonetschnyj, tot in seiner Wohnung aufgefunden. Indizien weisen darauf hin, dass sich der Mann selbst das Leben genommen hat. Nakonetschnyj war seit dem vergangenen Jahr Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU in der Region Kirowograd.

In beiden Fällen fordert die journalistische Sorgfaltspflicht äußerte Zurückhaltung, weil sichere Informationen fehlen. Klar ist nur eines: Der russische Angriff gegen die Ukraine droht in einen langen, schmutzen Krieg zu münden, der, unter welchen Umständen auch immer, Opfer auch hinter der Front fordert. Das bedeutet einen weiteren Kontrollverlust und eine zusätzliche Eskalation.

Zahlreiche Medien liefern nun Hintergründe zum Rechtsextremen Alexander Dugin, der in der Nacht zum Sonntag in einem Toyota Land Cruiser auf einer trostlosen Autobahn Moskaus seine Tochter verlor. Telepolis hatte sich Dugin und seiner Rolle in der russischen Politik in den vergangenen Monaten wiederholt gewidmet, hier eine Auswahl der Texte:

- Putins bürgerlicher Racket-Staat und der Unterschied zum Faschismus

- Die Verachtung Europas

- Wladimir Putin: Das Selbstbild hat Risse

- Der Feldherr und seine Vordenker

- Russischer Nationalist und "Vordenker" Alexander Dugin Stargast bei rechtsextremen Treffen

Der zunehmende Kontrollverlust über den Krieg in der Ukraine und das damit einhergehende Risiko für Europa zeigt sich auch an anderer Stelle. Im "Zentrum für Desinformationsbekämpfung" mit Sitz in Kiew etwa, das eine schwarze Liste online stellte, die auch persönliche Daten und ein Foto des Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rolf Mützenich, enthielt.

Die militärische Entwicklung im Ukraine-Krieg (19 Bilder)

Frontverlauf am 26. Februar 2022

Die Bundesministerin Nancy Faeser und ihr Kabinettskollege Hubertus Heil (beide SPD) sahen Ende Juli dennoch keinen Grund, die Listung ihres Genossen anzusprechen – wie aus der. Antwort auf eine parlamentarische Frage hervorgeht. Das war der Besuch, bei dem sich die Genossen Faeser und Heil nebst Botschafterin Anka Feldhusen und Alt-Boxer Vitali Klitschko frohgemut mit Piccolöchen auf einem Kiewer Balkon ablichten ließen. Dass dieses Foto in der Debatte stand, der damals schon bekannten schwarzen Liste politisch und medial aber kaum Bedeutung beigemessen wurde, sagt viel über unseren Blick auf die Ukraine aus.

Nach der Anfrage aus dem Bundestag ist die Liste auf der Seite der Behörde unter Leitung von Präsident Selenskyj immerhin offline genommen worden. Im Netz kursiert sie weiterhin, politisch ist der Fall ungeklärt.