Die große Irland-Erfolgsshow

Seite 2: Die getricktse Rettung eines Musterschülers

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Die Schulden und die Zinsenlast sind bei diesem "Musterknaben" in den Rettungsjahren besonders stark gestiegen, obwohl auch Irland eine besonders günstige Finanzierung aus dem Rettungsfonds erhielt. Die Zinsen wurden im Laufe des Programms für die Rettungsmilliarden gesenkt. Denn auch die Troika musste einsehen, dass die 6 Prozent eher ein "Todesurteil" war. Man habe damit Irland ein ausreichend langes Seil in die Hand gedrückt, "um uns selbst zu erhängen, in der Hoffnung, dass wir sie nicht alle hängen", wurde 2010 kommentiert.

Doch in mehreren Schritten wurden die Zinsen auf 3,5% gesenkt. Das bedeutet, dass Irland demnächst wieder höhere Zinsen zahlen muss, wenn es sich sein Geld wieder an den Kapitalmärkten besorgen muss. Also wird der Haushalt noch stärker belastet. Wenn aber die Notenbanken weltweit die Geldschwemme angesichts steigender Inflation zurückfahren müssen, dürfte Irland sehr schnell erneut große Schwierigkeiten mit der Refinanzierung bekommen. Im schlechtesten Fall wird die Schuldenlast nicht erst in einigen Jahren untragbar, sondern die Refinanzierung sehr schnell über die Kapitalmärkte unmöglich. Eine baldige Rückkehr unter den Rettungsschirm sollte nicht ausgeschlossen werden. Dass die Zinsen von Krisenländern schon bei der Andeutung der US-Notenbank (FED) im Juni, bald die Geldschleusen schließen zu wollen, wieder stark stiegen, gab einen Vorgeschmack auf das, was droht.

Ohnehin waren Zinssenkungen nicht die einzige besondere Subvention für Irland aus den europäischen Steuertöpfen. Es ging zunehmend bunter zu, um einen "Musterschüler" zu erzeugen. Neben den umstrittenen Ankäufen von Staatsanleihen der Krisenländer durch die EZB, womit die Notenpresse betätigt wurde, wurden zwischenzeitlich die Geldschleusen von der Frankfurter Notenbank immer weiter geöffnet. Da das extrem billige Geld eine rentable Anlage sucht, wurden vermehrt wieder Staatsanleihen von Krisenländern gekauft. Damit sanken die Zinsen, die nun einigermaßen bezahlbar erscheinen.

Gegen alle Vereinbarung wurde zudem die Rückzahlung der Hilfskredite für Irland auf den St. Nimmerleinstag verschoben, um den Haushalt nicht in den nächsten Jahren mit Zinsen und Tilgung zu belasten. Begonnen werden soll nun erst 2038, Dublin bekommt bis 2053 Zeit zur Rückzahlung. Die Verlagerung von Risiken auf den Steuerzahler ist damit aber noch längst nicht zu Ende. Im vergangenen Februar wurde Forderungen des irischen Premierministers Enda Kenny nachgegeben und es kam zu einem komplizierten und teuren Deal für die Steuerzahler. Mit einem Umweg über die Notenbank in Dublin wurden teurere Schuldverschreibungen der irischen Banken-Abwicklungsgesellschaft, die vom Parlament kurzerhand insolvent erklärt wurde, in billigere langlaufende Staatsanleihen eingetauscht, die ebenfalls den Zahlungsaufschub genießen.

Die FAZ sieht darin eine Grenze überschritten und meint, die verbotene "monetäre Staatsfinanzierung" habe begonnen. Klargestellt wurde im Frühjahr, dass Irland die Last der Bankenrettung nicht allein tragen kann und eigentlich längst ein zweites Rettungspaket benötigt. "Aber das wollten 'Euro-Retter' wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble um jeden Preis vermeiden, um die Legende vom irischen Erfolg aufrechtzuerhalten", schrieb Holger Steltzner in der FAZ. "Da folgt eine Notenbank des Eurosystems dem politischen Druck, finanziert die Regierung - und die EZB nickt lediglich verschämt."

Der ehemalige Chefvolkswirt der EZB meint, die "Geschäftsgrundlage der Währungsunion und das Kernmandat der EZB" sei verletzt worden. Jürgen Stark erklärte: "Eine unabhängige Zentralbank mit klarem Auftrag darf das Prinzip des Verbots der monetären Finanzierung nicht zum 'Verhandlungs'-Gegenstand machen." Wie der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber war auch Stark angesichts des EZB-Kurses längst 2012 genervt aus dem EZB-Rat zurückgetreten. Der "Deal" soll verhindert haben, dass Irland neue 20 Milliarden Euro an Staatsschulden zur Bankenrettung anhäufen muss. Doch, darauf weist Stark hin, das war eine "Staatsfinanzierung durch die Notenbank" und die ist nach Artikel 123 des EU-Vertrages verboten.

Dass Irland seine Schulden beim Steuerzahler jemals zurückzahlt, darauf sollte man nicht wetten und nicht hoffen. Denn es ist klar, dass die Staatsschulden nach dem geplanten Ausstieg aus dem Rettungsprogramm weiter steigen werden. Wenn das Land 2038 mit der Rückzahlung beginnen soll, wird es wohl das Schuldenniveau von Griechenland haben. Alle wissen, dass auch das schon durch günstigere Zinsen aufgehübscht und durch einen Schuldenschnitt gesenkt wurde. Da die Schulden weitgehend auf die Steuerzahler verschoben sind, ist klar, wer dafür geradestehen soll.

Eigentlich ist schon längst klar, dass von einem Erfolgsfall niemals gesprochen werden kann und auch Irland (wie Portugal) letztlich nicht am Schuldenschnitt vorbeikommen wird. Dass auch die Propagandisten nicht wirklich an den Erfolg glauben, wird darüber deutlich, dass das Land über den offiziellen Ausstieg aus dem Rettungsprogramm am 15. Dezember hinaus noch weitere zwei Monate Zugang zu ESM-Milliarden hat. Zudem wird eine zusätzliche "Kreditlinie" vorbereitet.

Dabei handelt es sich um Neusprech nach George Orwell. Denn schließlich sind das neue Rettungsmilliarden aus dem ESM, die nun umbenannt werden, um das Bild der "erfolgreichen Rettung" nicht einzutrüben. Und, was noch schlimmer ist, werden die Voraussetzungen im Rahmen der Debatte um die Bankenunion geschaffen, um auch irischen Banken einen direkten Zugriff auf die Steuermilliarden der EU-Bürger zu verschaffen. Auch hier sollen sogar schon Ausnahmen möglich sein, bevor auch nur die Bankenunion steht (Neue Bankenrettungen auf Kosten europäischer Steuerzahler). Dass bald sogar Wochenend-Enteignungen der Sparer möglich werden, zeigt auch auf, dass man sich eher auf einen Notfall für die Billionenschulden von Banken und einen Ernstfall in Italien oder Spanien vorbereitet.