Die südkoreanische Regierung blockiert den Zugang auf Webseiten mit dem Enthauptungsvideo von Kim Sun-Il

Die Terroristen im Irak inszenieren die Enthauptung im Rahmen einer Scheinjustiz, die südkoreanische Regierung gerät unter wachsendem Druck wegen der Beteiligung an den Besatzungstruppen

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Die Entscheidung der Regierung, trotz der Enthauptung der südkoreanischen Geisel Kim Sun-Il durch irakische Rebellen 3.000 weitere Soldaten in den Irak zu schicken, löste Empörung im Land aus. Die Mehrzahl der Südkoreaner war auch schon zuvor gegen die Entsendung von Truppen in den Irak. Weiter geschürt wurde der Ärger über die Regierung, nachdem sie Internetprovider aufgefordert hat, Webseiten mit dem Video der Aufständischen zu blockieren, auf dem sie ihr Exekution begründen und die anschließende Enthauptung zeigen. Es kam allerdings in Südkorea auch zu Bedrohungen des mit 30.000 Muslimen kleinen Bevölkerungsteils. So musste die Polizei, nach einigen entsprechenden Drohanrufen, die größte Moschee in der Hauptstadt in die Luft zu sprengen, diese absichern.

Ausnahmsweise hatte der arabische Sender al-Dschasira gestern mitgeteilt, dass Kim Sun-Il durch Enthauptung von den Aufständischen getötet worden war, ohne die Bilder von der Exekution zu zeigen. Es wurde nur Ausschnitte aus dem Video gezeigt, auf denen Kim Sun-Il mit verbundenen Augen und kniend vor den maskierten Männern zu sehen war, von denen einer die "Urteilsverkündung" vorlas. Danach wurde dem Südkoreaner, einem Dolmetscher, der für einer Zulieferfirma der US-Truppen arbeitete und christlicher Missionar in der Region werden wollte, mit einem Säbel emotionslos der Kopf abgeschlagen, den Zuschauern dann gezeigt und schließlich auf den Körper gelegt - ganz im Stil der Exekutionen im Geist der Scharia, wie sie beim Weltmeister der Enthauptung, in Saudi-Arabien, in der Öffentlichkeit praktiziert werden. Letztes Jahr wurden dort an über 60 Menschen auf diese Weise die Todesstrafe vollstreckt. Anders als bei Erschießung, Giftinjektion oder dem Tod auf dem elektrischen Stuhl ist die Enthauptung archaischer und blutiger, deswegen aber nicht unbedingt auch schon "humaner".

Ganz nach Vorbild früherer Terrorgruppen wird nun offenbar auch von den Terroristen oder Aufständischen wie von der für die Enthauptung von Nicholas Berg und Kim Sun-Il verantwortlichen Gruppe "Tawhid wa al-Jihad", die mit dem geheimnisvollen Topterroristen al-Sarkawi verbunden sein sollen, eine Art Scheinjustiz aufgeführt. Nachdem sich die südkoreanische Regierung nicht zu einem Rückzug ihrer Truppen erpressen ließ, wie die Entführer auf einem Videoband gefordert hatten, das letzten Sonntag an die Öffentlichkeit gelangte und auf dem auch die um ihr Leben bettelnde Geisel vorgeführt wurde, hatten sie nach einer kurzen Verlängerung des Ultimatums dann schließlich die Drohung wahr gemacht.

Auf dem Video sagt der maskierte Mann, der das "Urteil" von einem Blatt abliest: "Hört auf zu lügen, hört auf zu täuschen, da eure Soldaten nicht hier sind, um den Irakern zu helfen. Sie sind wegen der Amerikaner hier." Einen Tag später wurde auf einem Tonband von derselben Gruppe angedroht, den Ayad Allawi, den Ministerpräsidenten der Übergangsregierung, zu töten. Man habe schon mehrere Anschlagsversuche vergeblich durchgeführt, aber eines Tages, so drohte die Stimme, die angeblich die von al-Sarkawi sein soll, werden man ihn ebenso töten wie bereits zuvor das Regierungsmitglied Izzedin Salim, der im Mai bei einem Anaschlag ums Leben kam.

Auf wachsenden Widerstand stößt die südkoreanische Regierung bei der Bevölkerung nicht nur wegen ihrer pro-amerikanischen Haltung. Offenbar ist Kim Sun-Il bereits am 31. Mai entführt worden. So sei bereits Anfang Juni einem mit der Nachrichtenagentur AP verbundenen Fernsehsender ein Video mit dem Gefangenen zugegangen. Man habe dies aber nicht gesendet, weil man nicht wusste, ob Kim Sun-Il gegen seinen Willen festgehalten werden. Am 3. Juni habe ein AP-Reporter beim südkoreanischen Außenministerium angerufen, aber dort erfahren, dass nichts von einem Vermissten bekannt sei. Zur Aufklärung soll es nun eine Anhörung im Parlament geben. Auf dem Video ist Kim Sun-Il alleine zu sehen, der auf Fragen antwortet und unter anderem sagt, dass er die Iraker liebt und die USA wegen des Kriegs verurteilt.

Nun werden Vorwürfe, dass die Regierung Informationen unterdrücken wollte und versäumt hatte, rechtzeitig mit den Entführern zu verhandeln, um das Leben der Geisel zu retten. Die Regierung versichert hingegen, man habe erst von der Gefangennahme durch das Video der Entführer Kenntnis erlangt, nachdem es am 20. Juni von al-Dschasira gesendet worden war. Seltsam ist freilich auch, warum AP das Video nicht veröffentlicht hat. Wollte man womöglich nicht als Propagandamittel für die Entführer dienen?

Zensur im Internet aus politischem Kalkül

Das Video wurde verlinkt unter dem Titel: "Al-Qaida for Kid".

Das Exekutionsvideo hat sich mittlerweile im Internet verbreitet. Es taucht nicht nur auf islamistischen Websites auf, sondern wird auch von Menschen verbreitet, die damit für Meinungsfreiheit und das Recht auf unzensierte Information eintreten oder die Grausamkeit der islamistischen Terroristen demonstrieren wollen, aber natürlich auch von solchen, die einfach der Schaulust dienen wollen. Offenbar ziehen solche Snuff-Filme oder Reality-Videos viele Menschen in den Bann, was man bereit beim Enthauptungsvideo von Nick Berg bemerken konnte. Während die einen freilich "nur" Bilder von solchen realen grausamen Szenen sehen wollen, werden manche, die die Gelegenheit haben wie die Wärter von Abu Ghraib, anscheinend auch dazu verleitet, die Fantasien - vermutlich ähnlich wie die Islamisten im Dienste des Guten - in die Wirklichkeit umzusetzen und dies in Bildern zu bannen.

Möglicherweise war die Folterung eines jungen Deutschen durch Neonazis Anfang Juni in Frankfurt/Oder angeregt von den Bildern, die aus Abu Ghraib um die ganze Welt gingen (Neonazis folterten auf brutale Weise einen jungen Deutschen). Deren sadistisch-sexuelle Grausamkeit könnte womöglich Begierden anstecken, um das auch einmal auszuprobieren. Zumindest scheinen auch Kinder Gefallen an der Imitation zu finden und beispielsweise die Exekution von Nicholas Berg nachzuahmen. Da sie aber wiederum vor den Kameras agierten, ist nicht klar, ob sie selbst auf dieses "Spiel" kamen oder von Erwachsenen angeleitet wurden.

Die südkoreanische Regierung jedenfalls hat im Versuch, die Wogen der Erregung und der Kritik durch Blockierung von Webseiten mit dem Video zu dämpfen, wohl einen Fehler gemacht. Das Kommunikationsministerium hat heute alle südkoreanischen Internetprovider aufgefordert, den Zugang zu ausländischen Webseiten zu sperren, auf denen das Video angeboten wird. Moon Ki-hwan, ein Sprecher des Ministeriums, sagte, man habe bislang acht Webseiten im Ausland entdeckt, die in Zusammenarbeit mit den lokalen Internetprovidern für die südkoreanischen Internetbenutzer blockiert worden seien. Zusätzlich wurde der Zugang zu drei Webseiten gesperrt, deren Betreiber bislang lediglich angekündigt haben, dass sie nach dem Video suchen.

Schon am Mittwoch hatte das Ministerium mit einer Notfallmaßnahme die weitere Verbreitung des Video im Internet zu unterbinden gesucht. Die Internetprovider waren aufgefordert worden, die Suche nach Begriffen wie "Enthauptung" oder "Kim Sun-Il-Video" zu blockieren. Moon glaubt, wie Korea Times berichtet, damit verhindert zu haben, dass das Video über das Internet bereits nach Korea gelangt sei. Die großen Internetprovider hätten bereits zugesichert, sofort das Video vom Netz zu nehmen, wenn es von einem Internetnutzer auf eine Seite gepostet würde. Wer in Südkorea Bilder von der Exekution verbreitet, wird strafrechtlich verfolgt werden, warnt Moon.