Don't come!

Archivbild (2013): Berittene Grenzkontrolle in Texas. Foto: Donna Burton/@US Government

Wie die Biden-Harris-Regierung die Migrationspolitik von Trump fortsetzt

An der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko kam es zuletzt zu eklatanter Gewalt gegen haitianische Flüchtlinge, als die Border Patrol einige der 14.500 geflüchteten Personen, die sich derzeit in einem Lager nahe der texanisch-mexikanischen Grenze aufhalten, brutal am Grenzübertritt hinderten. Die amerikanischen Autoritäten stützten sich in ihrem Vorgehen auf Pandemie bedingte Sonderregelungen, die es ihnen erlauben, das geltende Recht auf Asyl zu ignorieren.

"Unmenschliche Entscheidung"

Als Reaktion auf die Behandlung der geflüchteten Haitianer fühlte sich Daniel Foote am 22. September dazu veranlasst, von seinem Posten als Sonderbotschafter für Haiti zurückzutreten. In seiner Rücktrittserklärung sagte Foote, "er wolle nicht mit der kontraproduktiven unmenschlichen Entscheidung assoziiert werden, haitianische Geflüchtete und 'illegale' Immigranten in ein Land abzuschieben, in welchem amerikanische Abgesandte in bewachten Behausungen verweilen müssten, da bewaffnete Gangs das alltägliche Leben außerhalb bestimmen würden".

Ob es nun die Hoffnung auf mehr Milde seitens der neuen US-Regierung und auf eine angeblich offene Grenze war, warum haitianische Flüchtlinge sich in so großer Zahl aus südamerikanischen Ländern wie Chile in Richtung USA aufmachten, ist lässt sich nicht eindeutig sagen.

"Cowboys auf Pferden mit Peitschen gegen Schwarze"

Die entstandenen Bilder allerdings sprechen ihre eigene Sprache. Wenn nämlich Cowboys auf Pferden mit Peitschen, BPoCs (Black Persons of Color) in einen Fluss "zurückdrängen", fühlen sich viele Amerikaner:innen an die dunkelsten rassistischen Zeiten Amerikas erinnert: an die Sklaverei und Jim-Crow. Immerhin scheint die demokratische Regierung beschämt genug, nun eine Untersuchung hinsichtlich des Verhaltens der Agenten der "Border Control" einzuleiten.

Diese Bilder und die Situationen, denen sie entstammen, sprechen nicht nur vom Rassismus vergangener Zeiten, sondern auch von dem politischen und medialen Chaos, das die Migrationspolitik in den USA konstituiert.

Der jetzige Präsident hatte zwar in Wahlkampfreden im März letzten Jahres noch behauptetet, er stelle sich ein Land vor, dass nicht die Tür zuschlage vor jenen, die vor Verfolgung, Gewalt und Unterdrückung fliehen".

Doch kurz nach Amtsantritt riet seine Vizepräsidentin Kamala Harris, zum allgemeinen Entsetzen linker Parteigenossinnen auf ihrem ersten Südamerikatrip in Guatemala, den Menschen vor Ort, nicht den "gefährlichen Weg in die USA auf sich zu nehmen, da die Vereinigten Staaten weiterhin ihre Gesetze durchsetzen und ihre Grenze sichern würden". Diese Einwanderungspolitik unter dem Motto "Don't come" verfolgt die Bundesregierung nun weiter.

Verweigerung von Asylrechten

Die Verweigerung von Asylrechten ist nur durch die Anwendung von "Title 42" möglich, der es den Autoritäten angesichts der Covid-Pandemie zum Schutz der "allgemeinen Gesundheit" erlaubt, Geflüchteten ihr Recht auf Asyl zu verweigern und sie schlichtweg zu deportieren.

Die Welt grenzt sich ab (19 Bilder)

Grenzzaun zwischen Mexico und den USA in Arizona. Bild: U.S. Customs and Border Protection / Public Domain

Diese Vorgehensweise wurde zwar von Trump ein-, aber durch Biden weitergeführt. Seit Februar wurden auf diese Weise 700.000 Menschen ausgewiesen. Und die Biden Regierung sendet weiterhin widersprüchliche Signale. Einerseits beharren Sprecher der "Homeland Security" darauf, die aktuelle chaotische Situation sei dem Problem geschuldet, ein durch Trump "dezimiertes Immigrationssystem wieder aufzubauen, während man gleichzeitig ja noch die geltenden Gesetze durchsetzen müsse".

Jedoch "die Gesetze durchzusetzen", dies machte "Homeland Security Secretary" Alejandro Mayorkas klar, heißt, weiterhin Menschen unter "Title 42" abzuschieben. Im Grunde übernehmen die Demokraten hier nicht nur eine gesetzliche Regelung der Republikaner, sondern auch deren Argument, man müsse erst einmal ein dysfunktionales Immigrationssystem reparieren, dann könnten auch die Menschenrechte wieder gewahrt werden.

Ganz überraschend ist die Nähe der beiden Parteien in dieser Sache nicht. Zum Beispiel kam es unter Präsident Obama zu weitaus mehr Abschiebungen sogenannter illegaler Immigranten als unter Präsident Trump. Gleichwohl haben Demokraten und Republikaner ein gemeinsames Interesse an der Duldung einer gewissen Anzahl illegalisierter Immigranten, sogenannter "undocumented immigrants" in Ihrem Land.

Ausbeutung im Niedriglohnsektor

Denn diese eignen sich hervorragen zur Ausbeutung im Niedriglohnsektor. 2014 wurde der Anteil der Personen ohne Papiere an der gesamten Arbeiterschaft in der Landwirtschaft auf ca. 36,1 Prozent und damit auf 244.459 Arbeiter:innen geschätzt.

Bei der Landschafts- und Gartenpflege liegt der Anteil derselben Gruppe bei ca. 26,7 Prozent und damit bei 266.551 Arbeiter:innen. Die amerikanische Wirtschaft profitiert also von einer arbeitenden Unterschicht, bestehend aus illegalisierten Menschen ohne Papiere. Dies spiegelt sich vielleicht auch in den Schwierigkeiten für Menschen im DACA-Programm oder mit "Temporary Protected Status" wider, die letztendlich die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Versuche der Demokraten eine "Immigrationsreform am Senat vorbei im Rahmen des "Federal Budgets" zu verabschieden, sind bisher missglückt. Auch der offizielle Weg durch den Senat, eine solche Reform auf den Weg zu bringen, scheitert weiterhin am Widerstand der republikanischen Senatoren.

So argumentierte der Vorsitzende der republikanischen Minderheit im Senat, Mitch McConnell "dass es eine furchtbare Idee sei, legalen Status leichter zu ermöglichen, bevor man die Grenze gesichert und den Immigrationsvorgang reformiert hätte, welcher momentan missbraucht würde".

Hinsichtlich der katastrophalen Lage an der Grenze verweigert also eine Demokratische Partei Menschen das Recht auf Asyl, auf Basis pandemiebedingter Gesetzgebungen und dem Verweis, man müsse zuerst das kaputte Immigrationssystem reformieren. Die benötigten Reformen dazu werden allerdings von einer republikanischen Minderheit im Senat unmöglich gemacht.

Und diese Minderheit begründet ihre Blockade damit, dass das System zwar reformiert werden müsse, aber so, dass es Menschen erschwere, in die USA zu kommen, bevor man überhaupt darüber sprechen könne, denjenigen, die sich schon auf amerikanischen Boden aufhalten, den Weg zur Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

Die Partei der "Weißen"

Bei zukünftigen Verhandlungen wird es den Demokraten jedoch wenig nützen, dass es Geflüchteten momentan ebenso schwer gemacht wird, in die USA zu gelangen, wie es schon unter Trump der Fall war. Denn die Republikaner werden wahrscheinlich auch in Zukunft kaum einer Reform des Immigrationssystems zustimmen, das einer immer größeren Menge illegalisierter Einwanderer erlauben würde, US-Bürger zu werden und damit das Wahlrecht zu erlangen.

Umso weniger, als sich die Partei Lincolns - spätestens seit sie dem Trumpismus verfallen ist - selbst fast ausschließlich als Partei der "Weißen" sieht und vermarktet. Für republikanische Senatoren macht es daher kaum Sinn, "nicht-weißen" Menschen den Weg zu einer Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

Nicht nur, weil diese dann als Arbeiterinnen Anspruch auf Mindestlöhne hätten, sondern vor allem, weil republikanische Wahlsiege, trotz aller Bemühungen, durch neue antidemokratische Wahlgesetzgebungen in von Republikanern regierten Staaten, Minderheiten an der Wahl zu hindern, immer unmöglicher würden.

Allerdings unterstützen in jenen "Swing States", laut der Lobbygruppe FWD, ein Großteil der Amerikaner:innen Reformen, um Menschen ohne Papiere den Erhalt einer US-Staatsbürgerschaft zu erleichtern.

So unterstützen angeblich 79 Prozent der Bürger in diesen wahlentscheidenden Bundesstaaten Reformen, die es Menschen, die länger als zehn Jahre in den USA leben, eine Staatsbürgerschaft zu erlangen. Und sogar 71 Prozent der in diesen umkämpften Staaten lebenden Menschen sind für Reformen dies es Asylbewerber:innen erleichtern würden, vollwertige US-Bürger zu werden.

Um zu verhindern, dass in eben in diesen Bundesstaaten Menschen eingebürgert werden, die die Republikanische Partei aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft als Wählerinnen ausschließt, blockieren republikanische Senatoren jede Reform, die das dysfunktionale US-Immigrationssystem sinnvoll umstrukturieren könnte. Die Republikanische Partei profitiert also politisch von dem chaotischen Status-Quo an der Grenze.

Warum aber regieren und reformieren die Demokraten trotz ihrer Mehrheit in Senat und "House of Representatives" nicht einfach ohne die Partei Trumps?

Der Grund ist die sogenannte Regel des Filibuster, ein politischer Anachronismus, der es einer politischen Minderheit im Senat ermöglicht, die Verabschiedung von Gesetzen durch ewige Diskussion zu blockieren. Eine Regelung, wohl gemerkt, die von den Demokraten jederzeit abgeschafft werden könnte, sollten sie in der Lage sein, einheitlich hinsichtlich einer solchen Änderung abzustimmen.

Druck des linken Flügels der Demokraten

Gerade weil es in der Hand und im Interesse der Zukunft der Demokratischen Partei läge, Immigrationsreformen durchzusetzen, ist es absolut beschämend, die unmenschliche Behandlung geflüchteter Menschen und die Aussetzung des Asylrechts durch "Titel 42", mit Verweis auf ein chaotisches, unzureichendes Immigrationssystem, weiterhin zu erlauben.

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Immerhin akzeptieren nicht alle Demokratinnen die Ausflüchte ihrer Regierung und scheuen sich auch nicht davor, deren Immigrationspolitik mit der ihrer republikanischen Vorgängen gleichzusetzen. Zum Beispiel twitterte Alexandria Ocasio-Cortez "es mache keinen Unterschied -, ob ein Demokrat oder Republikaner Präsident ist, das US-Immigrationssystem sei strukturiert für Gewalt gegen und die Dehumanisierung von Immigranten".

Es bleibt zu hoffen, dass der Druck linken Flügels ausreicht, um jene strukturellen Umweltzungen durchzusetzen, die die Demokratische Regierung und Partei zwingen würden, ihre Ideale oder zumindest ein paar Wahlversprechungen politisch umzusetzen.