Dresdnerin klagt gegen Rundfunkbeitrag: MDR habe Programmauftrag nicht erfüllt
Einzelfälle gewinnen an Gewicht. Klage gegen Beitragserhebung erhält Rückhalt vom Richter. Ein Weckruf für die öffentlich-rechtlichen Sender?
Für die öffentlich-rechtlichen Sender sind die Klagen gegen den Rundfunkbeitrag allem Anschein noch kein Grund zur Aufregung. Sie werden als Angelegenheit "im Promillebereich" betrachtet und verbucht.
Angesichts von bundesweit 2282 rundfunkbeitragsrechtlichen Verfahren im Jahr 2023, die man 40 Millionen Beitragskonnten gegenüberstellt (FAZ), kann man auf den Gedanken kommen, dass es sich bei den Klagen um wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigbare Menge handelt.
Doch gibt es Einzelfälle, die dieses Zahlengerüst, das auf Geringfügigkeit baut, entzaubern. Einer davon trägt sich in Dresden zu.
Die Klage
Dort ist eine Frau vor Gericht gegangen, die die Zahlung des Rundfunkbeitrags seit 2021 eingestellt hat, weil sie die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender, insbesondere des MDR, für einseitig und manipulativ hält. Im November 2022 reichte sie mit Unterstützung der Initiative "Leuchtturm ARD" Klage gegen den MDR ein.
In ihrer Klage beruft sie sich auf den "sozialen Härtefall" laut Rundfunkstaatsvertrag. Die besondere Härte bestehe für sie darin, für eine aus ihrer Sicht nicht erbrachte Leistung zahlen zu müssen. Die Klägerin ist überzeugt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen verfassungsrechtlichen Auftrag nicht erfüllt.
Wie die Sächsische Zeitung berichtet, heißt es in der Klageschrift:
Ich gehe davon aus, dass der ARD ZDF Deutschland Rundfunk seinen verfassungsrechtlichen Auftrag nach Artikel 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz nicht erfüllt, da er weder frei noch umfassend noch wahrheitsgemäß informiert.
Der Richter weist den Weg
An dieser Stelle kommt das Verhalten des Richters ins Spiel. Es ist bemerkenswert. Nicht nur, weil er die Frau ausgiebig zu Wort kommen ließ und sich dazu laut dem Zeitungsbericht auch ein "Gebührenpflichtgedicht" mit 16 Strophen in voller Länge anhörte.
Auch nicht, weil er die Argumente der Frau, soweit sie die Einstufung als sozialen Härtefall betrifft, ungewöhnlich deutlich als "Quatsch" einstuft.
Sondern weil er der Frau den Weg weist, wie ihre Klage in einem wesentlichen Punkt juristisch Erfolg haben könnte. Das ist sehr ungewöhnlich und müsste den Vertretern des Senders MDR, von denen keiner an der Verhandlung teilnahm, zu denken geben.
Potenzial für juristische Auseinandersetzungen hätten die von ihr vorgebrachten Vorwürfe durchaus, gibt der Richter ihr zu verstehen. Seit Ende 2023 sei da eine ,"rechtliche Entwicklung in der Pipeline".
Der Richter führte dazu aus, dass sich ihre Kritik an der gesetzliche Grundlage des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Sender ausrichten sollte. Dieser Auftrag verpflichtet die öffentlich-rechtlichen Sender "zur Einhaltung journalistischer Standards, zur Gewährleistung einer unabhängigen, sachlichen, wahrheitsgemäßen und umfassenden Information und Berichterstattung".
Sollte diese Leistung "strukturell bedingt nicht ausreichend erbracht" werden, dann könne auch die Gegenleistung, nämlich der Rundfunkbeitrag infrage gestellt werden, habe der Richter durchblicken lassen, so die Zeitung. Das Urteil in der Sache wird erst in einigen Wochen erwartet.
Einzelfälle bekommen Gewicht
Wenn dies nun Schule macht, dass Richter die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf die Erfüllung ihres Auftrags aufmerksam machen, bekommen die Einzelfälle deutlich mehr Gewicht, als es sich Vertreter des ÖRR in ihrer Komfortzone vorstellen.
Bislang hat man dort nach außen noch nicht überzeugend kommuniziert, dass man sich selbstkritisch über Ready-Made-Statements hinaus mit der öffentlichen Kritik an der Auftragserfüllung auseinandersetzt.
Worauf der Richter in Dresden verwies, wenn er davon sprach, dass "die Rechtsprechung in ihrer Angelegenheit zuletzt 'in Fahrt' gekommen sei", hängt mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts von Ende Mai dieses Jahres zusammen, ein Revisionsverfahren einzuleiten.
In der Begründung dazu heißt es:
Die Revision der Klägerin ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.05.2024
Damit geht auch eine Prüfung dessen einher, wie die Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen funktionieren, die auf die Erfüllung des Auftrags achten.